„Querida, wie schön dich zu sehen!", freute sich Suarez Jr. ehrlich, als er um Punkt 20 Uhr ins Lokal kam. „Ich hoffe, du hast nicht zu lange warten müssen?"
„Alles gut, Mateo. Ich bin auch erst eben gekommen", antwortete ich.
Er hatte sich rausgeputzt. Mit seinem dunkelblauen hochwertigen Smoking, der edlen Seidenfliege und dem Einstecktuch sah man ihm sehr wohl seine Liquidität an, doch seine Aura wirkte viel freundlicher, viel inspirierender als gestern. Heute wirkte er wie ein erfolgreicher Unternehmer, dem die menschliche Gesellschaft sehr viel Gutes zu verdanken hatte. Heute wirkte er menschlicher.
„Ich habe uns einen privaten Tisch auf der Dachterrasse reservieren lassen. Die Aussicht wird dir gefallen! Können wir?", fragte Suarez Jr.
„Gerne", lächelte ich selbstbewusst, bevor wir er mir seinen Arm anbot und wir gemeinsam Richtung Lift gingen. Alejandro und der Leibwächter von Suarez Jr. folgten uns dicht.
Während Suarez mir erzählte, wie oft er heute an unsere gestrige Unterhaltung zurückdenken musste, musterte ich ihn unauffällig und versuchte den Menschen in ihm zu sehen.
Diese Ironie, sprach die Stimme in mir. Ich dachte irgendwie immer, dass man schlechten Menschen ihre Schlechtigkeit auch ansah. Vielleicht ist er eigentlich auch nur ein normaler Mensch, der das Imperium seines Vaters erbte, ohne dafür die Verantwortung tragen zu wollen. Aber dann hätte er sich längst für die andere Seite entscheiden müssen, anstatt all die Jahre vom Kartell zu profitieren.
„Du denkst zu viel nach, Liv", erinnerte mich Daniel per Headset-Ohrstöpsel daran, dass ich eine Mission zu erledigen hatte, anstatt mein Weltbild infrage zu stellen.
„Wenn ich gewusst hätte, wie bezaubernd du bist, hätte ich versucht deinen Vater kennen zu lernen, als er mit Javier den Vertrag gemacht hat. Vielleicht wärst du mir dann nicht so ein großes Rätsel", versuchte Suarez Jr. mir zu schmeicheln.
„Es ist doch das Geheimnisvolle an Menschen, die uns nicht mehr aus dem Kopf gehen und uns vermeintlich das ganze Universum bieten", flüsterte ich mit einem süffisanten Grinsen, bevor ich mich von ihm löste und bewusst zielstrebig und elegant bis zu dem gläsernen Geländer der Dachterasse ging, um die Umgebung einmal zu scannen. Fluchtwege zu planen. Fremde Beobachter zu suchen.
„Habe ich dir zu viel versprochen?", fragte Suarez, der sich inzwischen neben mich gestellt und seine kräftigen Arme auf dem Geländer aufgestützt hatte.
Ich sah zu ihm hinüber, schmunzelte, als ich feststellte wie sehr er die scheinbar grenzenlose Freiheit in sich aufzusaugen schien. Ich wandte mich wieder der Aussicht zu, um sie diesmal zu genießen.
„Es ist wunderschön. Die ganze Gegend hier ist wunderschön! Deswegen verbringe ich immer gerne ein paar meiner Urlaubstage hier", antwortete ich ihm schließlich. „Aber genug von mir. Erzähl mir etwas, das nicht die ganze Welt schon weiß."
„Nun gut, querida", begann er, legte seine Hand an meinen Rücken und er führte mich zu unserem privilegierten, etwas abgelegenen Tisch, wo es bestimmt etwas ruhiger und auch sicherer war. „Was möchtest du wissen?"
„Oh Mateo, dir wird doch irgendetwas über dich einfallen, dass nicht jeden Tag in der Zeitung steht", erwidere ich lachend. „Bist du nur der Erbe eines Kartells?", ziehe ich ihn auf, bleibe stehen und wende mich ihm voll zu. Mit erwartungsvollem Blick mustere ich sein markantes Gesicht.
Er wirkte auf den ersten Moment etwas überrumpelt über meine Direktheit. Doch gestern war genau das der Schlüssel zu unserem Treffen heute. Der Schlüssel zu seinem Interesse an Natalia. Jake und ich waren uns sicher, dass er genau das in einer Frau suchte. Ehrlichkeit.
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UNQUALIFIED
RomanceEr verwirrte sie so sehr, dass sie nichtmal mehr die Kaffeemaschine richtig bedienen konnte. Dieses Flattern im Bauch, wenn auch nur sein Name fiel. Das automatische Grinsen in ihrem Gesicht, wenn er ihr zulächelte. Doch sie hatte sich gewaltig in i...