Kapitel 13

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Ebru

Nachdem Alara und Sena nach Hause gegangen sind, habe ich angefangen mich fertig zumachen. Ich habe zwar schreckliche Kopfschmerzen wegen der gestrigen Nacht, aber es ist auszuhalten. Außerdem habe ich zu meinem Glück auch keine Beule. Jedoch habe ich rötliche Flecken auf meinen Wangen, welches ich mit Schminke verdecken kann. Ich kann echt von Glück sprechen, dass Alara und Sena nichts aufgefallen ist.

Ob mein Vater wieder betrunken nach Hause kommt? Darüber sollte ich mir vielleicht später Gedanken machen. Jetzt muss ich mich auf das heutige Essen bei Ayaz zu Hause fokussieren. Ich streiche meine Haare glatt und schlüpfe in meine Winterjacke. Mein Spiegelbild sieht gut aus. „Alles wird gut", flüstere ich mir selber zu. Wieso werde ich überhaupt nervös? Es ist doch nur ein Essen. Ich ziehe meine Schuhe an und mache mich auf den Weg.

Als mich heute Nachmittag eine fremde Nummer mit einer Adresse und Uhrzeit angeschrieben hat, wusste ich, dass es sich um Ayaz handelt. Er hat nach meiner Nummer gefragt und es von Alara zugeschickt bekommen, hat Sena mir erzählt. Die Adresse kommt mir bekannt vor und ich bin mir sicher, dass sie immer noch in derselben Wohnung wie damals wohnen. Es ist nicht wirklich weit von mir zu Hause. Laut Google Maps nur zehn Minuten zu Fuß. Ich komme recht schnell an und packe mein Handy in meine Jackentasche. Jetzt oder nie.

Nervös betrachte ich die Klingel, auf dem sein Nachname steht. Duman...
Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter, bevor ich die Klingel betätige. Einige Sekunden später kann ich die Außentür aufdrücken und die Treppen nach oben gehen. In meiner Erinnerung wohnen sie in der dritten Etage. Im dritten Stockwerk angekommen, bemerke ich schon die offene Haustür und werde umso nervöser.

„Oh mein Gott", höre ich schon die Stimme seiner Mutter und blicke hoch zu ihr. Ich lächele sie an und ziehe meine Schuhe aus, bevor ich die Wohnung betrete. Sie öffnet ihre Arme und drückt mich an sich. Natürlich erwidere ich Ihre Umarmung und bin froh sie nach so langer Zeit wiederzusehen. Sie löst sich leicht von mir und mustert mich. „Du bist ja so groß und schön geworden", schnieft sie und blinzelt ihre Tränen weg. Meine Mutter und sie waren damals die besten Freundinnen gewesen. Wahrscheinlich trifft sie die Erkenntnis, dass ich meiner Mutter sehr ähnlich sehe.

Ich sehe hinter ihr und entdecke Ayaz, der sich an eine geschlossene Tür gelehnt hat und uns mustert. Ich kann sein Blick definieren, aber vielleicht sollte ich das auch nicht tun. Wir gehen zusammen ins Wohnzimmer und Ayaz folgt uns. „Wie geht es dir? Ich bin so froh, dass du wieder hier bist", strahlt sie mich wortwörtlich an. „Danke, mir geht es gut. Wie geht es euch? Wo sind die anderen?", sehe ich mich fragend um. Wo sind seine zwei Schwestern und sein Bruder? Wo ist sein Vater?

Sie lächelte belustigt: „Kenan ist arbeiten und die anderen... Naja, die sind mittlerweile verheiratet." Mein Mund formte sich zu einem 'O'. Stimmt ja, als wir damals weggezogen sind, waren seine Schwestern 13 und 16 Jahre alt und sein Bruder war 18. Ich habe komplett vergessen, dass inzwischen zehn Jahre vergangen sind.

„Mein Ayaz verlässt mich nicht. Er ist noch eine Weile bei mir oder mein Sohn?", ich wende meine Blicke in Ayaz Richtung. In meinem Kopf erscheinen Bilder von Ayaz in einem Smoking und Diona in einem Brautkleid. Zusammen stolzieren sie glücklich zum Standesamt, um die Ehe zu schließen, während ich ihnen traurig und alleine folge. „Nein!", rufe ich panisch. Ich werde zurück in die Gegenwart teleportiert und spüre schon die fragenden Blicke von Ayaz und seiner Mutter auf mir. Oh mein Gott, kann ich im Erdboden versinken?

„Nein?", zieht Ayaz schmunzelnd seine Augenbrauen zusammen. „Hast du etwa vor zu heiraten ohne mir etwas zu sagen?", sieht seine Mutter ihn gespielt streng an. „Ich weiß nicht. Habe ich das, Ebru?", sieht dieser mich an und mir wird ganz plötzlich warm. Ich bin so froh, dass seine Mutter das Thema wechselt in dem sie sich erhebt. „Ich decke mal langsam den Tisch. Ihr könnt euch ja mit Ayaz unterhalten."

Sofort erhebe ich mich ebenfalls. „Ich kann helfen", möchte ich ihr meine Hilfe anbieten, doch sie schüttelt streng ihren Kopf. „Du bleibst schön hier sitzen." Sie verschwindet aus dem Wohnzimmer und nervös setze ich mich wieder auf die Couch. Es herrscht eine unangenehme Stille und die Tatsache, dass ich alleine mit ihm bin, bringt mein Herz zum ausrasten. „Alles okey?", reißt er mich aus meinen Gedanken. Schnell nicke ich mit meinem Kopf. Etwas zu schnell.

„Gestern... Du musstest plötzlich direkt nach Hause. Ist etwas passiert?" Ich hasse ihn dafür, dass er jetzt mit diesem Thema kommt. Wie soll ich mich jetzt bitte da rausreden? „Mein Vater hat mich gerufen", antworte ich ohne ihm in die Augen zu sehen. Er bemerkt anscheinend, dass ich wieder viel kälter geworden bin als gerade eben. „Du musst mich nicht anlügen. Ist es, weil... weil ich mit Diona zusammen bin?"

Schockiert weite ich meine Augen und sehe in seine, die mich prüfend beobachten. Er... Er hat es verstanden. Er weiß von meinen Gefühlen.
Oh Gott, nein. Ich hoffe, dass ich mich irre und suche nach einer Ausrede, die mich retten würde. „Wie kommst du jetzt darauf?", frage ich nervös. „Naja, nachdem du es erfahren hast, bist du ganz plötzlich nach Hause gegangen. Außerdem warst du danach ziemlich komisch drauf und seitdem bist du auch irgendwie so kalt zu mir", zuckt er mit seinen Schultern. Er ist schlauer als ich dachte.

Ich presse meine Lippen aufeinander und überlege mir die nächste Lüge. „Glaub mir, dass kam dir nur so vor. Ich musste wirklich nach Hause." Er weicht seine Blicke nicht von mir ab und ich habe Angst, dass er bemerkt, dass ich lüge. Aus welchem Grund auch immer, stelle ich ihm eine Frage, die ich wahrscheinlich lieber für mich behalten sollte. „Liebst du sie?"

Er sieht mich überrascht an, weil er mit so einer Frage nicht gerechnet hat. Doch da ist er nicht der einzige, denn ich bin genauso sehr überrascht von mir selber, aber ich möchte so gerne die Antwort darauf wissen. Er schluckt und zögert mit der Antwort.

„Sie ist mir wichtig und ich empfinde was für sie, aber ich weiß nicht ob ich sie liebe. Dabei habe ich noch nie für ein Mädchen dasselbe empfunden."

Aua.
Ein Messerstich.
Salz auf meiner Wunde.

Von wegen 'nichts Ernstes'. Er hat sich verliebt. Verliebt in die Ex seines Freundes. Meine Augen füllen sich bei dieser Erkenntnis mit Tränen, aber ich darf nicht weinen. Nicht jetzt. Nicht hier.

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Einseitige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt