Kapitel 17

5.9K 217 109
                                    

Ebru

Eine Woche später

Mittlerweile ist es sieben Tage her, seitdem ich Ayaz meine Liebe gestanden und ihn dort zurückgelassen habe. Seitdem habe ich ihn gar nicht mehr gesehen, da ich die Wohnung kaum verlassen hatte. Wir haben keinen Kontakt mehr, was meiner Meinung nach besser so ist. Alara und Sena kamen mich in dieser Woche ab und zu besuchen, weswegen ich den beiden echt dankbar bin. Mit Zehra habe ich auch des öfteren telefoniert und ihr von den Neuigkeiten berichtet. Sie ist der Meinung, dass ich jemand besseres verdiene und da hat sie auch nicht unrecht, aber mein Herz schlägt nunmal für diese eine Person, die es nicht einmal erwidern kann.

Naja, in dieser Woche habe ich eine Zusage von der Fachoberschule erhalten, um meine Fachhochschulreife dort fortzusetzen. Die Schule beginnt in ungefähr einer Woche und ich freue mich darauf. Lernen kann ablenken und ich brauche eine Ablenkung. Ich bin froh, dass ich mit Alara und Sena auf derselben Schule sein werde, aber auf der anderen Seite traurig darüber, dass Diona und Ayaz ebenfalls in diese Schule gehen. Das heißt, dass ich mir ihre Beziehung auch in der Schule geben muss. Meinem Arm geht es mittlerweile besser und ich spüre so langsam wieder meine Nerven darin, aber die Scherben hatten eine hässliche Schramme hinterlassen, weswegen ich mich nicht mehr traute etwas kurzarmiges anzuziehen. Ich hoffe, die Schramme wird mit der Zeit nur eine kleine Narbe hinterlassen.

„Er hat nach dir gefragt", erzählt mir gerade Alara, während ich ein Bild zeichne. Ich stoppe mitten in meiner Zeichnung, als ich ihr Gesagtes realisiere, aber reiße mich schnell zusammen und zeichne weiter. „Okey", antworte ich nur, weil ich nicht weiß, wieso genau sie mir das jetzt erzählt. Ich höre sie seufzen, bevor sie sich von meinem Bett erhebt und auf mich zukommt. „Er sieht aus wie Ayaz", lacht sie, weswegen ich wieder inne halte und meine Zeichnung betrachte. Tatsächlich sieht das Porträt von einem Mann, welches ich gerade zeichne, etwas aus wie Ayaz. Ich weite meine Augen.
Ich bin definitiv besessen.

„Oh Gott", sofort knülle ich die Zeichnung zu einer Papierknolle und schleudere es in meine Zimmerecke, bevor ich mir durch die Haare fahre. Das war es mit dem Zeichnen. Alara schüttelt amüsiert ihren Kopf und setzt sich wieder auf mein Bett. „Ich finde, du solltest mit ihm reden, Ebru", wird sie plötzlich wieder ernst, doch ich schüttele meinen Kopf. „Was soll das bitte bringen? Alles was gesagt werden musste, wurde gesagt. Ich habe nichts mehr zu sagen", verschränke ich meine Arme mit Bedacht, um meine Verletzung nicht zu berühren. „Vielleicht hat er aber noch etwas zu sagen." Meine Miene wird deutlich weicher. Naja, nachdem ich meine Liebe gestanden habe, hat er es für ein Scherz gehalten. Danach hat er zwar verstanden, dass es alles andere als ein Scherz ist, aber er hat mir keine Antwort gegeben.

„Keine Antwort ist auch eine Antwort", gebe ich Alara als Antwort. Mit einer hochgezogenen Augenbraue sieht sie mich prüfend an. „Außerdem bin ich über ihn hinweg. Es war nur eine Phase", lächele ich exaltiert. Innerlich weiß ich jedoch, dass es alles andere als nur eine Phase ist und ich noch lange nicht über ihn hinweg bin. „Ach ja, deswegen zeichnest du auch Porträts von ihm", lacht sie wieder und zeigt mit ihrem Finger auf die Papierknolle, die in der Ecke liegt. „Das war kein Porträt von ihm!", versuche ich mich rauszureden, doch mir ist klar, dass es nichts bringt. „Ich glaube, er weiß nicht, dass Diona mit Vedat zusammen war", weckt sie meine Interesse. „Wie kommst du darauf?" „Ich habe Diona gefragt. Sie meinte zwar, dass Ayaz davon Bescheid weiß, aber ich in seiner Gegenwart die Beziehung nicht ansprechen soll. Ich meine, noch auffälliger geht es doch nicht", zieht sie ihre Augenbrauen zusammen. Wieso unternimmt eigentlich Vedat nichts dagegen? Er ist doch mit Ayaz befreundet, wieso erzählt er ihm nicht einfach die Wahrheit? Das alles sollte mich normalerweise eigentlich gar nicht interessieren.

„Macht euch fertig. Wir gehen in die Shishabar!", öffnet Sena schlagartig meine Zimmertür. Vor einer viertel Stunde ist sie auf die Toilette gegangen und ich hätte beinahe vergessen, dass sie auch hier ist. „Wer hat dich denn verarscht? Ich komme nicht mit", verschränkt Alara ihre Arme, während ich nicke, um Sena zu verdeutlichen, dass ich auch nicht mitkomme. „Mein Crush ist da mit seinen Freunden und ich muss mir sicher sein, dass da keine Mädchen mit ihm sind. Ob ihr es wollt oder nicht, ihr kommt mit mir!", sagt sie streng mit den Händen an der Hüfte stemmend. „Du hast ein Crush?", werde ich plötzlich neugierig. Mir fällt auf, dass ich mich meistens um meine Probleme und Ayaz gekümmert habe. Das war ein Fehler, ich sollte auch auf die anderen achten und für sie da sein, genauso wie sie für mich da sind.

„Irgend so ein Furkan", verdreht Alara ihre Augen, während Sena anfängt von ihm zu schwärmen. Ich höre ihr interessiert zu und tatsächlich bringt mich das auf andere Gedanken. „Ich bin dabei", ich erhebe mich von meinem Drehstuhl und wende mich an mein Kleiderschrank, wo ich mir Anziehsachen raussuche. Ich war noch nie in einer Shishabar, rauchen tue ich auch nicht, aber vielleicht kann das ja spaßig werden. Außerdem darf ich mich nicht hier im Zimmer einschließen und die Außenwelt vermeiden. Ich muss damit klarkommen, dass Diona und... Ayaz zusammen sind.

„Dann gehe ich nach Hause", Alara schnappt sich ihre Jacke. „Du kommst mit!", versuche ich sie nun auch zu überreden. „Niemals", lacht sie als wäre es etwas Unmögliches. Ich krame eine hellblaue Jeans und ein schwarzes und enges Rollkragenpullover heraus. „Willst du mich ernsthaft alleine lassen?", lege ich mein Kopf schief. „Hallo?", kommt es verwirrt von Sena. „Du wirst sowieso zu diesem Furkan da gehen. Mit wem soll ich dann dort sitzen? Alleine?", blicke ich wieder zu Alara, die genervt aufstöhnt. „Einmal und nie wieder." Ich lächele und klatsche mit Sena ein, bevor ich mich ins Badezimmer verziehe, um mich fertig zumachen. Da meine Schminksachen im Badezimmer stehen, kann ich mich auch gleich hier schminken. Da ich aussehe wie eine Leiche, verpasse ich mir Foundation, etwas Contour und Highlighter. Meine Wimpern tusche ich dezent und entscheide mich für ein mattes Nude-Lippenstift. Ich mache mir einen hohen Zopf und stecke meine Perlenohrringe rein. Das erste mal seit Tagen fühle ich mich wieder hübsch und wohl in meinem Körper.

Nachdem ich das Badezimmer verlasse, pfeift Sena einmal laut. Ich lächele und ziehe mir meine Jacke an, bevor wir drei die Wohnung verlassen. Die Shishabar erreichen wir in zehn Minuten. Ich mustere das Café. Alles wird in dunkelblauen Tönen gehalten, selbst die Pfeifen. Die meisten Sitzplätze sind schon besetzt, woraus ich wahrnehme, dass die Bar beliebt sein muss. Eigentlich ähnelt es einem Café. Sena geht auf ein Tisch zu, wo mehrere Jungs sitzen. Alara und ich sehen ihr nach. Der Junge mit der Lederjacke erhebt sich überrascht und umarmt sie. Das ist also ihr Crush Furkan? Ich lasse meine Blicke wandern und mustere die Typen, die ebenfalls mit diesem Furkan am Tisch sitzen. Als ich jedoch drei bekannte Gesichter entdecke, bekomme ich eine kleine innerliche Panikattacke. Tarik, Kaan und Vedat... Was ist wenn Ayaz auch hierher kommt? Oder noch schlimmer, was ist wenn er bereits hier ist?

Einseitige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt