Die Prophezeiungen

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Im schwachen Licht der silbrigen Kugeln, die überall um sie herum verteilt waren, schlich Joslyn durch die Ministeriumsabteilung, deren Betreten ihr Untersagt wurde, nachdem sie angeblich abtrünnig geworden war. Mit anderen Worten ihr Antrag die Prophezeiung einzusehen, wurde abgelehnt. Aber eigentlich war das nur eine reine Formsache. Dass der Minister ihr nicht den Zutritt gewährte, war kein Meilenstein. Sie hatte einfach gewartet und sich dann mit ihren besonderen Kräften vor die entsprechende Tür gezaubert. Nachdem Dumbledore ihr ein Bild davon besorgt hatte. Dass dies aus seiner Erinnerung stammte, machte da keinen Unterschied. Jetzt schlenderte sie lautlos, trotz zehn-Zentimeter-Absätzen zwischen den deckenhohen Regalen hindurch und folgte einem Gefühl. Auf den Regalbrettern befanden sich unzählige Glaskugeln in allen Größen. Entweder waren sie klar, durchsichtig, milchig oder mit grau-weißem Rauch gefüllt. Keine dieser Prophezeiungen interessierte Joslyn. Sie ging immer weiter, verlor dabei den Überblick über die Raumstruktur und schien sich in dem Labyrinth aus Regalen und Kugeln zu verlaufen. Manche der Kugeln waren komplett unter Staub und Spinnenweben verschwunden, andere glänzten noch frisch. Hier, in diesem Raum sammelte sich über Jahrhunderte hinweg, die verschiedensten Prophezeiungen, von unzähligen Zungen ausgesprochen und von Ereignissen der ganzen Welt handelnd. Schließlich blieb sie stehen. Das Regal vor ihr unterschied sich nicht von den unzähligen Regalen um sie herum. Regelbretter bis zur Decke, gefüllt mit Kugeln. Trotzdem sagte ein unbestimmtes Gefühl in ihrem Innern, dass sie hier fündig werden würde. Das Regal war nummeriert, auch wenn unklar war, nach welchem System sie angereiht waren. 
113.
Mit den Fingerspitzen fuhr sie an der Kante eines Regalbretts entlang, das sich oberhalb ihres Kopfes befand. Sie musste sich trotz ihrer Absätze strecken. Die elegante Bluse mit Knopfleise am Rücken hob sich an und kurzzeitig wurde es frisch an ihrem nackten Bauch. Dann sank sie wieder auf die Fersen zurück und hielt eine Kugel in der Hand. Sie war groß. Groß und klar und fühlte sich zwischen ihren schwarzen Fingern warm an. Als würde sie nach ihr rufen. Bedächtig hob Joslyn das Glas an und betrachtete es genauer. Das Material der Kugel erinnerte bei genauerer Betrachtung an Kristall mit seltsamen Glitzerpünktchen. Vorsichtig strich sie mit dem Daumen darüber und eine dicke Staubschicht löste sich. Kurzerhand pustete sie darüber und eine beängstigende Menge an Schmutz löste sich von der Prophezeiung. Hastig drückte Joslyn eine Hand über Mund und Nase, um den Hustenreiz zu unterdrücken. Dabei viel ihr Blick auf eine schmale Platte, direkt unter dem Platz, an dem sie die Kugel gefunden hatte. Sie intigrierte sich nahtlos mit dem Regalbrett und war von Spinnenweben unleserlich gemacht. 

M. G. an K. C. 

Tom Marvolo Riddle 

und

Joslyn Grindelwald

Irritiert runzelte Joslyn die Stirn. 

M. G.? und K. C.? 
Wenn sie raten müsste, würde sie sagen, dass M. G. die Person war, die die Prophezeiung ausgesprochen hatte und K. C. diejenige, die sie gehört hatte. 

Vorsichtig ließ sie die Prophezeiung in ihrer Manteltasche verschwinden und wollte sich gerade an die Aufgabe machen, aus diesem Labyrinth wieder herauszukomme, da hörte sie Stimmen. Die Eindringlinge versuchten leise zu sein, doch ihre Stimmen hallten in dem Raum nach und wurden zwischen die Regale davon getragen. Sie waren nicht weit weg. Joslyn entschloss sich nach einem Schulterzucken sie einfach zu ignorieren und weiterzugehen. Doch dann hielt sie inne. 
"Das darf doch nicht wahr sein!" zischte sie und drehte sich in die Richtung der Stimmen. Das klang sehr nach Harry und Ron. Und wenn die beiden hier waren, dann konnte Hermione nicht weit sein. Mit einem gereizten Knurren stiefelte sie auf die Stimmen zu. 
Da ließ man die drei einmal aus den Augen und sie brachen in das Ministerium ein. Je älter sie wurden, desto gefährlicher und abwegiger wurden ihre Aktionen. Trotzdem schafften sie die unglaublichsten Dinge. Aber eigentlich durfte Joslyn nichts sagen. Sie war gerade mal 9 Jahre, als sie in den ersten Club gegangen war und den Besitzer heimlich um einige Tausender erleichtert hatte. Noch heute wusste der arme Kerl nicht, was passiert war und er würde es auch nie herausfinden, denn er wurde gemeinsam mit Big Tom verbrannt. Und vielleicht war sie ein paar Jahre älter, aber ins Ministerium war sie trotzdem eingebrochen. 
Und zugegeben, sie liebte es!
Sie konnte dem goldenen Trio keinen Vorwurf machen. Die Aussicht auf Gefahr war einfach berauschend. 
Joslyn wollte gerade um das letzte Regal herum, als sie eine feindliche Präsenz spürte. Sofort blieb sie stehen und wich in den Schatten zurück. Sie kannte diese Gegenwart, die ihre Instinkte streifte. 
Was machte Lucius Malfoy hier?
Vorsichtig sah sie zwischen den Regalbrettern in den anderen Gang und runzelte die Stirn. Da waren nicht nur Harry, Ron und Hermione. Bei ihnen befanden sich noch Neville, Luna und Ginny, das andere Trio. Und sie waren umringt von Todessern. Joslyn erkannte eine Prophezeiung in Harrys Hand, die er sich weigerte herzugeben. Puzzleteile rutschten an ihren Platz. Sie erinnerte sich an Dumbledores Worte. 
Nur diejenigen, von denen die Prophezeiung handelte, konnten sie auch holen. Und wenn Harry dort stand, eine dieser Kugeln in der Hand und von Todessern umringt war, konnte das nur eins bedeuten. 
Voldemort wollte die Prophezeiung, die von Harry und ihm handelte. Aber noch konnte der Dunkle Lord nicht einfach ins Ministerium spazieren. 
Wie kam Harry aber dazu, ins Ministerium zu rennen und wenn sie ihn so ansah, war das eine Hals-über-Kopf-Aktion. 
"Shit!" Joslyn machte einen Schritt zurück und rammte ihren Fuß gegen das Regal. Zu ihrer eigenen Überraschung kippte das gesamte Ding einfach in die entsprechende Richtung. Erschrockene Schreie ertönten auf der anderen Seite des Regals und die Mitglieder von Dumbledores Armee nutzten die Verwirrung sofort aus. Joslyn konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. So fühlte es sich also an, wenn man auf seine Kinder stolz war. Joslyn witschte zur Seite und lief direkt in den ersten Todesser rein. Während sie dem Mann instiktiv auf die Nase boxte, oder wenigstens hatte sie darauf gezielt, sie konnte es wegen der Maske nicht genau sagen, sandte sie einen Hilferuf aus. 
Ein kleiner Rotschopf flitzte auf sie zu und Joslyn packte Ginny am Arm. Mit einer geschickten Drehung warf sie das Mädchen in einen abzweigenden Gang und erzeugte eine Druckwelle, die alle von den Füßen riss, die in ihrer Schusslinie standen. 
"Man, Madam Watson." beschwerte Neville sich und krabbelte auf allen Vieren über den Boden auf sie zu. 
"Was? Du standest im Weg!" grinste Joslyn und zog den Schüler am Oberarm gepackt nach oben. 
"Was machen Sie hier, Madam?" Ginny lugte vorsichtig um die Ecke und warf dann Joslyn einen Blick zu. 
"Das gleiche wie ihr. Eine Prophezeiung stehlen!"
Die Schüler tauschten Blicke. 
"Wir sind hier, um Sirius zu retten." wagte Neville schließlich zu sagen. Joslyn blinzelte. 
"Wieso sollte Sirius hier sein?" Ihre Worte waren langsam und schleppend, als würde sie nach einer Korrektur verlangen. Die beiden wechselten Blicke. 
"Naja, Harry meinte, er wäre hier." Wie um sich zu vergewissern, sah Ginny sich noch einmal um.
"Hier? Wo Harry zufälligerweise die Prophezeiung gefunden hat?" hakte Josyln mit einem schweren Seufzer in der Stimme nach und Neville riss die Augen auf. 
"War das eine Falle?" flüsterte er mit zitternder Stimme und Joslyn griff sich an die Stirn. 
"Ich fürchte ja!" Joslyn rieb sich das Kinn. Dumbledore hatte ihr davon erzählt. Dass zwischen Voldemort und Harry eine geistige Verbindung herrschte und sobald der Dunkle Lord davon erfahren würde, würde er eine Möglichkeit finden, das auszunutzen. 
Offenbar hatte sich diese Möglichkeit ergeben. Joslyn sah in den Gang. Er war leer.
"Und wo ist unser Goldjunge?" 
Die beiden Schüler tauschten betretene Blicke. 
"Gott verdammt, ich werde dem Jungen die Ohren lang ziehen!" brüllte Joslyn plötzlich und stampfte los, um den Rest der kleinen, lebensmüden Truppe einzusammeln. Ginny und Neville folgten ihr hastig. 
"Sie haben nach einer Prophezeiung gesucht, Madam?" fragte Ginny, als die Tür in Sicht kam. 
"Ja!" Joslyn vollführte eine wegwischende Handbewegung mit der Hand und die Tür schwang ohne fremde Hilfe auf. Die drei platzten mitten in ein wildes Durcheinander. Die Wand neben Joslyns Kopf explodierte und Stein und Putz flog auf ihr Gesicht zu. Bevor es dazu kommen konnte, zerfielen die Splitter zu feinstem Staub. Irritiert wedelte sie mit der Hand vor dem Gesicht, gleichzeitig, auf ihre Bewegung reagierend, riss eine Steinbank von der Empore ab und begrub zwei Todesser unter sich, die sich gerade in einen wilden Knäuel stürzen wollten, bestehend aus Tonks, zwei Todesser und Luna. 
"Grindelwald!" knurrte eine bekannte Stimme, bei deren Klang Joslyn entweder in Ärgerlaune versetzt wurde, oder jemanden umbringen wollte. Heute verspürte sie Mordlust. 
"Was?" fuhr sie Mad-Eye Moody an und ließ einen Schockzauber zerspringen. Wie sie ihre Anti-Zauber-Blase auf andere ausweiten konnte, wusste sie noch nicht. Es war etwas anderes als die goldene Glocke, die vor den Dementoren schützte. Ein Todesfluch schoss direkt auf Neville zu, der sich mit einem erschrockenen Quietschen hinter Joslyn duckte. Sofort sprühten grüne Funken in alle Richtungen. Joslyn funkelte den Todesser mit scharfen Augen an und riss ihm mit einem Fingerschnippen die Beine unterm Körper weg. Kopfüber baumelte der Mann nun in der Luft und er zappelte wie ein Fisch am Haken. 
"Wo ist Potter?" Moody wehrte einen verirrten Fluch ab, der es auf den Rest seiner Nase abgesehen hatte. 
"Woher soll ich das wissen?" keifte Joslyn zurück und ließ den Todesser auf den Kopf fallen. Stöhnend rollte dieser sich auf die Seite und stand nicht wieder auf. Moody sah von ihr zu dem besiegten Zauberer und wieder zurück. 
"Schlechten Tag gehabt?" 
Sie grinste ihn an und achtete darauf, ihm all ihre Zähne zu zeigen. 
"Lass es krachen!" johlte Sirius' Stimme von der anderen Seite des Raums und Joslyn hob eine Augenbraue. Dann zuckte ein echtes Lachen über ihre Lippen und sie reckte sich auf die Zehenspitzen. 
"Okay", sie drehte sich zu Moody um. "Ich such Harry und ihr räumt hier auf, bis sich Dumbledore herbequemt."
"Verschwinde schon, Grindelwald." knurrte Moody und Joslyn übergab die Kinder hinter sich der Obhut des Aurors. Dann schoss sie durch den Raum und sah sich dabei um. Nirgends konnte sie den wilden, schwarzen Schopf des Auserwählten entdecken. 
"Padfoot!" 
Sirius wirbelte zu ihr herum. Joslyn malte mir den Fingern einen leuchtenden Blitz in die Luft und hob fragend Hände und Schultern. Sirius sah sich hastig um, während er einem Fluch auswich. Dann deutete er auf die Tür, die aus dem Raum herausführte. 
"Ach scheiße!" seufzte Joslyn und eilte darauf zu. Auf halbem Weg zwischen weiteren Steinbänken hindurch, verharrte sie ruckartig. Eine milchige, kleine Kugel klemmte zwischen zwei Bänken. Instinktiv, obwohl sie wusste, dass es nicht ihre Prophezeiung war, strich sie über ihre Manteltasche. Die Beule darin hatte sich nicht bewegt. Mit einer schnellen Bewegung hob sie die Kugel hoch und ließ sie in ihrer anderen Tasche verschwinden. Dann flitzte sie weiter. Gerade als sie durch die Tür wollte, wurde diese aufgerissen und Dumbledore tauchte vor ihr auf. Sein sonst so gutmütiger Blick war verschwunden. Joslyn grinste. 
Wusste sie doch, dass der alte Mann es faustdick hinter den Ohren hatte.
"Wo ist Harry?" 
"Ich werde ihn finden." versprach Joslyn mit boshafter Freude in den Augen. Dumbledore nickte ihr zu und sie schossen aneinander vorbei. Dumbledore stürmte in den Raum, in dem der Kampf tobte und Joslyn taucht in die dunklen Gänge des Ministeriums ein. Zu Fuß war sie jedoch zu langsam. Mit einem Gedanken löste sie sich in ihre einzelnen Moleküle auf und schoss als rauchige Partikelwolke in allen Regenbogenfarben durch die Flure. Sie konnte zwar nicht apparieren, dafür war sie jedoch in der Lage sich zu dematerialisieren.
Der Gang öffnete sich zu einer großen, hohen Halle. Das Zentrum des Ministeriums. In der Mitte des Saals stand ein Springbrunnen mit goldenen, bewegungsfähigen Statuen, die sich gerade vor dem Kampf duckten, der auf der anderen Seite geführt wurde. Joslyn nahm direkt hinter Harry Gestalt an. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter, um ihn aus der Schussbahn zu drängen, doch der Junge duckte sich instinktiv weg und feuerte einen Schockzauber unter seinem Arm hindurch nach hinten. Der Zauber traf Joslyn unvorbereitet mitten in der Brust und schleuderte sie durch die Luft in das obere Brunnenbecken. 
Sofort herrschte Stille. Man hörte nur Joslyns lang ausgestoßenes, gezischtes: "Fuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuck!"
Sie hing irgendwie in dem schmalen Becken, einen Arm verrenkt über die Kante baumelnd und das eine Bein irgendwie über einer der Figuren gelegt. Mühsam drehte Joslyn sich auf den Bauch. Ihr Rücken brannte und stach furchtbar. Mit einem Knurren machte sie einen Katzbuckel und sie konnte schwören, sie hörte etwas wieder einrenken. Dann drehte sie langsam den Kopf und starrte Harry von oben herab an, als würde sie sich vorstellen, dass sein Kopf explodieren würde. 
"Du kleiner Scheiße!" zischte sie und zog sich mühsam an dem Beckenrand hoch. Hoffentlich brach nichts weg. 
"Oh Gott, Madam Watson. Das tut mir so leid!" beteuerte Harry und sah hastig zwischen der Bibliothekarin und seinem vorherigen Gegen hin und her. Joslyn folgte übellaunig seinem Blick. Sie war nass, ihr taten Körperstellen weh, von denen sie bisher noch gar nicht gewusst hatte, dass sie existierten. Doch als ihre Augen dem scharfen, roten Blick von Lord Voldemort aka Tom Riddle begegnete, vergas sie ihre Schmerzen. Langsam ließ sie die Hand sinken, mit der sie sich an den Kopf fassen wollte, um zu überprüfen ob ihr Kopf nur von Wasser nass war. 
Er sah besser aus, als bei ihrer letzten Begegnung. Das schwarze Haar hatte er sich zurückgekämmt, was seine messerscharfen, blassen Gesichtszüge nur noch hervorhob. Die roten Augen, umrahmt von dichten, dunklen Wimpern. Die hohen Wangenknochen, kombiniert mit der gerade, klassischen Nase und dann noch die vollen Lippen, die trotz seines Teints überraschend rot waren. Heute trug er dunkle Hosen, elegante, schwarze Schuhe und ein dunkelgrünes Hemd über einem offenen Umhang. Die Knöpfe des Hemds waren weiter oben nachlässig geöffnet und die Anzeichen der harten, breiten Brust ließen sich erkennen. Mit langen, eleganten Fingern hielt er seinen Zauberstab, der jedoch im Moment auf den Boden deutete. 
"Du bist also Joslyn Watson." brach Voldemort als erstes das Schweigen und dann legte sich ein höhnisches, leichtes Lächeln über seine Lippen. 
Joslyn kniff leicht die Lippen zusammen und strich unbewusst über den Ring an ihrem Finger, der an ihrer schwarzen Haut schuld war. 
"Shit!" 
Plötzlich war Harry vergessen. Die rote Schlangenaugen fixierten sich auf Joslyn und ließen sie keine Sekunde mehr los. 
"Du hast meine potenziellen Muggle-Verbündeten getötet." 
"Um genau zu sein, hab ich sie in die Luft gejagt." Joslyn konnte nichts gegen das blutrünstige Lächeln, gemischt mit einer Portion Stolz, tun. 
"Du hast mir eine Menge Ärger bereitet." 
"Das scheint meine neue Lebensaufgabe zu sein." 
Er grinste. 
"Wenn sich dein Leben nur noch um mich dreht, weißt du sicher auch, warum ich hier bin." 
Joslyn schnippte mit den Fingern und griff in eine ihrer Manteltaschen, darum betend, dass sie sich jetzt nicht gleich die Finger an Kristallscherben aufschlitzte. Doch sie ertastete die unversehrte Kugel und hob sie mit einem breiten Grinsen hoch.
"Deswegen?" Ein unschuldiger Augenaufschlag. Voldemort sah zwischen ihr und der Prophezeiung hin und her, in seinen Augen lauerte reine Besitzgier, egal was oder wen er ansah. 
"Gib sie mir!" verlangte er, doch erntete nur gelassenes Gelächter. 
"Natürlich und ab morgen arbeite ich als Weihnachtsmann, denn ich erfülle allen ihre Wünsche." Ihr beißender Sarkasmus brachte Voldemorts Miene zum Verfinstern. 
"Tu, was ich dir sage!" Sein scharfer Befehl hallte im Saal wider. Joslyns Gelächter verschwand so schnell, wie es gekommen war. Jetzt legte sich ein Ausdruck purer Mordlust über ihre schönen Züge. Ein plötzlicher Sturm peitschte ihre Haare in die Höhe und ließen sie wie eine Gewitterwolke über ihrem Kopf flattern. Langsam ließ sie die Prophezeiung zwischen den Fingern tanzen, während Wind und Wasser um sie herum tosten. 
"Ich bin keiner deiner Anhänger, Schätzchen und ich fürchte dich auch nicht." Ihr rasiermesserscharfer Blick schnitt den Dunklen Lord beinahe in Streifen und die Farbe ihrer Irise passte sich ihrer Stimmung an. Ein wildes Gewitter aus schwarz, dunkelblau und grau mischte sich zu einem unheilverkündenden Durcheinander. Harry ging hastig hinter einer Säule in Deckung, beide Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Er hat einmal den Zorn Madam Watsons gesehen und darauf waren wochenlange Albträume gefolgt. Gewöhnlicherweise war Joslyn eine ruhige Person, viel zu gelassen und gleichgütig, um sich ernsthaft über etwas aufzuregen, doch es gab eine Sache, die sie über alle Maßen hatte und das waren Befehle. 
Niemand gab ihr, Joslyn Watson Grindelwald, Befehle. Es sei denn, er hatte einen Todeswunsch. 
Plötzlich fragte Harry sich, ob der Krieg ein Ende finden würde, bevor er überhaupt angefangen hatte und ob er überhaupt in die Rolle des Auserwählten schlüpfen müsste. Denn Joslyn sah gerade sehr wütend aus und Voldemort hatte ihren Zorn noch nie am eigenen Leib gespürt. 
Das hier würde eine Katastrophe werden!
Gerade als Harry sich dazu entschloss, sich auf die Suche nach den Mitgliedern des Orden des Phönix' zu machen, vielleicht konnten sie mit vereinten Kräften die gefährliche Bibliothekarin aufhalten, als die Säule über seinem Kopf einfach in tausend Stücke zersprang und es Gestein regnete. 
Jetzt musste er sich beeilen, oder von dem Ministerium würde bald nur noch ein Krater übrig bleiben. Hastig sah er sich um und schätzte den Weg zum Aufzug ab. Dann warf er einen Blick um seine demolierte Säule herum und riss rasch den Kopf wieder zurück. Als ein Blitzgewitter aus Grün den Saal erhellte. Einer von Voldemorts Todesflüchen war an Joslyns Schild abgeprallt und anstatt zu zerspringen, hatte er sich geteilt. Unkontrolliert schossen die Zauber durch den Saal und wurden für jeden gefährlich, außer den Beiden in ihrer Mitte. 
"Oh Gott, wir werden alle sterben!" murmelte Harry und überlegte, ob er beten oder rennen sollte. Er entschied sich für letzteres und nahm die Beine in die Hand. Wenn er Dumbledore erreichte, hatten sie vielleicht noch eine Chance. 
Währenddessen tanzten Voldemort und Joslyn umeinander herum. Blitze, Licht, explodierender Stein und Wasser aus dem Brunnen erfüllten den Saal. Sie kamen nicht einmal drei Meter aneinander heran, die Luft war zu aufgeladen. 
Joslyn fing einen schwarzen Zauber in Form eines gelblichen Lichtblitzes mit ihren schwarzen Fingern ein, änderte seine Konsistenz in ihrer geballten Faust zu türkisen Funken und schleuderte sie zurück. Voldemort duckte sich, erschuf gleichzeitig einen Schild und wurde mehrere Schritte zurück gedrängt. Kaum hatte sich sein Stand wieder stabilisiert, ging er erneut zum Angriff über, Joslyn wehrte ab, fing ein und feuerte zurück. Es war ein Feuerwerk an Zaubern und Lichtern, in allen Farben und Formen. Dabei legten sie ihre Umgebung in Schutt und Asche. Doch dann schaffte Voldemort es, die elektrische Spannung zwischen ihnen, die sie in zwei gleiche Pole eines Magneten verwandelte, zu durchbrechen und plötzlich trennten sie nur noch wenige Zentimeter. Sofort zielte Joslyn auf Nase und Kehlkopf. Voldemort duckte sich weg, streifte ihre Seite und brachte wieder Abstand zwischen sie beide. Mit einem triumphierenden Grinsen drehte er sich zu ihr um. Das schwarze Haar war nun genauso ein wildes Chaos, wie das von Harry und sein blasses Gesicht war gerötet. Seine Brust hob und senkte sich hektisch, genau wie ihre. Scharf, mit einem spöttischen Zug um die Münder, musterten sie einander. Dann hob Voldemort die Hand und präsentierte ihr die Prophezeiung. Erschrocken griff Joslyn nach ihrer einen Manteltasche, doch darin ruhte immer noch das Gewicht der kleinen Prophezeiung. Also tastete sie mit plötzlicher Panik nach der anderen Manteltasche, in der sie ihre Prophezeiung verstaut hatte.
Leer!   
Er hatte nicht die Prophezeiung von ihm und Harry sondern von ihm und ihr. 
Mit einem gezischten Fluch klatschte sie sich gegen die Stirn. 
"Das ist meine!" seufzte sie und holte die richtige Prophezeiung aus ihrer Manteltasche. Voldemort sah mit gerunzelter Stirn zwischen den beiden Kugeln hin und her. Dann hob er die Augenbrauen. 
"Deine?" fragte er nach und sie warf ihm einen genervten Blick zu. 
"Ja, meine!" 
"Mh!" Langsam drehte er die Kugel zwischen den Fingern. "Dann lass uns tauschen!" 
"Du kannst mir auch meine zurückgeben und ich töte dich heute nicht." schlug Joslyn mit einem lieblichen Lächeln vor, dass nun Voldemort seinerseits zum Grinsen brachte. 
"Wie großzügig von dir." höhnte er und Joslyn deutete eine Verbeugung an. Dann hob sie die Prophezeiung. 
"Gib mir meine und ich mach deine nicht kaputt." 
Voldemort hob nun seinerseits die Kugel und hob eine Augenbraue. 
"Das Spiel können auch zwei spielen." 
Sie saßen in einer Zwickmühle. Joslyn wollte keiner der beiden Prophezeiungen aufgeben und Voldemort wollte die, die sie gerade hielt. Verzweifelt suchte sie nach einem Ausweg, während Voldemort sie mit einem schiefen Lächeln beobachtete. 
"Und?" wollte er nach einigen Minuten des Schweigens wissen. 
"JOSLYN!" Beim plötzlichen Klang von Sirius' Stimme zuckte Joslyn heftig zusammen. Dabei entglitt die Kugel ihren Fingern. Mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen, versuchte sie, die Kugel wieder aufzufangen. Ihre Hand griff ins Leere. Mit einem lauten Klirren zersprang der Kristall und eine neblige Gestalt stieg in die Höhe. Selbst so konnte Joslyn diese Gestalt als Sybill Trelawney erkennen, die Wahrsagerlehrerin von Hogwarts. Wegen der plötzlichen Stille konnte Joslyn die Worte der Gestalt problemlos hören. Genau wie Voldemort, der bei dem Fall des Prophezeiung einen Schritt vorgesprungen war. 

"Der Eine mit der Macht, den Dunklen Lord zu besiegen, naht heran. Jenen geboren, die ihm drei Mal die Stirn geboten haben, geboren, wenn der siebte Monat stirbt. Und der Dunkle Lord wird Ihn als sich Ebenbürtigen kennzeichnen, aber Er wird eine Macht besitzen, die der Dunkle Lord nicht kennt. Der Eine mit der Macht, den dunklen Lord zu besiegen, wird geboren werden, wenn der siebte Monat stirbt."

Die Nebelgestalt löste sich auf und langsam hob Joslyn den Kopf. Voldemort und sie standen dicht voreinander und sahen einander direkt an. Grimmig richtete Voldemort sich auf und dann fiel Joslyns Prophezeiung klirrend zu Boden. Diesmal erkannte Joslyn mit Schreck Merope Gaunt in dem silbrigen Nebel, der aus den Scherben der Prophezeiung aufstieg. 

"Geboren in der Macht der Venus, Licht und Dunkelheit sind eins. Schönheit gleich dem Paradies, Macht dem Tode würdig. Ändert Schicksal und Zeit. Licht in Tod und Hass, Liebste des Dunklen. Sie kommt."

Wieder sahen Joslyn und Voldemort einander an. Dann boxte Joslyn ihm mit aller Kraft mitten auf die Nase. Mit einem Fluch richtete er sich ruckartig auf und betrachtete ungläubig das Blut auf seinen Fingern, das ihm über Mund und Kinn strömte. 
"Was soll das denn?"  
"Ich hab keine Ahnung!" keifte Joslyn ihn an. Ruckartig richteten sie sich beide auf, bereit für eine Fortsetzung ihres Kampfes, doch da flammten mehrfach die Kamine auf, die sich auf einer Seite des Saals befanden. Beide sahen hinüber, bereit zum Angriff und zur Verteidigung. Überrascht blinzelnd erkannte Joslyn den Minister, begleitet von einigen Auroren, Abteilungsleitern und Angestellten. Die Zauberer blieben wie angewurzelt stehen, als sie die beiden dort stehen sahen, in mitten all der Zerstörung, die sie angerichtet hatten. 
"Er ist wieder da!" keuchte Fudge als erstes und seine Stimme brach den Bann. Voldemort und Joslyn sahen einander an. 
"Liebste des Dunklen", grinste er hämisch und Joslyn hob die Hand zu einem weiteren Schlag. Doch mit einem leisen Lachen, das ihr eine Gänsehaut verursachte, verschwand er einfach.

Times Die Macht der MagieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt