33. Streit

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 Ich kann nicht schlafen. Nicht, dass ich als Geist schlafen müsste, aber eigentlich kann ich sowas ähnliches, wie ein Halbschlaf verfallen. Doch diesmal bleibt auch das Aus. Ich habe ein komisches Gefühl, das mich nicht ruhen lässt. Das Gefühl,dass bald was passieren könnte, was mich oder andere schadet. Ich kann das nicht beschreiben. Alles was ich mit Sicherheit sagen kann ist, dass es ein schlechtes Gefühl ist. Es ist, wie ein dunkler Schatten, der sich leise und hinterhältig über meinen Alltag, über meine Gedanken ausbreitet. Ich seufze und drehe mich auf die andere Seite. Die Dunkelheit in meinem Zimmer langsam vom Zwielicht abgelöst. Ich setze mich auf und fahre mit den Händen durch meine Haare. Wenn ich schon nicht schlafen gehen kann, dann gehe ich raus. Es wird guttun an einem frühen Morgen im Herbst im Wald zu sein. Nachdem ich mich angezogen hatte, gleite ich lautlos zur Haustür und öffne sie. Die kühle Morgenluft schlägt mir ins Gesicht. Ich atme tief ein, obwohl ich das gar nicht muss. Trotzdem tue ich es. Lächelnd renne ich los. Einfach, in irgendeine Richtung. Das trockene Laub knirscht unter meinen Stiefeln, dieses Geräusch beruhigt mich. Nach einigen Minuten bleibe ich stehen, schließe meine Augen und höre den Geräuschen des Waldes zu. Es ist das Übliche, bis ich das Rascheln der Blätter höre. Sowas, was zuvor ertönt hatte, als ich gelaufen war. Ich öffne meine Augen und erstaunt stelle ich fest, dass Emy auf mich zu rennt. Paar Meter vor mir bleibt sie abrupt stehen und guckt mich lange an. Sie regt sich nicht, sie sagt nichts. Dann auf einmal stürmt sie auf mich und umarmt mich fest. Sie vergräbt ihr Gesicht in meine Schulter und fängt an leise zu schluchzen. Überrascht und völlig überfordert stehe ich nur da, nicht wissend was ich tun soll. Schließlich nehme ich sie sanft in die Arme und streichele ihren Rücken, damit sie sich beruhigt. Wenn sie diese Ausbrüche hat, würde ich so gerne wissen, was in ihrem Inneren vor sich geht. Wie sie sich fühlt, was sie denkt. Kaum kurz danach löst sich Emy wieder von mir und geht paar Schritte zurück. Verwirrt gucke ich sie an und frage sie, was los sei, aber sie schüttelt nur den Kopf.

»Ich- ich kann es dir nicht sagen. Sonst wirst du wütend, das weiß. Ich habe etwas getan, was ich nicht hätte tun dürfen.«

»Wieso sollte ich wütend werden? Emy, ich bin doch da, um dir zu helfen, du kannst mir alles erzählen, was dich belastet«, erwidere besorgt.Was ist jetzt bloß wieder mit ihr los? Ich versuche ihre Hand zu nehmen, aber sie geht von mir weg. Was ist passiert? Von ihrem Gesichtsausdruck kann ich auch nichts ablesen wegen dieser blöden Maske. Ihre Körperhaltung sagt mir auch nichts. Sie ist einfach zu gut darin ihre Gefühle zu verstecken. Schon fast bettelnd bitte ich sie mir zu erzählen, was los sei. Darauf senkt sie nur den Kopf, schnieft ein paar Mal und sagt mit zitternder Stimme:

»I- ich habe was Falsches gemacht. Ich b- bin... Ich bin bei Tom gewesen. Ich habe ihn besucht und habe mit ihm geredet. Er weiß jetzt, dass ich immer noch am Leben bin und hier im Wald. Ich weiß, dass es verboten ist, a- aber ich h- habe ihn so schrecklich vermisst. Ich wollte unbedingt wissen, wie es ihm geht und dass er weiß, dass es mir gut geht. Bitte Ben, sei mir nicht sauer. Du hättest doch das Gleiche bei deinem Vater gemacht, oder?«

Schon fast sehe ich ihren traurigen Blick, der sich in meine Augen bohrt. Ich weiß, dass ich nicht auf sie sauer sein darf, ich weiß, dass ich nicht sauer sein soll, aber ich kann nicht anders. Sie hatte sich und uns in Gefahr gebracht. Wenn Tom sie wieder sehen will, dann fängt er hier noch an zu suchen und das können wir uns nicht erlauben.

»Das war dumm von dir«, sage ich nur knapp.

»Ich weiß, aber glaub mir, er versteht, dass wir uns nicht mehr sehen dürfen. E- er stellt keine Gefahr dar.«

»Woher willst du das wissen? Was, wenn er doch nach dir sucht? Was, wenn er die Polizei verständigt? Was dann?«

»D- das würde e- er nicht tun. Er weiß, dass ich in Sicherheit bin. I- ich habe ihm von dir erzählt. Tom ist froh, dass -«

»Das ist mir egal, ob du von mir erzählt hast oder nicht«, unterbreche ich sie und werde lauter, »Du hast etwas ganz Unverantwortliches gemacht. Wenn ich das Slenderman sagen würde, würde er dich bestimmt von hier wegschicken oder gar töten.«

Emy senkt ihren Kopf und sie fängt an zu schluchzen. Ich atme nur aus Gewohnheit tief ein und aus, dann drehe ich mich um und will schon gehen, als Emys Stimme hinter mir ertönt.

»Was weißt du schon davon jemanden zu vermissen, den man liebt? Du? Ausgerechnet du, der nie in seinem Leben eine richtige Familie hatte. Keine Mutter, keine Geschwister. Nur einen Vater, der selber kaum Zeit für dich hatte.«

»Sei leise!«, knurre ich leise.

»Was weißt du schon davon, du, dessen Vater selbst teils Schuld ist, dass man tot ist«, jetzt wird auch Emy lauter.

»Ich habe gesagt, halt den Mund!«, zische ich nun etwas lauter und drehe meinen Kopf zu ihr. 

»Dass man gestorben ist und nur noch als Überreste der einst physischen Körpers sich in der Welt herumirrt. Dein Vater macht sich keine Sorgen um dich. Dein Vater weiß, dass du tot bist. Er hat es bestimmt mit eigenen Augen gesehen. Er hat es gesehen, wie der leblose Körper seines Sohnes auf dem Wasser treibt«, Emy brüllt schon förmlich diese Wörter, »Du weißt nichts! Du hast keine Ahnung, wenn man eine Familie hat, die sich um einen Sorgen macht. Die sich um einen Angst hat. Mein Bruder hat eben bisher nicht gewusst, ob ich lebe oder ob ich tot bin. Er hat nichts von mir gewusst. Er hat -«

»Jetzt halte endlich deine scheiß Fresse!«

Wütend stürme ich auf Emy, packe fest ihren Arm und im nächsten Moment halte ich schon mein Schwert an ihre Kehle. Ihre freie Hand schellt sofort zu ihrem Dolch, packt ihn am Griff, aber sie zieht ihn nicht raus. Sie weiß, dass es keinen Sinn hat. Aber sie hält den Augenkontakt. Durch die abgedunkelten Augen ihrer Maske mustert sie mich eindringlich. Mein Griff um ihren Arm wird fester, worauf sie kaum hörbar vor Schmerz aufzischt.

»Los! Schneide mir doch die Kehle durch, wenn ich dir nur so viel bedeute! Ich habe keine Angst weder vor dir noch den Tod oder dem Sterben. Tue es doch, wenn ich dich nerve! Beende mein Leben, wenn ich für dich nur Last bin. Tue es doch verdammt nochmal!«, schreit sie außer sich. 

Sie versucht selbstsicher zu klingen, aber ihre Stimme zittert ganz leicht. Ich weiß nicht, ob von Trauer oder Wut. Ich lasse sie nicht los, sondern betrachte sie mit wütendem Blick, als könnte ich irgendwas von ihrer Maske ablesen. Dann wird mir die Situation wirklich klar: Ich hatte gerade meine Freundin angeschrien und nun halte ich mein Schwert an ihre Kehle, als deutliche Drohung ihr Leben binnen Sekunden zu beenden. Erschrocken von mir selbst lasse ich Emy los und gehe paar Schritte zurück. Sie fasst sich an der Kehle, dann geht sie an mir vorbei, Richtung Mansion. Ich drehe mich zu ihr um. Soll ich was sagen oder tun? Ich hatte ihr Leben gefährdet. Zu meiner Überraschung bleibt Emy stehen und ohne sich umzudrehen, sagt sie:

»Deshalb halte ich mich von Menschen fern. Sie geben dir vor deine Freunde zu sein, um dann, wenn du dich einmal nicht für sie passend verhältst dich zu verletzen.«

Nach diesem Satz fängt sie an zu rennen und lässt mich da einfach stehen. Mich und meine Schuldgefühle.  

Meine Damen und Herren. Liebe Leser. Ich und meine Schwester, wenn wir uns gegenseitig auf die Eierstöcke gehen 😂😂 Ich habe es nun wieder geschafft ein Kapitel zu veröffentlichen und ich denke es ist ganz cool geworden. Ich bin eben cool.

LG Emy

Zerbrochene Seele || Creepypasta FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt