Kapitel 19 - Ein neuer Tag

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"Aívilo?", hakte ich interessiert nach, doch ich erhielt absolut keine Reaktion.

Schweigend aß ich diesmal mein Brot mit Nutella und ein paar Kirschen zwischendurch. Als letztes schob ich mir noch ein paar Stücke von der frisch geschnittenen Ananas in den Mund.

"Wir müssen los, das Team-Meeting ist gleich", kündigte Grace uns beiden an und stand auf. Dann würde ich heute also Blondie kennenlernen. Super...

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Ich versuchte wie immer an mir herum zu zupfen, um Wogen zu Glätten oder die Passform zu richten. Aber der Lederanzug saß so eng anliegend, dass es nicht wirklich viel zu korrigieren gab, außer den Reißverschluss meines Ausschnittes weiter nach oben zu ziehen.

Ich fühlte mich plötzlich doch nicht mehr so gut darin. Denn obwohl ich den Stoff gemütlich fand, war mein Körper darin bloßgestellt. Ich hatte irgendwie keinen Schutz mehr und starrte beschämt zu Boden.

Ich nahm in meinem Augenwinkel wahr, wie Jake an mir vorbei lief und mich von oben bis unten musterte. Ich sah ihm nach, wie er voraus lief und sich zu Grace gesellte.

Was mache ich hier nur?, fragte ich mich verzweifelt. Wie konnte mir so etwas passieren? Warum ich?

Am liebsten wäre ich Zuhause, wirklich Zuhause bei meinen Eltern unter dem Kirschbaum im Garten. Da hatte ich immer meine Ruhe, konnte mich auf der Holzschaukel, die von einem Ast herunter hing, hin und her wiegen und die Ruhe in mich aufsaugen.

Nachdenken, einfach nur eine Menge überdenken und analysieren. Oder nichts tun. Einfach mal an nichts denken und auch nichts fühlen.

Gefühle kann man nicht abstellen, das wusste ich. Aber ich hatte mir noch nie so sehr wie jetzt gewünscht, dass es irgendeine Möglichkeit dazu gäbe.

Ich nahm einen tiefen Atemzug und redete mir gut zu.

Jake und Grace verschwanden nach links in die Wand und als ich verwundert hinterherkam, entdeckte ich eine große Tür, die sich geöffnet hatte.

Ich folgte ihnen weiter und erblickte dieselben Betonwände wie vorhin, die irgendwie künstlerisch formiert waren. Dieser Raum war kein Rechteck. Vielmehr ein Oval, wobei durch eine Seite das fröhliche Sonnenlicht hindurchstrahlte. Die Glaswand war so riesig und geschwungen, dass ich beeindruckt den Atem anhielt und in einem Stoß ausatmete.

Ich wandte mich nach Jake's Husten von der atemberaubenden Aussicht ab und wandte mich zu  ihm und Grace, bei denen ich auch die Technikerin von vorhin wieder erkannte.

"Hey, ich bin Serena und will dir erklären, wie das die nächsten Wochen abläuft", sprach sie, ihr Körper war mir zugerichtet. Ihr leichtes Lächeln war freundlich. Immerhin etwas, was hier anscheinend alle außer Jake konnten.

"Liv", nannte ich ihr auch meinen Namen und sah noch einmal kurz zu dem wahnsinnigen Panorama der felsigen Berge, dessen Gestein leicht rötlich oder orange schimmerte, und wandte mich dann wieder in ihre Richtung, lief auf sie zu.

"Die nächsten Wochen wirst du einem intensiven Training unterzogen, damit deine Kräfte gestärkt werden...", begann sie zu erklären, was ich bereits gehört hatte.

Auch hier waren dunkellederne Couches aufgestellt, doch ich nahm bei den anderen am großen Besprechungstisch Platz und legte meine Hände nervös in meinen Schoß, sodass ich zur Beruhigung mit ihnen spielen konnte.

Ich musste mich bemühen, sie nicht zu hektisch zu bewegen, da der Tisch aus Glas war. Ich schlug ein Bein über das andere und versuchte die Nervosität zu verstecken, die sich immer mehr verstärkend in mir ausbreitete.

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