Kapitel 27

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Ebru

Seine Drohung löst eine Gänsehaut auf meinem Körper aus. Etwas Unbekanntes in meinem Bauch fängt an zu kribbeln. „Ich weiß, dass du sie nicht liebst, Vedat. Du hast Gefühle für mich."
„Gefühle? Für dich? Wovon träumst du nachts?", lacht Vedat hinter mir auf. „Ebru ist die einzige, die ich haben möchte." Seine Brust vibriert.

Ich weiß, dass seine Worte gespielt sind, dennoch bringen sie mich völlig aus dem Kontext. Ich spüre wie die Röte mir ins Gesicht schießt. Diona verzieht ihr Gesicht. Geschieht ihr recht.

Vedats Worte haben mir geschmeichelt, aber innerlich weiß ich, dass ich mir wünsche, dass Ayaz derjenige gewesen wäre, der es sagt.

Diona schnaubt auf und läuft mit geballten Fäusten wieder zurück in die Bar. Vedat starrt ihr noch eine Weile hinterher, bis er sich letztendlich zu mir dreht. Die Worte, die er gerade eben ausgesprochen hat, wiederholen sich wie eine endlose Schleife in meinem Gehirn.

„Das gerade eben...", zögernd und verlegen kratzt er sich am Nacken. „...Ich habe es nur gesagt, damit es glaubwürdiger rüberkommt."
Seine schüchterne Art ist fast schon irgendwie niedlich.

„Ich weiß. Dankeschön", lächele ich ihn an. „Na dann, ich sollte jetzt wirklich nach Hause gehen. Wir sehen uns morgen?"
Er nickt: „Ja, ich schreibe dir später. Man sieht sich."

Während ich nach Hause gehe, stecke ich mir meine Kopfhörer an. Obwohl es noch nicht spät ist, ist es ziemlich dunkel draußen. Die Stille und Leere in den Straßen machen mir in solchen Situationen Angst. Ich weiß, dass ich manchmal zu paranoid reagiere, aber in manchen Fällen kann meine Paranoia ziemlich hilfreich sein.

Die Melodie meines Lieblingsliedes ertönt in meinen Ohren und ich konzentriere mich einzig und allein auf die Musik, als mich plötzlich ein starker Griff am Arm erfasst.

Wie auf Knopfdruck setzt mein Herz einen Schlag aus und im nächsten Moment presst sich eine lauwarme Hand auf meinen Mund.

Ich versuche dem Täter die Hände zu zerkratzen und zappele wild herum, damit er mich loslässt aber all meine Mühe wird zu Nichte gemacht, als er mich in die abgelegene Gasse zerrt.

Ist keine Menschenseele hier? Bekommt den keiner mit was hier gerade vor sich geht?
Bis zum heutigen Tag dachte ich immer, dass mein betrunkener Vater ein Albtraum wäre. Etliche Theorien spielen sich in meinem Kopf ab. Werde ich vergewaltigt? Ermordet? Verkauft?

Bei dem Gedanken fange ich an mich stärker zu wehren, aber alles was ich tue ändert nichts an der Tatsache, dass ich verloren bin.
Ich weiß, dass ich nicht aufgeben sollte.
Ich weiß, dass ich versuchen sollte, davon zu kommen.

Tränen fließen meine Augen hinunter, während ich an Ayaz denke. Wenn ich wüsste, dass es heute das letzte Mal war, dass ich ihn gesehen habe, dann würde ich diese dämliche Lüge nicht in die Welt setzen. Ich würde ihm meine Liebe erneut gestehen. Immer wieder und wieder, selbst wenn ich für immer eine kleine Schwester für ihn bleiben werde.
Allein die Tatsache, dass ich sogar in so einem Moment an ihn denken muss, beweist doch nur, wie tief meine Zuneigung zu ihm ist. Ich werde ihn niemals vergessen können.
Ich kann noch nicht-

Mit einem harten Knall werde ich gegen die kalte Betonwand gedrückt. Ängstlich blinzele ich meine Tränen weg, um dem Täter ins Gesicht zu sehen.

Ayaz.
Ayaz ist der Täter.

Er entfernt seine Hand von meinem Mund, während ich ihn fassungslos anstarre. Die Tränen fließen immer noch unkontrolliert meine Wangen hinunter.
Ich dachte, ich werde sterben.

Meine Angst wird durch Wut ersetzt, sodass ich anfange auf seine Brust einzuschlagen und ihn von mir wegschubse.
„Was denkst du, was du da tust? Ich dachte, dass ich sterben werde!", schreie ich ihn an, als er rückwärts zurück taumelt.
Mein Herz rast immer noch in einem unkontrollierbaren Tempo und ich habe das Gefühl mich gleich übergeben zu müssen.

Er antwortet mir nicht. Seine Miene ist dunkel, während er mir nicht einmal in die Augen sieht. Stattdessen starrt er auf die Wand hinter mir.
„Mach das nie wieder!", zische ich aufgebracht und möchte die Gasse gerade verlassen, bis seine Stimme mich daran hindert.
„Wieso tust du das?"

Ich drehe mich verwirrt zu ihm. Nun ist sein Blick auf mich gerichtet. Seine sonst so schönen braunen Augen sind nun tief schwarz, während seine Hände zu Fäusten geballt sind.
Er ist wütend.

„Was willst du damit sagen?"
Er lacht sarkastisch auf und schüttelt seinen Kopf, als wäre meine Frage völlig unlogisch.
„Wieso bist du mit ihm zusammen?"

Meine Augen weiten sich, als ich seine Frage realisiere. Erstaunt blinzele ich ein paar Mal, während ich den Kloß in meinem Hals wieder hinunterschlucke. Ich möchte antworten, aber ich glaube, dass meine zitternde Stimme mich auffliegen lassen würde. Sobald ich mein Mund öffne, wird er verstehen, dass es alles gespielt ist. Dass ich ihn nach wie vor wie verrückt liebe.

Und was wird dann passieren?
Er wird mich erneut auslachen.
Er wird mich erneut als Schwester bezeichnen.
Er wird sich über mich lustig machen.
Und er wird meine Gefühle niemals erwidern.

Er kommt mir einige Schritte näher und schaut auf mich hinab.
„Ich...", fange ich mit abgebrochener Stimme an.
Er liebt dich nicht, Ebru. Er wird dich niemals lieben. Du bist und bleibst nur eine belanglose Person in seinem Leben, die er nur als Schwester kennzeichnen wird.
Für immer und ewig.

„Ich liebe ihn. Ich liebe Vedat."
Mit fester Stimme schaue ich ihm in die Augen. Meine Wörter sind gelogen, aber sie kommen über meine Lippen wie die pure Wahrheit.

Er schließt für ein paar Sekunden seine Augen, um wahrscheinlich seine Wut zu zügeln, während sein Kiefer stark hervorsticht.
„Du lügst."
Zwei Wörter.
Zwei Wörter und mein Selbstbewusstsein erlischt.

„Es ist die Wahrheit, Ayaz. Ich liebe ihn. Und er liebt mich. Wir sind in einer Bez-", ich werde unterbrochen.
„Du liebst ihn nicht. Du liebst mich. Ich weiß es."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 09 ⏰

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