Kapitel 4

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Ebru

Ich schließe die Tür auf und tapse leicht hinein, bevor ich die Tür hinter mir wieder schließe. Im Haus ist es still und dunkel, weshalb ich mir nicht sicher bin, ob mein Vater zu Hause ist. Ich beschließe so schnell wie möglich in mein Zimmer zugehen, doch höre mein Vater schon nach mir rufen. Innerlich verfluche ich mich und mache mich seelisch darauf bereit meinem Vater gegenüber zustehen.
Ich bin definitiv tot, soviel ist klar.

Ich gehe mit zitternden Beinen ins Wohnzimmer, wo er mit einer Flasche in der Hand auf der Couch sitzt. Ich kneife meine Augen zu. Er ist betrunken. Seitdem Tod meiner Mutter, ist mein Vater ein Alkoholiker geworden. Er ist nicht er selbst, wenn er betrunken ist. Diese scheussliche Substanz zerstört ihn und mich zieht es mit in sein Verderben. Ich spüre wie mein Herz schneller gegen meine Brust pumpt. Ich weiß genau, was jetzt auf mich zukommt. „J-Ja?", stottere ich und versuche nicht ängstlich zu klingen. Sein Blick ruht auf meinem Körper, während er seine Lippen zu einer geraden Linie presst. Ich sehe ihm zu, wie er sich schwankend von der Couch erhebt und in meine Richtung kommt.

Die Nervosität in mir steigt mit jeder Sekunde immer mehr. „Mit welchen Jungs warst du unterwegs?", er redet ruhig, doch seine Augen funkeln mich wütend an. Ich schlucke und schüttele hastig meinen Kopf: „Mit keinem!" Wie kommt er überhaupt auf diese Frage? Er kann mich unmöglich gesehen haben. Ich darf ihm die Wahrheit nicht sagen, ansonsten muss ich mit schweren Konsequenzen rechnen. Prüfend sieht er mich an. Unerwartet schellt seine Hand gegen meine Wange, sodass mein Kopf zu Seite fliegt. „Du Nutte, wieso lügst du mich an hm?", zischt er wütend, sodass ich die Alkoholfahne riechen kann.

Meine rechte Wange pocht und ich kann mir vorstellen, dass es gerötet ist. Ich halte meine Tränen zurück. Nicht die Tatsache, dass er mir eine geklatscht hat tut weh, sondern einfach nur, dass er mich als Nutte bezeichnete. Welcher Vater würde seine Tochter mit sowas abscheuliches vergleichen? Ich senke meine Blicke zu Boden. Ich will ihm nicht in die Augen sehen. „I-Ich habe nichts falsches gemacht", ich zittere unwillkürlich. Es wird wieder leise, sodass ich schon ahne, was jetzt kommen könnte. Ich schaffe es noch rechtzeitig mit meinen Händen halbwegs mein Gesicht abzudecken, bevor er erneut zuschlägt. Doch es hilft mir nicht wirklich viel, denn durch die Wucht seiner Faust platzt meine Lippe auf und ich stürze zu Boden. „Versuch dich erst gar nicht da rauszureden!", beschimpft er mich weiterhin. Ich versuche meine unkontrollierte Atmung zu stabilisieren, was mir auch einigermaßen gelingt.

Ich antworte ihm nicht, denn ich bin mir sicher, dass er mich sonst die ganze restliche Nacht weiter schlagen wird. Es ist nicht das erste Mal, dass mein Vater grundlos mir gegenüber handgreiflich wurde. Seitdem Tod meiner Mutter sucht er ständig nach Gründen um mich zu schlagen. Ich höre ihn schnarchen, sodass ich zu ihm sehe. Er hat sich auf die Couch gelegt und schläft tief und fest. Erleichtert atme ich aus und erhebe mich vom Boden. Ich wische mir die Tränen weg, die ich unbewusst verloren habe, bevor ich ins Badezimmer gehe.

Ich spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht. Mein Spiegelbild sieht überhaupt nicht gut aus. Meine rechte Wange sieht viel schlimmer aus als ich befürchtet hatte und meine Lippe möchte nicht aufhören zu bluten. Ich will meine Verletzungen abkühlen, aber wir haben nichts im Gefrierschrank. Schlussendlich ziehe ich mir meine Pyjamas an und schmeiße mich ins Bett. Mein erster Tag in Köln hat ja sehr gut begonnen. Meine Gedanken schweifen wieder zu Ayaz. Er hat mich erkannt. Trotz meiner momentanen Lage zaubert mir diese Tatsache ein Lächeln ins Gesicht und aus welchem Grund auch immer fängt mein Herz an schneller zuschlagen. Was ist nur los mit mir?

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Einseitige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt