Relikte

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Joslyn hielt sich im Hintergrund, während die anderen fünf Todesser einer nach dem anderen durch einen Schrank verschwanden. Joslyn hatte davon gelesen. 
Ein Verschwindekabinett. 
Eines von einem Paar. Mit dem richtigen Zauber verbanden sich die beiden Kabinette und erschufen einen Durchgang zwischen den beiden Orten, egal wo sie waren. Wenn sie an die Worte Voldemorts dachte und was hier gerade passierte, dann ergab es nur einen Sinn, wenn das andere Kabinett in Hogwarts war. Somit konnten die Todesser auch die Barriere umgehen, die Dumbledore errichtet hatte und das direkte Apparieren nach Hogwarts verhinderte. Somit konnte Voldemort wahrscheinlich auch unbemerkt nach Hogwarts gelangen und sie entführen.
Eigentlich jetzt ein glücklicher Zufall für Joslyn. Sie hatte keine Lust zum Bahnhof zu gehen und sich ein Ticket für den Zug zu holen. Bis sie zurück wäre, wäre mindestens ein Tag vergangen. Somit konnte sie das Kabinett auch für ihre Vorteile nutzen. Dann wäre sie rechtzeitig in Hogwarts, um ein paar Todessern in den Arsch zu treten. Wortwörtlich, da ihre Kräfte noch nicht stark genug sind, um im Kampf benutzt zu werden. Also wartete sie, bis Yaxley das Kabinett betrat und folgte ihm. Die Tür schloss sich hinter ihr, ohne das jemand Verdacht geschöpft hätte. Ein kurzzeitiges Schwindelgefühl brachte sie auf dem Gleichgewicht und sie stützte sich an den Wänden des engen Schrankinneren ab. Ihr Magen drehte sich um, als würde sie in der Achterbahn sitzen und am höchsten Punkt angekommen, kurz bevor es schnell steil abwärts ging. 
Dann verschwand das Gefühl und sie wusste, dass sie den Übergang in das andere Kabinett überstanden hatte. Trotzdem verharrte sie noch einige Sekunden, bevor sie die Tür öffnete und hinausstieg. Die Todesser waren nicht zu sehen und ansonsten gab es nur Krempel. Als wäre sie in einen riesigen Gerümpelladen gestolpert. 
"Ah, Scheiße!" seufzte sie und fuhr sich durch die Haare. Mit derselben Bewegung wischte sie sich die Kapuze vom Kopf. 
Der Raum der Wünsche. 
Sie hatte ihn vor einem Jahr gemeinsam mit Neville gefunden und einer Gruppe mutiger Schüler ermöglicht, dort ihre Kampfkünste auszubilden. Allerdings hatte der Raum damals eine andere Erscheinung. 
Mit einem tiefen Seufzer sah sie sich um und suchte nach einem Weg hinaus, als in dem Moment Merope direkt neben ihr erschien. 
"Verdammte Scheiße!" zischte Joslyn und sprang mehrere Schritte zurück. "Warum...?" 
"Es ist hier!" Merope sah sich hastig um, dann flitzte sie los. Joslyn blickte in die Richtung, in die sie eigentlich wollte, seufzte tief und folgte Voldemorts Mutter. 
Verflucht sei ihre Neugierde!
Hogwarts musste im Moment ohne sie auskommen. 
"Was ist hier?" Rasch schloss sie zu Merope auf. 
"Ein Teil seiner Seele." 
Fast stolperte Joslyn über einen Besenstiel. 
"Ein Horkrux? Ah, nicht noch einer. Was bin ich, ein Horkrux-Magnet? Das ist doch lächerlich!" beschwerte Joslyn sich, doch sie wusste, dass es keinen Sinn hatte. Sie musste nur an diese bekloppte Prophezeiung denken.  Es war offenbar ihre Bestimmung, Schicksal und Zeit zu ändern. 
"Hier!" flüstert Merope und blieb vor einem vollgestellten Tischchen stehen, an dem sie fast vorbeigerannt wäre. Joslyn bremst scharf ab und starrte die Dinge auf dem Tisch mit gerunzelter Stirn an. Ein kleiner Standspiegel, dessen Oberfläche verschmiert war, ein Bündel Schreibfedern von exotischen Vögeln und Tieren, drei aufeinandergestapelte, leere Tintenfässer mit eleganten Formen, Pergamentrollen, die an den Enden bereits zerfielen und mit Wachssiegeln verschlossen waren und ein schwarzes Schmuckkästchen in Form eines Rechtecks. 
Vorsichtig wischte Joslyn die dickte Staubschicht von dem Samt und hob den anderen Arm vor die Nase, um nicht zu niesen. Sie und Merope tauschten kurze Blicke, dann öffnete Joslyn das Kästchen und hob eine Augenbraue. Einige Minuten herrschte Schweigen. 
"Dein Sohn hat Geschmack. Neben dem seltsamen Bedürfnis, schöne Dinge zu sammeln." 
"Es erklärt, warum du seine Frau bist und niemand sonst." gab Merope nur mit einem Schnauben zurück. 
"Ich bin nicht seine Frau!" presste Joslyn durch zusammengepresste Zähne hervor und strich mit den Fingerspitzen über den diamantenbesetzten Rand des Diadems von Rowena Ravenclaw. Es war in grünen Samt gebettet und hatte die Form eines Raben. Silber, Diamanten und drei große Saphire. Die Farben des Ravenclaw-Hauses. Der größte hatte den Umfang eines Ei's und befand sich direkt unter dem Rabenkopf in der Mitte des Kopfschmucks. Darunter waren zwei kleinere angebracht, wobei der untere bei dem Träger auf der Stirn zum Liegen kommen würde. 
Ihre Fingerspitzen kribbelten von der Berührung und sie rieb sie langsam aneinander. Sie konnte den Teil der Seele spüren, der in dem Schmuckstück wohnte. Doch im Gegensatz zu dem Ring an ihrem Finger war er nicht mit einem starken Fluch belegt. Diesmal war es etwas anderes. Etwas, dass Joslyn nicht angriff. Was immer es war, das diesen Teil der Seele beschützte, es schien Joslyn auf irgendeiner Ebene zu erkennen und sie zu akzeptieren. 
"Setz es auf!" Merope griff vor Aufregung nach ihrem Ärmel und kurzzeitig wurden ihre Finger wieder fest. Joslyn hob leicht die Augenbrauen. 
"Lieber nicht." murmelte sie dann, doch nahm das Schmuckstück trotzdem aus dem Kästchen. Sie hatte ein ungutes Gefühl. Wenn sie dieses Diadem aufsetzen würde, würde etwas passieren und sie wusste nicht was. Aber ihre Sternenmacht in Kombination mit der Macht des Diadems und des Horkruxes konnte eine neue Ebene der Magie erreichen. Eine, die sich die Zaubererwelt bisher noch nicht einmal vorstellen konnte. 
Trotzdem ließ sie das Diadem in den Ärmeln des Umhangs verschwinden. 
"Vielleicht solltest du das von nun an tun." murmelt Merope und beobachtete jede Bewegung der Hexe. 
"Was?" Abwesend tastete Joslyn nach dem Diadem. Es machte sie doch ein wenig nervös so ein mächtiges und wertvolles Artefakt mit sich herumzuschleppen. 
"Die abgesplitterten Seelenteile meines Sohns finden und verwahren, bis du einen Weg gefunden hast, sie wieder zu vereinen." 
Joslyn sah die Geisterdame an und blinzelte langsam. 
"Verarschst du mich gerade. Wie bin ich von der Auserwählten zur Retterin geworden?" 
Merope kicherte und hob rasch die Hände, um es dahinter zu verbergen. 
"Eine Auserwählte ist eine Retterin." 
"Kann ich nicht die Auserwählte des Bösen sein? Satans Braut? Gut sein und alle zu retten ist immer so zeitaufwendig und anstrengend." 
"Jemand anderes würde sagen, dass du die Auserwählte des Bösen bist. Die erwählte Braut von Lord Voldemort. Außerdem bist du nicht gut und alle retten tust du auch nicht." 
"Wie beruhigend!" Joslyn sah sich nach einem Weg nach draußen um und schlug schließlich irgendeine Richtung ein. Eigentlich sollte sie sich beeilen, das wusste sie. Aber stattdessen schlenderte sie durch die Gänge, die von meterhohen Bergen aus Dingen entstanden waren. Wenn sie etwas interessantes sah, betrachtete sie es näher, ohne es zu berühren. 
"Das glaub ich nicht!" Meropes Aufschrei ließ sie zusammenzucken. Irritiert warf sie ihrer Begleiterin einen Blick zu. Sie war vor einem Schrank mit Glastüren stehen geblieben und hätte sicher die Nase gegen das Glas gedrückt, wenn sie könnte.  
"Was?" 
"Sieh nur, das ist die Kette des Phönix. Wie kommt so etwas hier her?" 
Es klang interessant, also näherte Joslyn sich und warf einen Blick durch das Glas. Auf einem der Regale befand sich eine Porzellandekolleté und um den geformten, eleganten Hals lag ein Goldring. Es war kein kompletter Ring. Vorne, über dem Schlüsselbein befand sich eine Lücke, um, bei Bedarf, die Größe einzustellen. Die Enden des Goldrings waren wie die Schwingen eines Phönix geformt  und ließen es aussehen, als läge ein Phönix selbst um den Hals. 
"Was ist so besonders an ihr?" Joslyn strich mit den Fingerspitzen über die Spalte zwischen den Schranktüren, um nach einer Möglichkeit zu suchen, die Türen zu öffnen.  
"Sie hat dieselbe Fähigkeit, wie ein Phönix. Wasser, das mit dem Ring in Berührung kommt, hat heilende Kräfte, wie die Tränen des Phönix." 
"Wie nützlich!" Joslyn fand endlich eine Möglichkeit, den Schrank zu öffnen und nahm den Halsring vorsichtig von der Statue. Sofort strahlte das Material Wärme aus und Joslyn war sich fast sicher, dass sie sich die Finger verbrennen würde, doch so weit erhitzte der Ring sich nicht. 
"Aus was für einem Material ist er gemacht?" Interessiert hob sie das Relikt höher, um einen bessern Blick darauf zu bekommen. Das Licht brach sich in dem Gold und plötzlich wirkte es, als würden die Federn in Flammen stehen. 
"Keiner weiß es so genau. Manche behaupten ein Phönix war des Lebens müde und ist erstarrt. Andere sagen, der Schmied habe die Asche des Phönix genommen, bevor er wieder auferstehen konnte und es mit Gold gemischt. Es gibt viele Geschichte.
"Spannend!" grinste Joslyn und bog die Enden des Rings leicht auseinander, bevor sie es sich um den Hals legte. Sofort wärmte sich ihre Haut auf und ein reines Gefühl von Wohl erfüllte sie. Allein den Ring zu tragen, steigerte schon ihre Gesundheit. Das bewiesen ihre Hände. Mit großen Augen beobachtete sie, wie die schwarze Färbung an ihren Händen langsam verschwand und glatte, unversehrte Haut zurückließ. Mit einem leisen Pfiff drehte sie die Hände vor dem Gesicht, um beide Seiten zu betrachten. 
"Unglaublich! Den Ring geb ich nie wieder her." Kichernd strich sie mit den Fingerspitzen darüber. In dem Moment explodierte neben ihr der Gerümpelberg und die Wand dahinter. Sie konnte gerade noch rechtzeitig die Hände vor den Kopf heben, um sich zu schützen, bevor sie durch die Luft geschleudert wurde. 
"Fuck!" 

Times Die Macht der MagieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt