Kapitel 16 - Taxi 6N23

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"Sie packt das schon. Sie war nur zum ersten Mal so wirklich verliebt", vernahm ich noch James' leise Worte an Anne.

"Nur Liebeskummer im Ausland ohne Menschen zum Reden ist verdammt hart", entgegnete Anne besorgt.

Sie stiegen wortlos in den Wagen und James startete den Motor.

~~~~~

Leicht gestresst lief ich nochmal durch alle Zimmer meiner Wohnung, um wie schon zig tausende Male davor festzustellen, dass alles sauber und aufgeräumt war und ich nichts vergessen hätte.

Im Bad öffnete ich nochmal alle Schränke und durchwühlte das Bisschen, was ich nicht für nötig hielt, um es mit einzupacken.

Für die Zeit, in der ich in Wien war, würde Anne in meinem Apartment leben, da sie die angehobene Miete ihrer Wohnung nicht mehr zahlen konnte.

Anstatt in ein spärliches Studentenwohnheim einzuziehen, bot ich ihr mehrfach an, sich doch bei mir einzuleben und wenn ich zurück wäre, würde wir das Leben als WG ausprobieren.

Das war die Abmachung, mit der Anne leben konnte.

"Ich buche jeden Monat so viel Geld wie möglich auf ein Sparkonto und du schreibst mir dann immer, wie viel ich dir überweisen muss, okay? Ich will nicht, dass du die Kosten trägst, die ich verursache! ...hast du das verstanden? Das ist mein voller Ernst!"

Ich schmunzelte bei dem Gedanken an ihre Worte und entschied mich, die Taxigesellschaft anzurufen, um mich zum Flughafen fahren zu lassen.

Es würde zwischen zehn bis zwanzig Minuten dauern, meinte die Auskunft. Ich hinterließ ihr meine Handnummer, sodass der Taxifahrer anrufen konnte, um mir zu sagen, dass er unten wäre.

Nach ca. fünfzehn Minuten ohne Anruf entschied ich mich trotzdem schon mal die Wohnung zu verlassen, schenkte ihr noch ein 'Bye bye!' und schloss von außen ab.

Im Aufzug wurde ich langsam nervöser, doch auch meine Vorfreude stieg ins Unbeschreibliche. Ich musste mich sogar kurz abstützen, da mir die Anspannung zu sehr zu schaffen machen. Atmen, erinnerte ich mich. Ruhig atmen.

Bling.

Sowie sich die Türen öffneten, sah ich wieder auf und schob meinen monströsen Koffer hinter mir her nach draußen.

Mein Handy klingelte, ich ging ran und im gleichen Moment sah ich auch schon das gelbe Taxi, dass auf meine Hausnummer zu fuhr.

"6N23?", fragte ich zur Sicherheit noch einmal nach und erhielt eine Bejahung.

Das besagte Taxi hielt perfekt vor meiner Tür und ein etwas dickerer südländischer Taxifahrer hievte sich aus dem Wagen, was mich schmunzeln lies und irgendwie atmete ich auch erleichtert aus. Man schaut sich eben doch immer die falschen Filme an, schimpfte ich mich selbst scherzhaft.

"Hey, ich bin Olivia Parker. Ich müsste zum Flughafen, J.F.K.", informierte ich ihn und bewegte mein gut bepacktes Gefährt zum Kofferraum.

"Alles klar, Miss Parker. Ich mach' das schon", entgegnete er mir und nahm sich sogleich dem Koffer an.

"Danke", erwiderte ich und stieg auf die Rückbank ein, schrieb meiner Familie, Anne und auch James, dass es jetzt wirklich losginge. Also so richtig. Jetzt.

Weil ich es so unglaublich spannend fand, entschied ich mich auch allen anderen Bescheid zu geben, indem ich in die WhatsApp-Gruppe fürs etwas ähnliches hinein schrieb.

Während wir durch New Yorks Straßen fuhren, sah ich gebannt aus dem Fenster und sog alle mir so bekannten Gebäude, Straßen, Ampeln, Busse, Parks und allgemein die verschiedenen Stadtteile so gut wie möglich in mir auf.

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