"Bald ist unser Geburtstag." Ich sitze gerade am Tisch in der Küche, mit all meinen Uni Sachen ausgebreitet, als Grey plötzlich vor mir auftaucht und sich gekonnt mit seinem Oberkörper auf meinen Unterlagen ausbreitet. Skeptisch hebe ich eine Augenbraue.
"Erst in drei Wochen", lasse ich ihn wissen. Er verdreht theatralisch die Augen und seufzt. Ich ziehe meine Notizen unter seinem Ellbogen hervor, um das ganze auf meinen Laptop abzutippen. "Ja naja aber man kann ja nicht früh genug planen." Endlich setzt er sich auf einen Stuhl und blockiert nicht mehr meine Unterlagen.
"Was willst du dieses Mal machen?" Meine Augen sind weiter auf meinen Laptop gerichtet. Grey und ich haben bis jetzt jeden unserer Geburtstage zusammen gefeiert und seit dem wir Teenager waren auch ohne uns über das Thema zu streiten. Wir haben einfach nur noch Freunde eingeladen und zusammen gefeiert.
"Also eigentlich will ich genau darüber mit dir reden", murmelt er und fährt sich durch die Haare. Ich kenne Grey. Das hier ist ihm unangenehm, er hat ein schlechtes Gewissen. Fragend sehe ich über den Bildschirm meines Laptops hinweg zu ihm. "Was hältst du davon wenn wir dieses Mal jeder für sich feiern?"
Verwirrt starre ich ihn einen Moment lang nur an. "Wir feiern unseren Geburtstag immer zusammen", ich lehne mich im Stuhl zurück und verschränke die Arme. Er atmet hörbar aus. Mama wirft mir einen vielsagenden Blick zu ehe sie sich wieder dem Dekorieren der Weihnachtsplätzchen widmet. Sie weiß Bescheid, er hat schon mit ihr darüber geredet.
"Ich weiß und ich kann auch verstehen wenn du sauer bist, aber ich würde dieses Jahr gern mit den ..."
"Schon okay", unterbreche ich ihn und lächle. Ich werde ihn nicht dazu zwingen mit mir seinen Geburtstag zu feiern, er ist alt genug um das selbst zu entscheiden.
"Was? Wirklich?" Erstaunt hebt er eine Augenbraue. Nickend unterstreiche ich meine Aussage. "Wenn du das willst, werde ich dich nicht abhalten. Wo feierst du?" Will ich wissen und schraube den Deckel meiner Wasserflasche ab. Es zischt leise als die Kohlensäure entweicht. Den Blick noch immer auf meinem Bruder setze ich die Flasche an meinen Mund und trinke.
"Wir feiern bei Ben. Seine Eltern haben ein geiles Haus." Verstehend nicke ich mit dem Kopf. Ben war mir noch nie wirklich sympathisch. Er ist schmierig, ekelhaft und um ehrlich zu sein, verstehe ich nicht, warum Grey mit ihm befreundet ist. Letztendlich ist das aber nichts, bei dem ich mitzureden habe. "Gut, dann ist das geklärt, ja?"
Er nickt und steht plötzlich auf um mir um den Hals zu fallen. Überrumpelt von seiner Reaktion klopfe ich ihm auf den Rücken und warte darauf, dass er wieder von mir ab lässt. "Du bist die Beste", ich kann das Grinsen in seinem Gesicht hören. Keine Sekunde später dreht er sich um, murmelt etwas vor sich hin und rennt die Treppe nach oben.
"Ich dachte du würdest anders reagieren", höre ich Mama sagen. Sie schaut mich nicht an, sondern füllt ihre Schale mit neuen bunten Perlen. Im ganzen Haus riecht es wie in der Weihnachtsbäckerei. Etwas, worauf ich mich jedes Jahr aufs neue freue.
"Wieso?" Will ich wissen. "Grey ist eine eigenständige Person, ich werde ihm nicht sagen wie er seinen Geburtstag zu feiern hat." Schulterzuckend wende ich mich wieder meinen Uni Unterlagen zu.
"Was wirst du machen?" Will sie wissen. Überlegend sehe ich aus dem Fenster. "Vielleicht feiere ich mit Miri oder Dylan. Oder beiden zusammen."
Mama spürt, dass ich keine Lust mehr habe darüber zu reden. Ein ganz kleiner Teil, irgendwo ganz hinten in meiner Brust schmerzt, auch wenn ich alles, was ich gesagt habe, auch so gemeint habe. Das wird der erste Geburtstag, den Grey und ich nicht zusammen feiern.
Ich parke mein Auto vor dem Wohnkomplex in dem Dylan wohnt. Das Haus ist riesig und hoch. Regen tropft gegen meine Fensterscheibe, landet auf dem Boden wo er den Schnee in matschige Masse verwandelt. Es sind nur noch drei Tage bis Weihnachten und wir müssen beide noch die Geschenke für die Familie einpacken. Deshalb haben wir uns für heute verabredet. In den letzten Tagen hat Dylan sich verändert. Ich weiß nicht, was genau ihn dazu bewegt hat aber er ist ganz anders als vorher. Verständnisvoll, lieb, geduldig.. so wie früher.
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JULY
General Fiction// Spin off zu GREY! // Ich war eine Marionette, hing an den Fäden in deiner Hand, bis du sie durchgeschnitten hast. Deine Hand, sie war ein Ort, warm und voller Sicherheit bis sie dir ausgerutscht ist. Und trotzdem hing ich an den Fäden, mit alle...