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Ich höre ein geschocktes Einatmen. langsam drehe ich mich von der Seite auf den Rücken. „Lis!", höre ich ein bekannte Stimme. Langsam öffne ich meine Augen. Von rechts und links kommen Kate und Zoe und helfen mir auf. Doch plötzlich sticht es extrem an einer meinen rechten Rippen und ich zucke reflexartig von Kate weg. „Tut mir leid!", entschuldige ich mich sofort bei ihr. „Lis, bist du verletzt?", fragt Kate besorgt. Langsam und zweifelnd nicke ich. „Legt sie aufs Bett, ich hohle Frau Doktor Mitchell", ordnet Anne an und verschwindet  aus der Tür.

Keine fünf Minuten ist Anne wieder da. Im Schlepptau hat sie eine hübsche große Frau. Sie ist blass und hat ihre glatten, blonden Haare zu einem Zopf im Nacken gebunden. Sie hat freundliche blaue Augen und trägt auf ihrer spitzen Nase eine schwarze Brille mit großen Gläsern. Sie trägt einen weißen Kittel und in der Brusttasche sind bestimmt fünf Kulis. Sie lächelt mich freundlich an.
Nach einer kurzen Untersuchung meint Doktor Mitchell, dass es nur eine starke Prellung ist. Sie cremt die leicht geschwollene und bläuliche Stelle an meinem Brustkorb mit einer kühlenden Creme ein und verbindet sie. Kate hilft mir in mein Kleid und schnürt die Korsage nicht ganz so eng. Dann ziehe ich mir den Bolero über und die Schuhe an. Zoe drängt mich, mich auf den Stuhl zu setzen und holt, keine Ahnung woher, ein Schminkset hervor. Anne stellt sich währenddessen hinter mich und beginnt meine Haare zu bürsten. „Die Farbe steht dir", meint sie während sie meine Haare nun streng nach hinten zusammen nimmt. Dann bindet sie sie zusammen. Gleichzeitig prüft Zoe welcher Concealer meinem Hautton entspricht. Ich habe Zombie ähnliche Augenringe. Anne stülpt eins dieser Haargummis aus Schaumstoff für Dutts über das, was bereits meine Haare zusammen hält.  Dann fächert sie den Zopf auf und legt die Haare um das Zopfgummi. Dann fixiert sie die Haare und versteckt die Spitzen ziemlich unsanft mit Haarnadeln. Dann beginnt Zoe mit dem Abdecken der Augenringe. Als sie damit fertig war, betont sie noch etwas meine Augen. Nun fertig stehe ich auf und betrachte mich im Spiegel. Oh, mein Gott! Komplett überwältigt drehe ich mich um. "Das habt ihr wunderbar gemacht!", lobe ich die Mädchen. Dann scheuchen sie mich raus.
Früher als manch andere, aber nicht als erstes stehe ich vor Erica an der Treppe und warte auf die anderen. Als ich Charlie sehe fallen mir fast die Augen aus dem Kopf. Sie trägt ihre schwarzen Locken wieder offen über die Schultern. Dazu eine auffällige Kette mit Rubinen die perfekt zum tiefen V-Förmigen Ausschnitt passt.
Ihr Kleid ist ebenfalls rot. Ein enges Kleid, schulterfrei wie meines und mit kurzen Ärmeln. Der Stoff am Oberteil ist quasi um ihren echt beneidenswerten Körper geschlungen und der Rock liegt so eng an, dass ihre Beine nicht sonderlich viel Bewegungsfreiheit haben. Er endet kurz über den Knien. Ihre Schuhe sind genauso Schwarz wie ihre Haare und haben eine rote Blüte auf dem breiten Riemen der die rot lackierten Nägel nicht verdeckt.
Als sie bei mir ankommt strahlt sie mich an. "Sag mal, warum bin ich eigentlich noch hier?", spaße ich. "Das weiß ich auch nicht!", antwortet sie mir gespielt hochnäsig.
Dann müssen wir beide anfangen zu lachen. Als schließlich alle da sind, gehen wir hinunter zum Essen. Unser Frühstück findet früher statt als das der königlichen Familie,damit die Prinzen uns direkt nach ihrem Frühstück kennenlernen können.

Das Frühstück ist das beste, das ich je hatte.
Croissants, Brötchen, Brot, Törtchen, allerlei Aufstrich, verschiedene Marmeladen, Schokolade, Kakao, Kaffe, Tee...
Ich esse viel, aber anständig. Als ich mir den kleinen Teller schon das dritte Mal belade, muss Charlie kichern. "Was?", frage ich vorwurfsvoll. "Du isst und isst und isst, ohne Bedenken zu haben, dick zu werden. Jede andere, betet, dass sie noch eine Scheibe Brot essen kann ohne, zuzunehmen und du...", sagt sie. "... Will gerade darauf hinaus. Ich meine, findest du 28kg für 1,60m nicht etwas wenig? Mein zukünftiger Mann wird Angst haben mich in den Arm zu nehmen, ohne, dass ich zerbreche", meine ich. Hannah guckt mich mit großen Augen an. "Ich habe mit 11 soviel gewogen, da war ich nicht größer als 1,40m.",sagt sie geschockt. Dann esse ich auch diesen Teller auf. Außerdem habe ich bestimmt vier Tassen schwarzen Tee mit Milch getrunken.
Als wir fertig waren gingen wir in den Klassenraum. Wir hatten jetzt Etikette und Benhmen.
Erica kommt herein, mit einer wunderschönen Frau im Schlepptau. Aus Instinkt knickse ich. Das muss Lyla, die Schwester der Königen sein. Auch Charlie und ein paar andere knicksen direkt als sie merken wen sie da vor sich haben. "Sehr schön, Lady Elisabeth. Genau das Verhalten wird von ihnen allen verlangt, wenn ein Mitglied der königlichen Familie den Raum betritt. Bitte setzen sie sich." Es poltert kurz und dann sitzen alle. "Gut! Also, Lady Lyla wird mich beim Unterricht für Benehmen unterstützen. Das ist das, was hier am Hofe für sie besonders wichtig ist und was ihnen auch außerhalb der Palastmauern hilfreich sein wird.
Also Beginnen wir mit der Haltung bei Tisch. Als erstes beachten Sie, dass Sie gerade sitzen. Ein Tipp, auch aus den Theater, stellen Sie sich vor, Sie seien an Ihrem Brustbein an der Decke fest gebunden. Eine aufrechte Haltung ist das A und O. Der Kopf wird auch nach oben genommen, ein Lächeln sollte immer ihre Lippen zieren. Rovana, sie sollen nicht ihr Dekolleté präsentieren sondern aufrecht sitzen."
Wir müssen alle anfangen zu lachen.
"Was das Lachen betrifft lacht eine Lady nie laut und herzlich in der Öffentlichkeit. Jegliches Lachen wird hinter der Hand oder aber einem Fächer verborgen. Ihre Fächer zum üben einiger Dinge liegt unter ihrem Tisch." Sofort hohlen wir alle ihn raus und legen ihn auf den Tisch.

...

So ging das die ganze Zeit weiter. Und während Erica alles vorne erklärt, schlendert Lyla durch die Reihen und flüstert einigen von uns Tipps zu. Auch bei mir bleibt sie stehen. "Sind sie nervös?", fragt sie mich. Ich nickte leicht. "Wenn sie nervös sind, suchen sie nach der Ursache und denken sie an etwas, was die Sache eher lustig, als beängstigend macht." Ich flüstere ein "Danke", bevor sie weiter geht.

Als Erica im Begriff ist, uns einen Vortrag über die richtigen Worte auf die Liebeserklärung eines Mannes hin, denn das sollte nie anders herum geschehen, halten wollte, erlöst uns ein Klopfen. Alle Blicke fixieren die Tür. Auf das "Herein", von Silvia öffnet sich die Tür und die Prinzen treten ein. Sofort erheben sich alle und machen einen Knicks. Auch Erica und Lyla, wenn sich die Jungs auch vor Lyla verbeugen. Dann beginnt einer zu reden:"Meine Ladys! Es ist die Zeit gekommen, dass wir uns etwas besser kennen lernen. Deshalb bitten wir Sie, sich in die Bücherei zu begeben. Die werden dann nach einander von einer Zofe zum Damensalon gebracht, wo ich und mein Bruder Jacob, je ein kurzes Gespräch zum Kennenlernen mit ihnen führen werden." Also war der, mit den dunkleren Haaren, denn im normalen Tageslicht war es ein Leichtes sie zu unterscheiden, und den bernstein farbenenden Augen Kale und der mit dem Bronze Haaren und den dunklen schoko Augen war Jacob, der mir letzte Nacht begegnet ist.
Also los.

Ich würde als letzte aufgerufen werden, also suchte ich nach etwas nach meinem Geschmack. Ich hatte schon oft von der Reihe Harry Potter gehört und suche nun alles ab. Und finde die Bücher. Ich setze mich direkt davor und schnappe mir Band eins von sieben. Ich habe gut die Hälfte des Buches gelesen, als ich aufgerufen werde. Also gehe ich zu der Zofe und mit ihr zum Damensalon. Als erstes muss ich mich Kale stellen.
Also warte ich, wie Silvia es uns erklärt hatte, auf ein Zeichen, dass ich zu ihm kommen durfte. Er lächelt mich freundlich an, und das nehme ich jetzt als Zeichen. Ich trete zu ihm hinüber und knickse tief. "Setzen Sie sich.", meint er und ich gehorche. Wie eben gerade eingetrichtert, sitze ich aufrecht und schaue den Prinzen an.
"Also, sie sind Lady Elisabeth, richtig?"
"Richtig!", antworte ich so gefasst wie es geht. Vor Kale habe ich irgendwie viel mehr Respekt als vor Jacob.
"Sie sind eine sechs. Wie groß ist Ihre Familie?"
"Meine Eltern leben beide noch, ich bin die älteste von sechs Kindern."
Er nickt und notiert sich etwas. "Wer in ihre Familie ist die ernährende Person?"
Er hat wohl so ne Ahnung aber lügen will ich nicht, auch wenn er es nicht als sehr damenhaft empfinden wird.
"Mein Vater ist krank und meine Mutter muss sich um meine einjährige Schwester kümmern also habe ich diese Verantwortung auf mich genommen. Ich möchte meinen Geschwistern die schulische Ausbildung ermöglichen, die ich nie hatte", antworte ich sehr ehrlich.
"Warum können sie dann soviele Sprachen sprechen und Instrumente spielen?"
"Meine Mutter war eine fünf. Sie hat mir alles beigebracht.
Als ich fünf war hat sie begonnen und mit 11 habe ich den ersten Job angenommen."
Wieder schreibt er etwas auf.
"Die Sprachen haben ich von meiner Tante mütterlicherseits gelernt, die aus Europa stammt."
Er sieht mich kurz erstaunt an und notiert sich wieder etwas.
"Weswegen sind sie hier?", fragt er mich nun.
"Ich habe mich beworben, doch ohne das ich mir Hoffnungen gemacht habe. Wo ich jetzt hier bin erhoffe ich zwar, die Gunst von einem von ihnen zu Gewinnen, jedoch kann ich nichts erzwingen und die Entscheidung liegt bei ihnen und ihrem Bruder."
Die Schmerzen werden Schlimmer und ich kneife mir als Gegenschmerz in die Hand.
"Danke für ihre Zeit! Sie können nun zu meinem Bruder gehen. Sie waren die letzte nicht wahr?"
"Ja, eure Hoheit"
Er steht auf was ich ihm gleich tue und knickse wieder tief. Dann gehe ich hinüber zu Jacob. Die Schmerzen werden nicht besser. Ich knickse wieder tief und er deutet mir an mich zu setzen. Ich folge seiner Aufforderung und setze mich gerade hin. Als ich die Tür zuschlagen höre, bin ich mir sicher, dass Prinz Kale gegangen ist.
Erst dann beginnt der Prinz mit dem Gespräch.
"Elisabeth, was ist da gestern Nacht passiert? Ich habe mir Sorgen gemacht. Habe ich etwas falsches gesagt? Oder getan? Haben sie sich bedroht gefühlt?", prasseln seine Fragen auf mich nieder.
"Es ist nichts schlimmes. Nur ein paar geprellte Rippen. Ich... Ich wollte einfach nicht... vor ihnen weinen. Und ich hatte es zu eilig, weshalb ich gestürzt bin." "Das tut mir so Leid..." bevor er weiter sprechen kann hebe ich vorsichtig die Hand und er schweigt. "Es ist ja nicht Ihre Schuld. Ich bin einfach so..." "Introvertiert?" Ich nicke. "Kann ich Sie für nachher auf einen Tee einladen? Damit wir uns besser kennen lernen können? Ich denke die Atmosphäre wäre dann entspannter?" Ich nicke mit einem breiteren Lächeln. Dann steht er auf und bietet mir den Arm an. Mit gesenktem Blick nehme ich an. "Darauf sollten Sie stolz sein, und sich nicht schämen." Ich lächle und richte mich richtig auf. Als wir den Raum verlassen erwartet mich eine Überraschung und ich bekomme Tränen in die Augen.
"Eure Hoheit, darf ich bitte meinen einzigen Freund den ich je hatte zur Begrüßung umarmen?", frage ich während ich ihn immer noch anstarre. "Meinen Sie meinen neuen persönlichen Diener in Sachen politische Schriften? Natürlich!"

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