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„Hach, Kindchen", setzt Mrs. Meyers an und streichelt mir über die Hand. Sie mustert mich mit sanfter Miene. Die kleinen Falten um ihre Augen vertiefen sich, als sie beginnt zu lächeln. Ich habe ihr ihren Kaffee gebracht und mich neben sie gesetzt. „Manchmal lastet die Welt auf meinen Schultern; so fühlt es sich zumindest an." Ihre Hand hält immer noch meine. Ich sehe traurig lächelnd von meiner Schürze auf, die fast schon einem Hausmädchen Kostüm ähnelt. Seitdem ich in diesem Cafe nebenbei arbeite ist noch nicht ein Sonntag vergangen, an dem die alte Dame dieses Cafe nicht aufsucht und ihren Kaffee, sowie einen Blaubeermuffin bestellt. Mittlerweile sind wir sehr gute Freunde geworden. Mir liegt etwas an ihr. "Das wird dich nur stärker machen, Liebes. Sieh dich doch an", sie fuchtelt mit ihrer Hand vor meinem Gesicht umher. Meine Augen hängen an den rot lackierten Nägeln. "Du bist ein sehr starker Mensch."

„Danke Mrs. Meyers", antworte ich lächelnd. Ich rede mit ihr nicht über solche Dinge wie sie mit Dylan passieren, und trotzdem scheint sie immer zu verstehen. Sie weiß welche Worte mir guttun. Sie zwinkert mir zu und nimmt ihre Tasse in die Hand. Ich muss an Miri denken und daran wie knapp die ganze Sache gestern war. Um ein Haar hätte ich mich nicht mehr herausreden können. Aber ich konnte es auf das Handballtraining schieben. Sie weiß ja selbst nur zu gut wie das dort ist.

Gerade als ich mich gedankenverloren von Mrs. Meyers abwende, ruft Jasmin, meine Chefin, mich-Sie steht hinter der Theke und sieht mich prüfend an. „Wie oft noch, du bist nicht zum Quatschen hier, sondern um zu arbeiten", ermahnt sie mich streng. Ich nicke verstehend. „Entschuldige, das kommt nicht mehr vor."

Ich mag sie nicht. Mir ist es lieber, wenn Kevin, ihr Mann, eine Schicht mit mir zusammen hat. Er hat nichts dagegen wenn man sich mit seinen Kunden unterhält und sich Zeit für sie nimmt. Doch ihr ist das egal, sie scheucht mich von links nach rechts als wäre ich eine Praktikantin und nicht schon ihre Mitarbeiterin seit mehr als zwei Jahren. Während ich einem anderen Gast den Kaffee bringe, fällt mein Blick wieder zu Mrs. Meyers, die die kurze Unterhaltung zwischen Jasmin und mir mitangehört haben muss. Sie verdreht theatralisch die Augen. Ich kann mir ein kleines Kichern nicht verkneifen.

Die Schichten, die ich mit Jasmin verbringen muss, vergehen wie Kaugummi. Sie schweigt mich die meiste Zeit an, ich weiß nicht einmal was sie gegen mich hat. Am Anfang konnte sie mich noch leiden, doch irgendwann hat das nachgelassen. Stattdessen redet sie nur mit mir wenn sie eine Anweisung oder etwas zu kritisieren hat. Das macht das Arbeitsklima nicht unbedingt besser. Auch wenn ich neben dem Studium nicht arbeiten gehen müsste und mir den Stress mit ihr nicht antun muss, weiß ich das man sich nie im Leben den Chef oder die Kollegen aussuchen kann. In solchen Fällen bringt es auch nichts davonzurennen.

Kevin müsste jede Sekunde hier sein und somit meinen Feierabend einläuten. Draußen ist es bereits dunkel, durch das Licht der Laternen sehe ich den Schnee fallen. Schnee lässt immer etwas in meinem Herzen aufgehen. Ich weiß nicht, was es ist, aber es lässt mein Herz ganz warm und wohlig werden. Vielleicht sind es die vielen Erinnerungen mit meiner Familie um die Weihnachtszeit, die ich als Kind gesammelt habe. Die Schlittenfahrten, Schneeballschlachten und Schneemänner die wir gebauten haben. Und um ehrlich zu sein, war meiner immer am schönsten. Nicht, dass die von James und Grey hässlich waren, sie waren nur einfach nicht so hübsch wie meiner. Ich erinnere mich noch daran, als wäre es erst gestern gewesen. Wie wir mit nassen Klamotten und eiskalten Fingern zurück ins Haus gerannt sind. Mama hatte uns Kakao gemacht, warme Kleidung von der Heizung geholt und uns einen Film angemacht. Es sind diese kleinen Dinge die mich selbst jetzt, Jahre nach der letzten Schneeballschlacht, noch lächeln lassen und mich glücklich machen.

Die Tür geht auf und die kleine Klingel ertönt. Es ist Kevin der zitternd reinkommt. Er zieht sich die Mütze vom Kopf und schüttelt seine blonden Haare. „Hey Jules", er grinst mich an. Ich grinse zurück und gebe dem Gast vor mir die Rechnung.

JULYWo Geschichten leben. Entdecke jetzt