Kleiner Racheakt

220 15 0
                                    

Mit den nutzlosen Händen in den Hosentaschen schlenderte Joslyn durch die Gänge des Gebäudes, durch die sie vor mehr als zwei Jahren gerannt war, um dem sicheren Tod zu entkommen. Jetzt sahen sie anders aus. Aber in Wirklichkeit hatte nur Joslyn sich verändert. Sie war nicht mehr das verängstigte Mädchen, das um ihr Leben gerannt war. Nun war sie mächtig und ihre Schritte gelassen. Keine der Kameras erfasste sie und überraschenderweise begegnete sie auch keinem Gangmitglied. Nicht verwunderlich. Wenn sie sich richtig erinnerte, war heute Big Toms Geburtstag und die ganze Organisation feierte. Somit wurde alles auf ein Minimum reduziert, doch sollte jemand die Feier stören wollen, wurde sicher erst ein dutzend Mal geschossen.
Allerdings hatte Joslyn genau das vor. Sie würde in die Feier, bei der jeder mindestens eine scharfe Waffe mit sich herum trug, hineinplatzen und mit dem Brief wieder hinaus marschieren. Wenn sie Glück hatte, bekam sie auch eine Gelegenheit den Toms die Kehlen durchzuschneiden. Das würde sie wirklich freuen!
Vielleicht schaffte sie es, das ganze Gebäude auch noch nieder zu brennen. Das wäre mal ein nettes Extra. 
Bald war das klackern ihrer Absätze nicht mehr das einzige Geräusch. Das Gesumm von vielen Stimmen, Klackern von Gläsern, die aneinander stießen und Besteck, das über Teller schabte. Der Geruch nach Essen lag schwer in der Luft. Fett, Fleisch, gegrilltes Gemüse und Schokolade? 
Ob es Schokofrüchte gab?
Vor einer einfachen Tür, die die Verbindung zu einem Hinterzimmer des Restaurants darstellte, das auf der Vorderseite des Gebäudes war, bliebt Joslyn schließlich stehen. Ihre Schuhspitze tippte einige Male bedächtig auf den Boden. Ohne Eile tastete sie mit ihrer Macht nach der Verriegelung der Tür. Das hier war ein Nebeneingang, somit von dieser Seite nicht ohne Schlüssel zu öffnen. Naja, es sei denn man hatte ein paar Tricks drauf. 
Es klickte und sie huschte durch den schmalen Spalt in das Hinterzimmer. Sofort wurde sie von Lärm eingehüllt. An langen Tischen saßen die Männer der Organisation, über die Big Tom herrschte und schlugen sich die Bäuche voll, während ihre Waffen griffbereit neben ihnen lagen. Durch eine Schwingtür ging es in die Küche des Restaurants und immer wieder öffneten sie sich, um Servierwagen mit frischem Essen zu bringen. Es war Grillkost, wofür das Restaurant bekannt war. Mit flinken Fingern stibitze sie ein Schnapsglas von einer Tischkante und leerte es in einem schnellen Zug, ohne ihre Hand zu benutzen. Dann stellte sie es zurück und schlenderte gelassen weiter. Keine zwei Minuten später entstand hinter ihr eine Keilerei wegen des fehlenden Schnaps. Ein Knäuel aus Männern fiel von der Bank und Gejohle folgte den Schlägen. Joslyn glitt mit dem Hauch eines Lächelns weiter. Sie hielt sich an der Wand und klaute hin und wieder etwas von einem Teller. Man konnte über Big Tom sagen, was man wollte, doch sein Essen war fantastisch. Sie leckte sich einen Fleck Ketchup aus dem Mundwinkel. Der mittig stehende Tisch war der, der ihre Aufmerksamkeit hatte. Dort saßen Big Tom und Little Tom, umgeben von ihren engsten Schlägern. 
Gerade als Joslyn sich entschloss endlich den entscheidenden Schritt zu wagen, wurde der Haupteingang zum Hinterzimmer aufgerissen. Sofort verstummten sämtliche Gespräche  und alle Köpfe wanden sich dem Lärm zu. Waffen wurden hoch gerissen und Aggression schwängerte die Luft. Joslyn wich einen weiteren Schritt zurück, bis sie direkt an der Wand lehnte. In der geöffneten Tür standen zwei schwarz gekleidete Gestalten. Joslyn konnte nur sagen, dass es sich um einen Mann und eine Frau handeln musste, doch ihre Gesichter verschwanden hinter Masken und unter Kapuzen. Diese Aufmachen war ihr bekannt. Es war das Auftreten der Todesser, der Anhänger Voldemort, den Joslyn verflucht hatte. Vorsichtig bewegte sie die Finger und ignorierte den Schmerz dabei einfach. 
Entweder waren sie ihr bis hier her gefolgt, was sie sich nicht erklären konnte, da sie blitzschnell und immer auf dem Sprung war. Oder Big Tom hatte etwas, das Voldemort ebenfalls wollte. 
Joslyn warf einen raschen Blick zu einer weitern Tür, die nicht mehr weit entfernt war. Dort ging es zur Treppe, die über das Restaurant führte. Big Tom und Little Toms Privatbereich. Wenn der Brief noch existierte, dann war er da. 
Ihre Zähne knirschten frustriert aufeinander. 
Ihre kleine, persönliche Rache musste wohl noch ein bisschen warten...
"Wer von euch bedauernswerten Geschöpfen hört auf den einfallslosen Namen Big Tom?" fragte der Mann der zwei Todesser mit einer Arroganz in der Stimme, die Joslyn sofort wiedererkannte, obwohl seine Stimme durch die Maske leicht verzehrt klang. Kopfschüttelnd wandte sie der Szene den Rücken zu und schlich auf die Tür zu, ihr Ziel. 
"Du bist mutig, Junge. Das muss ich dir lassen, aber du bist auch dumm. Und für Dummheit habe ich leider keine Zeit. Deshalb sag mir deinen Namen, bevor ich dich töten lassen!" Big Tom erhob sich langsam von seinem Stuhl und lächelte breit. Er war seinem Sohn wie aus dem Gesicht geschnitten. Trotz des Altersunterschied. Dieser machte sich anhand von kleinen Fältchen und grauen Strähnen in dem vollen Haar deutlich. Joslyn zwang sich den Blick von Little Tom zu lösen. Sie hatte nicht erwartet, dass sein Anblick diese unglaubliche Welle an Hass und Mordlust in ihr auslösen würde. Sie wollte mit ihrer Macht in seinen Körper greifen und seine Lungen zusammendrücken, dann sein Herz umfassen und so viel Druck ausüben bis es in seiner Brust platzte. 
Gott, würde sie das genießen!
Doch anstatt ihren Mordgelüsten und Fantasien nachzugeben, wandte sie sich wieder der Tür zu und beachtete Lucius Malfoy nicht länger, der mit einem Seufzer die Frau in seiner Begleitung aufhielt. 
"Aber, aber, meine Herrschaften..." 
Den Rest bekam Joslyn nicht mehr mit, da sie sich durch die entriegelte Tür schob und in einem einladendem Treppenhaus verschwand. Zum ersten Mal wurde der Reichtum, in dem Big Tom geradezu schwamm, sichtbar. Die Treppe war ein breites Ungetüm aus edlem Holz. Das Geländer mit üppigen Schnitzereien verziert, die an den Jugendstil erinnerten und die breiten Stufen mit einem dunklen Teppich ausgelegt, der jeden Schritt dämpfte und wahrscheinlich von irgendwelchen armen Kindern in einer Fabrik in Indien hergestellt wurde. 
"Als würde man über Kinderknochen gehen..." murmelte Joslyn und schlenderte die Treppe hoch, der Teppich dämpfte das Klackern ihrer Absätze, bis sie den Teppich im nächsten Stock verließ und auf weißen Marmor mit grauen Adern trat. Von dem eleganten Flur, der sich vor ihr erstreckte, zweigten ein halbes Dutzend Türen ab. Die Suite von Big Tom, die von Little Tom, das Büro von Big Tom, einen privaten Fitnessraum, Saune mit Wellnessbereich und ein Gewächshaus, wenn man es so nennen wollte. Eigentlich war es ein kleines Drogenlabor und das klein konnte man auch weg lassen.    
Die perfekte Grundlage, um ein wenig zu zündeln. 
Mit der Andeutung eines Lächelns auf den Lippen ging Joslyn weiter, bis sie das Büro von Big Tom erreichte. Auch hier konnte das Schloss sie nicht aufhalten, ebenso wenig die Alarmanlage, die sie mit einem mentalen Befehl einfach lahm legte. Das Büro war erschreckend stilvoll eingerichtet, so wie man sich das Zimmer eines alten, steinreichen Mannes vorstellte. Alles war entweder aus dunklem, robusten Holz oder mit rotem Leder überzogen. Der Boden bestand aus edlem, glänzenden Parkett, die Wände waren mit Holz vertäfelt und durch die Fensterfront hinter dem Schreibtisch fiel helles Tageslicht.  In den Regalen an den Wänden aus poliertem Eichenholz standen Akten, Ordner und Erstausgaben von alten Schinken und Klassikern. Vor dem gewaltigen Schreibtisch standen zwei rote Ledersessel, die wahrscheinlich nie besetzt waren. Der Schreibtischstuhl, der mit der Lehne zum Fenster stand, das sicher aus doppeltem Panzerglas bestand, war ein Ungetüm aus rotem Leder und hatte irgendwie Ähnlichkeiten mit einem Königsthron. All das registrierte Joslyn mit einem Blick, doch nichts davon fesselte ihre Aufmerksamkeit. Stattdessen tastete sie mit ihren magischen Fühlern das Büro ab, auf der Suche nach diesem Brief. Sie bezweifelte, dass Big Tom ihn vernichtet hatte. Der alte Sack warf nichts weg und vielleicht hat er das Schreiben genutzt, um ihre Mutter zu erpressen. Sollte darin deutlich von Magie die Rede sein, war das kein sehr großes Unterfangen. Wenn Menschen etwas nicht verstanden, hatten sie Angst davor und dann töteten sie es entweder oder sperrten es weg. 
Mit einem überdeutlich tiefem Seufzer umrundete Joslyn den Schreibtisch und ließ sich in den Sessel dahinter fallen. Ihre Beine legten sich elegant auf den Tisch und sie wackelte hauchzart mit den Fingerspitzen, um den Schmerz nicht zu übermächtig herauszufordern. Ein teurer Füllfederhalter hob sich in die Luft und sie ließ ihn um ihre geschwärzten Finger tanzen, während ihre Sinne weiter suchten. Ohne ihre Macht wäre sie nie fündig geworden. Doch so schob sie eines der Regale mühelos zur Seite und legte einen geheimen Regalschrank dahinter frei. Dort befand sich kein Geld. Das waren Informationen, über die Hälfte von Joslyn persönlich beschafft. Informationen mit denen sich sogar der Papst bestechen ließ. Neben Präsidenten, Königinnen und Königen, Diplomaten aus aller Welt und einem Haufen anderer wichtiger Leute. Im untersten Regalbrett befand sich die Geldkassette ihrer Mutter und diese schwebte nun auf sie zu. Klimpernd und rasselnd landete das alte Ding direkt vor ihr. Das Schloss war schon vor Jahren aufgebrochen worden um an den wertvollen Inhalt zu kommen. Diesmal nutzte Joslyn ihre Hände, obwohl es ihr Schmerzen bereitete. Scheppernd fiel der Deckel auf die Tischplatte und offenbarte den Besitz ihrer Mutter, den sie zuvor gehütet hatte. Es befand sich kein Geld darin. Briefe und alte, sehr alte Polaroidfotos. Vorsichtig nahm sie den ganzen Stapel aus dem Kästchen und blätterte sie bedächtig durch. So viele Bilder. Von ihr, von ihrer Mutter, gemeinsam mit ihrer Mutter, ihre Mutter mit deren Mutter, ihre Großmutter und noch weitere Fotos von unzähligen Orten. Orte, die Joslyn nur von den Kunstwerken ihrer Mutter kannte. Doch am interessantesten waren die Briefe. Ihre Großmutter Amber, war zwar nie wieder nach Askaban gegangen, um ihren Geliebten zu besuchen, den Vater ihrer Tochter, doch sie hatten Briefkontakt. So musste es sein, denn die Briefe in ihrer Hand stammten ausnahmslos, bis auf einen, von Gellert Grindelwald, Zelle 491, Askaban an Amber Watson. Die Adresse änderte sich über die Brief hinweg immer wieder, was auf ein Leben ohne festes Zuhause zurückführen ließ. 
Joslyn steckte alle Briefe und Fotos ein, bis auf den, den ihre Mutter geerbt hatte. Diesen nahm sie in die Hände. Das weiße, einfache Papier hob sich deutlich von ihren schwarzen Fingern ab. In einer eleganten Handschrift, mit der sich ihre krakelige Doktorschrift nicht messen konnte, war der Name ihrer Mutter drauf geschrieben. 
Joslyn gab sich einen letzten Ruck und griff in den Umschlag. Pergament glitt durch ihre Finger und der Geruch nach Altertum stieg ihr in die Nase. Ohne die schmerzhaften Blitze zu beachten, die von ihren tauben Fingerspitzen durch ihren Körper jagten, entfaltete sie das dicke Papier und lehnte sich mühsam entspannt in dem Stuhl zurück. Irgendwann ließ sie den Brief sinken und legte den Kopf in den Nacken. mit leerem Blick sah sie an die Decke und drehte das Erfahrene im Kopf hin und her. Ihre Großmutter hatte mit Grindelwald eine Zelle in Askaban geteilt. Wegen Gattenmord. 
Diese Tatsache erfüllte Joslyn mit fragwürdigem Stolz. Ihre Mutter musste sich Big Tom beugen, weil Joslyns Sicherheit davon abgehangen hatte, doch Amber war nicht vor der Hand eines Mannes zurückgezuckt. Sie hatte zurückgeschlagen. Zwar war sie erwischt und zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, doch gewöhnlich gab es für Mord weitaus mehr. Somit war ihr Ehemann ein Mistkerl, der von niemanden wirklich gemocht wurde. Sein Tod hatte wohl niemanden wirklich gekümmert, doch Amber musste trotzdem bestraft werden. Fünf Jahre waren das Minimum. Und sie hat es abgesessen. Während sie sich eine Zelle mit Grindelwald geteilt hatte, war das ein oder andere passiert und neun Monate nach Ambers Entlassung kam Emily zur Welt. Grindelwald wusste von seiner Tochter, doch Emily hatte nie von ihm erfahren. Sie wusste von dem magischen Blut in ihren Adern, Amber hatte sich darauf vorbereitet sie nach Hogwarts zu schicken, doch ihre Kräfte hatten sich nie entfaltet. Mit anderen Worten, Emily wusste von der verborgenen Welt, die sie Joslyn so lange vorenthalten hatte. Der Brief zielte darauf ab, die Familienbeziehungen zu erklären. Zum Beispiel auch, dass Grindelwald Emily Zugang zu seinem Verließ in Gringotts gestattet hatte. Und wenn Joslyn dem Schreiben glauben konnte, lag da unten jetzt ein kleines Vermögen für sie bereit. 
"Man, Mom, hättest du das gelesen, hätte uns das eine Menge Ärger erspart." seufzte Joslyn und faltete das Pergament bedächtig wieder zusammen. 
Sie war reich! Nicht einfach nur reich, sondern zum Himmel stickend, scheiß reich! 
Der Brief verschwand mit den restlichen Fotos und Briefen in ihrer Manteltasche. Dann faltete sie die Fingerspitzen vor den Lippen und wartete. Sie vernahm rasche, federnde Schritte, dir vor Kraft und Jugend sprühten. Nicht Big Tom. Die Tür zum Büro wurde aufgestoßen und Little Tom kam hereingestürmt. Zuerst bemerkte er Joslyn gar nicht, so sehr war er in seine Gedanken vertieft. Doch dann fiel sein Blick auf das Geheimregal und sofort wirbelte er herum. Mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen starrte er Joslyn an, die mit einem breiten Haifischlächeln auf dem Stuhl seines Vaters saß und mit Fingern, so schwarz wie Tinte, zur Begrüßung wackelte. 
"Hey, Little Tom!" 
In der nächsten Sekunde trat Little Tom die Flucht an, die Tür zum Büro knallte ihm direkt vor der Nase zu und als er an der Türklinke rüttelte, bewegte sie sich nicht. Joslyn musste zugeben, dass sie seine Panik genoss. Noch zu gut konnte sie sich an all die Moment des Schmerzes und der Angst erinnern, die ihre Teenagerzeit in einen Albtraum verwandelt hatten. Und Joslyn hatte sie nie zu den Guten gezählt. Gut und Böse waren Begriffe, die man in einem Märchen fand, sich aber nicht auf das echte Leben anwenden ließen. Nichts war einfach schwarz oder weiß. 
Aber im Moment wollte sie so schwarz sein, wie ihre Hände. 
"Wie kommt es, dass du dich von all den Brüchen erholt hast, die ich dir bei unserer letzten Begegnung zugefügt habe?" fragte Joslyn und entdeckte ein kleines Tischchen zu ihrer Rechten auf dem sich edle Whiskykaraffen aneinander reihten und zwei Kristallgläser flankierten. Sie streckte die Hand mit der Handfläche nach oben aus ohne Little Tom aus den Augen zu lassen. Der beobachtete mit weit aufgerissenen Augen, wie der Kristallkorken aus einer der Whiskyflaschen glitt, die Flasche sich gemeinsam mit einem Glas in die Luft erhob und seinen wertvollen, bernsteinfarbenen Inhalt in das Glas goss. Dann tanzte das Glas, ohne einen Tropfen zu verschütten durch den Raum und landete in Joslyns Hand. 
"Also?" Mit einer gehobenen Augenbraue nahm sie einen Schluck Whisky und genoss das Brennen in ihrer Kehle. Langsam drehte Little Tom sich ganz zu ihr um. 
"Vater hat ein paar Verbindungen zu Hexenkrankenhäusern. Ohne ihre Hilfe wäre ich mein Leben lang gelähmt gewesen." In die Angst in seinen Augen mischte sich Hass und Zorn. 
"Ich hoffe du hast die letzten Jahre genossen, Little Tom." Joslyn schwenkte das Glas in ihrer Hand, ohne auf den Schmerz zu reagieren und betrachtete die Wellen, die die goldene Flüssigkeit schlug. 
"Was willst du?" Er hatte die Zähne so fest zusammengebissen, dass er kaum ein Wort herausbekam. Joslyn lächelte wieder. 
"Du wirst heute sterben, Littel Tom!" 
Die beiden sahen sich über ihre Schuhspitzen hinweg an. Sie konnte es hinter seiner Stirn geradezu rattern sehen, als er nach einer Möglichkeit suchte, der Situation zu entkommen. Gerade als er sich dazu entschloss, es mit gutem Aussehen und einem sinnlichen Lächeln zu versuchten, zuckte Joslyn mit dem Finger, an dem sie den Ring trug. Ein goldener Brieföffner in Form einer Feder schnellte vom Tisch hoch und schoss pfeilschnell durch die Luft, sodass nur noch ein goldener Schimmer zu sehen war. Das Lächeln auf Little Toms Lippen verblasste, bevor es überhaupt richtig darauf zu sehen war. Seine Augen wurden groß, die Hände zuckten zu seiner Kehle und er brach auf dem Boden direkt vor der Tür zusammen. Gurgelnd sprudelte Blut aus einem breiten, tiefen Schnitt an seiner Kehle auf den Boden und bildete eine immer größer werdende Lache um ihn herum. Langsam stand Joslyn auf und umrundete den Tisch. Vorsichtig, um ihre hübschen Schuhe nicht zu versauen, ging sie neben Little Tom in die Knie und beobachtete ihn während seines Todeskampfs. Der Brieföffner landete in ihrer Hand. 
"Hab keine Angst, Little Tom." murmelte Joslyn. Zu ihrer eigenen Überraschung verspürte sie keinerlei Hass oder Zorn. Nur Mitleid mit diesem bedauernswerten Geschöpf, das sich nur stark fühlen konnte, indem es schwächere erniedrigte. 
"Dein Vater und seine Freunde werden dir bald folgen." Sie konnte genau sagen, wann ihn der letzte Rest Leben verließ. Ein glasiger Schleier legte sich über seine Augen und ihr Spiegelbild brannte sich in die dunkle Iris ein. Mit einem Seufzer richtete sie sich wieder auf. Little Tom wurde von unsichtbarer Hand von der Tür weggezogen und Joslyn verließ das Büro. Sie war hier, um ihr Erbe zu holen. Das hatte sie getan und somit kam sie zum zweiten Teil ihres Vorhabens. Sie würde diese ganze Organisation, die Big Tim anführte, in die Luft sprengen, aber Big Tom würde sie noch persönlich töten. Einfach so, weil sie es konnte. Also ging sie den Weg wieder zurück, den sie zuvor gekommen war. Doch auf der Treppe blieb sie stehen. Gelassen lehnte sie sich vor und stützte die Unterarme auf das Treppengeländer. Big Tom stand am Fuß der Treppe, zusammen mit den beiden Todessern. 
"Und was springt für uns dabei heraus? Wenn ich euren Meister unterstütze?" 
 Joslyn zog die Augenbrauen hoch. 
Interessant! 
Es kam nicht oft vor, dass Zauberer sich mit Mugglen verbanden. Und von den Todessern hatte sie es ganz bestimmt nicht erwartet. Sie konnte sich das nur auf eine Art erklären. Big Tom hatte etwas, dass der Meister dieser zwei Todesser, mit dem sie bereits Bekanntschaft gemacht hatte, wollte. 
Nebenbei hatte sie Lord Voldemort nicht nur kennengelernt, sondern ihn auch noch verflucht. Auf das ihre Schicksalsfäden auf immer miteinander verbunden waren. 
Instinktiv strich sie mit den Fingern über den großen, schwarzen Stein an ihrem Finger. Wenn sie den Ring vernichtete, in dem ein Teil seiner Seele steckte, würde der Fluch dann auch aufgelöst sein. Jedoch hatte Joslyn es damit nicht eilig, dafür war sie viel zu neugierig auf das, was die Zukunft für sie bereithielt. Aber Big Tom würde nicht Teil davon sein. Mit einer federleichten Kopfbewegung schoss sie den Brieföffner ab. Das messerscharfe Gold bohrte sich mit rasender Geschwindigkeit und unglaublicher Kraft von hinten in Big Toms Kopf und brach vorne aus seiner Stirn wieder hervor. Wortlos brach der alte Mann zusammen und der Brieföffner kam wieder zu Joslyn zurück. Die Todesser sahen zuerst auf den Toten hinab und dann zu ihr hoch. 
"Ups!" Sie zuckte mit den Schultern. "Wenn Sie nicht sterben wollen, Mr Malfoy, dann sollten Sie und ihre Begleiterin schnellsten hier verschwinden." Ihr Lächeln wurde breiter. "Gleich wird es einen bösen Unfall in der Küche geben."
"Sie sind Joslyn Watson!" Langsam nahm Lucius seine Maske ab und betrachtete sie genauer. "Es ist schon ein Weilchen her."
Anstatt einer Antwort grinste Joslyn nur noch breiter und zwinkerte. Im nächsten Moment erschütterte eine Explosion das gesamte Gebäude. Das Feuer rollte wie eine wütende Welle durch das Erdgeschoss, doch bevor es die Treppe erreichte, lösten sich erst Joslyn und dann die beiden Todesser in Luft auf. 
Das gesamte Gebäude wurde durch eine Gasexplosion dem Erdboden gleich gemacht. Alle Menschen im Innern starben und Vorbeigehende erlitten leichte Brandwunden. Zum Glück war das Restaurant an diesem Tag geschlossen.

Times Die Macht der MagieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt