"Wollen wir nicht doch etwas gemeinsam machen? Es gefällt mir nicht, dass du heute allein bist."
Ich seufze kurz auf und tippe mit meinen Fingern auf der Tastatur, um meiner besten Freundin zu antworten: "Ich möchte heute alleine sein, es ist besser so - aber danke."
Daraufhin geht Liz offline und auch ich bringe mein Handy in den Standbymodus und hoffe, dass sie es jetzt verstanden hat. Ich bin ihr zwar dankbar für ihre Fürsorge und ihre Hilfe, doch ich denke, ich muss heute nochmal über alles nachdenken und mich damit auseinander setzen.
Denn heute wäre der Jahrestag meiner (jetzigen) Ex-freundin und mir gewesen. Jepp, wir wären jetzt ganze 3 Jahre zusammen. Doch schon nach einem Jahr habe ich gemerkt, dass mir diese Liebe nicht mehr gut tut, denn trotz der Intimitäten fühlte ich mich alleine, da der Sex so ziemlich das einzige wurde, was man mit Nähe und Zuneigung vergleichen könnte. Man könnte meinen, dass ich zum reinen Sexobjekt wurde. Das schlimmste daran ist, dass ich es mir viele Monate lang gefallen ließ. Damit vergaß ich, dass ich ein Mensch mit Gefühlen und eigenen Bedürfnissen bin. Ich schraubte meine eigenen Wünsche und Träume zurück, behielt sie für mich und konzentrierte mich nur noch darauf, sie glücklich zu machen. Mir war garnicht mehr bewusst, wie wertvoll und wichtig auch ich selbst bin - es spielte einfach keine Rolle, weder für mich, noch für sie. Es dauerte lange, bis ich begriff, dass ich mich selbst total aus den Augen verloren hatte. Den Schmerz, den ich spürte, nachdem ich mich dann endlich von ihr getrennt habe, kann ich immer noch nicht beschreiben. Viele erzählen immer, dass es die ersten paar Wochen sehr schlimm sei - man würde nurnoch heulen und verzweifeln. Dann solle es bergauf gehen, man solle sich bald wieder frei fühlen und sich recht schnell wieder auf etwas neues einlassen können. Naja, das sagten jedenfalls die Mädels aus meiner Klasse. Jedoch hatte ich nie das Gefühl, dass ich viele Ähnlichkeiten mit ihnen habe. Denn mit meinen 18 Jahren kam es mir in meiner Klasse manchmal so vor, als wäre ich die einzig Erwachsene.
Jedenfalls spüre ich noch heute, fast 11 Monate nach der Trennung, wie sehr es mich auffrisst. Es ist nicht der Verlust meiner Freundin, denn diese hat mich schrecklich verletzt. Es ist eher das Gefühl der Einsamkeit, das sich in mich gefestigt und ihren Platz in mir gefunden hat. Ich habe ständig das Gefühl, nichts wert zu sein und nicht gewollt zu werden. Dabei habe ich eine beste Freundin, die bis jetzt immer an meiner Seite war. Zu meinen Eltern habe ich ein normales Verhältnis, auch da kann ich mich eigentlich nicht beklagen..
Liz sagt immer, dass ich ein sehr liebesbedürftiger Mensch und innerlich sehr kaputt bin. Daher suche ich wohl andauernd nach jemandem, der mich wieder aus diesem Loch herauszieht..."Sophie, ich habe die Luftpumpe gefunden!", ruft mein Dad von unten.
Ich seufze erleichtert auf und schnappe mir meine Fussballschuhe aus dem Schrank. Dann flitze ich den Flur entlang, die Treppe herunter und entdecke die Luftpumpe liegend auf der Kommode in der Garderobe. Ich brülle ein herzliches "Danke!" und setze mich auf den kühlen Boden, um mir meine Schuhe anzuziehen. Unglaublich, dass die mir noch passen. Ich habe die zuletzt auf dem Abschlussturnier getragen - das müsste eineinhalb Jahre her sein..
Nachdem meine Schnürsenkel gebunden und meine Jacke im Rucksack verstaut ist, nehme ich den Ball und die Luftpumpe in die Hand.
"Tschau, bis nachher!", rufe ich meinem Vater zu. "Ähm, wann kommst du denn wieder?", kommt es aus der Küche und schon sehe ich meinen Papa erwartungsvoll wenige Schritte vor mir stehen. "Ich, ich weiß es noch nicht genau.", überlege ich vor mich hin.
"Gut, in Ordnung. Aber wenn etwas ist, dann.."
".. Dann komme ich heim. Keine Sorge, Papa.", grinse ich ihm entgegen. Er schenkt mir ein warmes Lächeln und nickt mir zu.
Anschließend mache ich mich dann endlich auf den Weg zum Fußballplatz, auf dem ich früher jedes Wochenende mit meiner Freundin war. Wir lernten uns nämlich in meinem ehemaligen Verein kennen. Und so verbrachten wir dann viel Zeit auf dem Platz, der meist sowieso uns allein gehörte, da wir in einer recht kleinen Stadt leben.
Wenn ich jetzt schon drüber nachdenke, dass wir uns dort lieben gelernt haben, tut es schon irgendwie weh. Doch ich muss das durchstehen, ich möchte mich dem Schmerz stellen und herausfinden, wie stark ich sein kann..Ich stelle meine JBL-box auf der Trainerbank ab und verbinde sie mit meinem Handy, schalte die Musik an und beginne, zu kicken. Immer wieder schieße ich den Ball ins Tor - aus den verschiedensten Perspektiven und mit unterschiedlichen Techniken. Nach und nach wird mir bewusst, wie sehr mir das Spielen fehlt. Doch ich kann nicht mehr in diesem Verein spielen, solange meine Ex im Team ist. Das würde zu sehr weh tun.
Während ich weiter aufs Tor schieße und nebenbei der Musik lausche, bemerke ich garnicht, dass es bereits dunkel wird. Erst, als ich den Ball schon fast nicht mehr erkennen kann, schaue ich auf das Display meines Handys: Es ist 22:12 Uhr. Das kann doch nicht sein! Ich schalte die Box aus und stopfe sie in meinen Rucksack. Ein bisschen enttäuscht darüber, dass ich heute wohl nicht mehr viel Zeit zum Fußball spielen haben werde, schieße ich den Ball nochmal in die Richtung des Tores, das ebenfalls nur noch sehr schlecht zu sehen ist. Zu blöd, dass die Laternen, die sich ca 10 Meter hinter dem Tor befinden, nur den kleinen Weg beleuchten, der in den Wald führt. Denn ich schieße den Ball total am Tor vorbei und sehe ihn nur noch ins helle Licht rollen. Mit langsam Schritten und einem leicht genervten Gesichtsausdruck mache ich mich auf den Weg dorthin, bis ich laute Schritte höre und eine joggende Person sehe, die wohl gerade vom kullernden Ball gestoppt wird. Ich gehe einige Schritte weiter und erkenne eine Frau mit braunen, lockigen Haaren, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hat. Sie ist recht groß und relativ schlank, sie hat perfekt geformte weibliche Kurven. Die Frau schaut sich ein wenig um, bis sie mich wohl endlich im Dunklen erkennt. Dann hebt sie den Ball auf und geht einige Schritte auf mich zu.
Als sie nur noch ein paar Meter von mir entfernt ist, wirft sie mir den Ball mit festem Druck zu und zieht eine ihrer Augenbrauen in die Höhe: "Wer spielt denn um diese Uhrzeit noch Fußball?"
"Wer geht denn um diese Uhrzeit noch joggen?", frage ich die braunhaarige Frau neckisch. Ihr verwirrender, fragender Blick verwandelt sich in ein sanftes, spielerisches Lächeln. "Ich bin abends gern oben im Wald. Dort gibt es extra einen Weg am Waldrand für Läufer.", erzählt sie mir. "Ich dachte schon, Sie leisten den Wildschweinen und Wölfen Gesellschaft.", grinse ich ihr zu.
Daraufhin schüttelt sie lachend den Kopf. Mir fallen sofort ihre leichten Grübchen auf, die sich dabei zeigen. Ich schaue in ihre dunkelbraunen, fast schwarzen Augen. Selten habe ich so eine Augenfarbe gesehen, sie ist so dunkel, dass sie mit der Farbe ihrer Pupille verläuft. Ihre Wangen nehmen die Farbe Rot an und ihre Grübchen werden deutlicher - ich spüre, dass ich sie wohl ziemlich verträumt angestarrt habe. Also räusper ich mich ein wenig und lache kurz auf.
"Danke, dass Sie mir den Ball zurück gebracht haben.", bringe ich etwas schüchtern hervor.
Sie zwinkert mir zu und geht wieder in die Richtung des Weges. Ich betrachte sie genau und mustere jede ihrer Bewegungen.
"Du solltest vielleicht nach Hause gehen und keiner fremden Frau hinterher schauen.", ruft sie mir noch einmal zu. Mich überkommt eine Hitze und ich frage mich, woher sie wusste, dass ich ihr hinterher schaue. Habe ich sie eben schon so auffällig angestarrt? Ich sehe sie wegjoggen und gehe mit Gedanken an sie zur Bank, um meine Sachen einzupacken. Dann mache ich mich auf den Heimweg und mir wird bewusst, dass ich heute gar nicht so viel über die Trennung nachdenken musste. Auch die kommende Nacht wird nicht sehr qualvoll werden, denn meine Gedanken sind nur bei dieser braunhaarigen Frau, die mich in so kurzer Zeit und ohne jegliche Absicht verzaubern konnte.
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That's not the love I had in mind. (TxS) (GxG)
RomanceNachdem ich die Hand, die mich zwei Jahre lang festhielt, loslassen musste, begann für mich der Weg der Selbstfindung - Ich erfuhr, was ich wirklich will und was ich tatsächlich benötige: Nähe, Zuneigung, Vertrauen und Ehrlichkeit. Es verging eine...