Ebru
Mein Vater schließt die Tür unserer neuen Wohnung auf, sodass wir es das erste Mal betreten. Ich ziehe mein Koffer mit rein und sehe mich um. Der Geruch von frischem Staub und Farbe steigt in meine Nase. Es riecht nach einer Renovierung. Ich gehe durch die Zimmer und betrachte alles genausten. Die Wohnung ist nicht wirklich groß, aber reichlich für uns zwei. Ich wäre viel lieber in Berlin geblieben. Die Möbel sind alle schlicht und wahrscheinlich von dem vorherigen Mieter zurückgelassen worden.
„Du kannst das Zimmer hinten nehmen." Ich zucke zusammen, als mein Vater plötzlich hinter mir erscheint. „Okey", nicke ich nur mit meinem Kopf und ziehe mein Koffer hastig in die Richtung. Ich stoße mit meinem Fuß die Tür auf und betrachte das ca. 10 Quadratmeter große Zimmer. Ein 90 x 200 Zentimeter Bett steht mitten drin. Auf der linken Seite des Zimmers befindet sich ein viertüriger weißer Kleiderschrank mit zwei Spiegeln eingebaut. Ein kleiner Schreibtisch steht auf der Fensterseite. Das Zimmer wird gut durchleuchtet, was eigentlich fürs Erste gut ist. Ich mache die Tür hinter mir zu, bevor ich mich weiter in meinem Zimmer umsehe.
Ich gehe aufs Fenster zu, um den Blick nach draußen zu bewundern. Es ist nicht dieselbe Wohnung wie damals, aber dieselbe Umgebung. Zwar war ich gerade mal in der 2. Klasse als meine Mutter verstorben ist und wir wegziehen mussten, aber ich kann mich an diese Gegend erinnern. Ich gehe ins Wohnzimmer und suche mir ein Lappen und Reinigungsmittel aus den Kartons raus. Mein Vater ist nicht mehr aufzufinden, was mich etwas erleichtert. Ich fühle mich in seiner Anwesenheit nie wohl. Ich fange an die Vitrinen im Wohnzimmer zu wischen und mit unseren Sachen aufzufüllen. Wir haben nicht wirklich viel mitgenommen, aber dennoch stören mich die vielen Kartons hier im Flur.
Es kostet mich viele Stunden das Wohnzimmer, die Küche und das Badezimmer einzurichten, sodass ich mich letztendlich an meine eigenen Sachen wenden kann. Die Sachen meines Vaters möchte ich nicht anrühren, weil er mich falls ich was kaputt machen sollte, bestrafen würde. Ich gehe in mein Zimmer und wische die Regale im Kleiderschrank, bevor ich meine Klamotten sorgfältig falte. Nachdem ich mein Kleiderschrank komplett aufgefüllt habe, beziehe ich das Bett und wende mich an mein Schreibtisch, welches ich etwas schöner einrichte.
Ich schnappe mir mein Handy und schmeiße mich auf mein Bett. Passend ruft Zehra an, sodass ich rangehen kann. Die nächsten 20 Minuten verbringe ich damit mir ihre täglichen Storys anzuhören, die sie so erlebt, bis wir beide auflegen müssen. Die Langweile packt mich und ich spüre auch wie langsam mein Magen knurrt. Mir ist klar, dass wir nichts zu Essen haben. Ich könnte einkaufen gehen, aber ich weiß nicht wo der nächste Einkaufsladen ist und ob ich wieder zurückfinden würde. Zwar erinnere ich mich etwas an diese Gegend, aber nicht so sehr, dass ich direkt am ersten Tag alleine rausgehen könnte. Das Klingeln an der Tür reißt mich aus den Gedanken. Wer ist das? Mein Vater würde niemals um diese Uhrzeit zurückkommen und er würde höchstwahrscheinlich auch nicht klingeln.
Ich streiche meine Kleidung und Haare glatt, bevor ich die Tür öffnen gehe. Vor mir steht ein wunderschönes Mädchen mit braunen langen Haaren und strahlend grünen Augen. Ein freundliches Lächeln ziert ihr Gesicht. „Hallo, ich bin Alara. Wir wohnen in der Wohnung gegenüber. Ich habe mitbekommen, dass ihr neu eingezogen seid und wollte euch Willkommen heißen", sie reicht mir eine Packung Pralinen entgegen, die ich annehme. Sie ist definitiv in meinem Alter und wirkt auch eigentlich echt sympathisch. „Vielen Dank, ich bin Ebru", stelle ich mich ebenfalls vor.
„Ich gehe gleich mit einer Freundin zusammen essen. Wenn du magst und Zeit hast, kannst du gerne mitkommen... Wir können dir etwas die Stadt zeigen", zuckt sie mit ihren Schultern. Kann sie Gedanken lesen? Woher weiß sie, dass ich Hunger habe? Somit würde ich auch neue Freunde kennenlernen. „Dankeschön, gerne komme ich mit." Ich hole mir meine Tasche und Jacke aus meinem Zimmer und ziehe meine Schuhe an, bevor wir beide losgehen. Während ich mit Alara gemeinsam durch die Straßen gehe, in denen ich als Kind meine Tage verbracht habe, kommen alte Gedanken wieder hoch. Meine Mutter hatte mich und Ayaz manchmal gemeinsam Eis essen gebracht und wir wurden frech, weil wir nur eine Kugel essen durften und nicht zwei.
Alara erzählt mir, dass sie bereits seit 10 Jahren hier lebt. Sie ist hierher gezogen, nachdem ich ausgezogen bin. Letztendlich kommen wir an einer kleinen Dönerbude an, wovor ein schwarzhaariges Mädchen wartet. Das ist wahrscheinlich die Freundin von Alara. „Hey, ich bin Sena. Ich habe bereits mitbekommen, dass ihr neu hierher gezogen seid", stellt sie sich ebenfalls neu vor. Sie hat dunkelbraune Augen, sodass man ihre Pupillen nur schwer erkennen kann. Ihr Grübchen auf der linken Seite sorgt dafür, dass ihr Lächeln viel echter rüberkommt. „Ich bin Ebru", stelle ich mich ihr auch vor, bevor wir drei die Dönerbude betreten. Wir reden viel während des Essens und lernen uns somit besser kennen. Außerdem tauschen wir unsere Nummer aus.
Nachdem Essen möchten beide auf das Spielplatz gehen, wo ich als Kind oft gespielt habe. Auf dem Weg dahin holen wir uns aus ein der Läden Softdrinks. Wir setzen uns auf die kühle Bank und beobachten die Kinder, die fröhlich miteinander spielen. Es ist Ende Dezember, deswegen auch recht kalt. „Was machst du eigentlich schulisch?", fragt Sena an mich gerichtet und nimmt einen großen Schluck aus ihrer Dose. „Ich mache meine Fachhochschulreife, aber muss mich hier noch auf einer Fachoberschule bewerben." Ich bin froh, dass wir Weihnachtsferien haben und hoffe, dass mich eine Schule noch als Quereinsteiger annimmt. „Wir machen auch unser Fachabitur. Ich schicke dir später die Daten unserer Schule, dann kannst du dich da bewerben", antwortet Alara. Ich bedanke mich bei ihr und hebe mein Kopf, um vier Jungs zu besichtigen, die gerade auf uns zukommen.
„Wer sind diese Jungs da?", frage ich verwirrt an die beiden Mädchen gerichtet, sodass sie ebenfalls hochsehen. „Das sind nur Tarik, Kaan, Vedat und Ayaz. Die wohnen auch hier in der Gegend und wir sind in derselben Klasse", beantwortet Sude meine Frage. Ich reiße meine Augen auf, als einer der Namen mir gewaltig bekannt vorkommt. Mein Kindheitsfreund Ayaz? Natürlich kann es auch ein anderer Ayaz sein, aber die Wahrscheinlichkeit, dass er es ist, ist sehr hoch. Umso näher die Jungs kommen, desto besser kann ich sie erkennen. Ich lasse mein Blick abwechselnd auf den Jungs wandern und bleibe stehen, als mir zwei braune Augen gewaltig bekannt vorkommen. Ich mustere ihn von unten bis oben. Es ist unmöglich ihn nicht wieder zuerkennen, denn seine Mimik ist nach zehn Jahren immer noch dieselbe. In meiner Erinnerung ist er jedoch viel kleiner gewesen, sodass es mich überrascht wie groß er jetzt ist. Bei uns angekommen, lächelt er, was mir mein Herz erwärmt. Selbst sein Lächeln ist gleichgeblieben.
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Einseitige Liebe
Teen FictionEin zurückhaltendes, liebenswertes und geheimnisvolles Mädchen. Ein charmanter, draufgängerischer und aggressiver Junge. Zwei Welten, Zwei Geheimnisse, Zwei Leben, aber nur eine unerwiderte Liebe. Eine einseitige Liebe. #1 Action: 03.01.2020 Bei F...