Kapitel 16

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Ebru

Abrupt bleibt er stehen und starrt mich aus großen Augen an. Ich senke meine Blicke zu Boden, weil ich seine Reaktion nicht sehen möchte. Es herrscht eine unangenehme Stille und mir wird schlecht. Ich will einfach nach Hause, mich in mein Bett schmeißen und weinen. Ist das zu viel verlangt? Eine Träne läuft schon meine Wange hinunter, welches ich sofort wegwische. Wahrscheinlich wird er jetzt den Kontakt abbrechen wollen und mir meine Arbeit somit erleichtern.

„Es ist nicht der richtige Zeitpunkt um Witze zu machen, Ebru", löst er plötzlich die Stille. Mit zusammen gezogenen Augenbrauen sehe ich wieder hoch zu ihm. Er denkt wirklich, dass ich ihn verarsche? Nichtmal nachdem ich es gestanden habe, sieht er meine Gefühle. Wie blind ist er eigentlich? Vielleicht will er es auch einfach nicht sehen und akzeptieren. „I-Ich... Ich mache keine Witze, Ayaz. Das war mein ernst, aber... du musst es nicht sehen, es ist okey. Ich weiß, dass du eine Freundin hast und halte mich deswegen jetzt auch fern von euch beiden. Es ist das Beste für uns beide, wenn wir ab jetzt einfach so tun, als würden wir uns nicht kennen."

Ich warte ein paar Sekunden, doch als nichts von ihm kommt, mache ich kehrt und beschleunige mein Tempo, um schneller von da wegzukommen. Diesmal lässt er mich gehen und hält mich keineswegs auf. Vielleicht will er mich ja gar nicht aufhalten. Schließlich habe ich ihm seine Fragen beantwortet. Irgendwie ist es ein erleichterndes Gefühl, weil ich es nicht mehr für mich behalten muss. Aber... Aber mein Herz brennt trotzdem, obwohl ich schon wusste, dass es ungefähr so ablaufen wird. Ich komme zu Hause an und schließe leise die Tür auf.

Ich halte mich an der Hoffnung fest, dass mein Vater bereits schläft, jedoch wird auch diese Hoffnung mir genommen, als er aus dem Wohnzimmer nach mir ruft. Mit wackeligen Beinen gehe ich langsam ins Wohnzimmer und lehne mich an die Tür. Er sitzt auf der Couch und beäugt mich kritisch. „Wo warst du? S-Seitdem wir hier sind, kommst du immer so spät nach H-Hause. W-Wie kommt's?", lallt er lachend vor sich hin. Er hält eine Bierflasche in der Hand, welches er trinkt, doch mich nicht aus dem Blickfeld verliert.

„I-Ich... Ayaz Mutter hat mich eingeladen. Erinnerst du dich noch an-", er lässt mich gar nicht aussprechen. Seine Augen verdunkeln sich augenblicklich. „Ayaz?!", brüllt er weswegen ich zusammenzucke. Er konnte Ayaz noch nie leiden. Selbst als wir Kinder waren, mochte er ihn nicht. Er hasst alle Jungs in meiner Nähe. Ja, er war mein Vater und kein Vater möchte, dass seine Tochter irgendwann einem anderen gehört, aber meiner tut es nicht, weil ich ihm wichtig bin, nein, er tut es, weil er gegen meine Freundschaft mit anderen ist. Freunde durfte und darf ich nicht haben. Alles ist verboten. Wenn es nach ihm geht, muss ich 24/7 zu Hause sitzen und mich um den Haushalt kümmern. Er erlaubt es mir nicht meine Jugend zu genießen.

„Seine Mutter hat mich zum Essen eingeladen", sage ich schnell und zitternd. „Er spielt mit der Flasche in seiner Hand, bis er es in meine Richtung schleudert. Ich ducke mich rechtzeitig, sodass es nicht auf meinem Kopf zerbricht. Leider konnte ich es nicht ganz entkommen, denn eins der zerbrochenen Scherben steckt jetzt in meinem Arm drin. Ich zische auf, während mein Oberteil sich schon rot färbt. Mein Vater legt sich wieder auf seine Couch und beachtet mich nicht mehr.

Ich versuche die Scherbe aus meinem Arm heraus zuziehen, doch es ist schwerer als gedacht. Ich rappele mich langsam auf und gehe ins Badezimmer. Dort entdecke ich einen erste Hilfe Kasten, welches ich mit meiner nicht verletzten Hand öffne. Langsam und quälend ziehe ich die Scherbe heraus und kneife meine Augen zusammen. Ich halte mein Arm unter Wasser, damit es etwas aufhört zu bluten. Ich desinfiziere die Stelle und mache einen Verband darum. Wahrscheinlich wäre es besser ins Krankenhaus zu gehen, aber ich habe keine Kraft mehr überhaupt etwas zu tun.

Einseitige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt