Kapitel 9 - Kochen bei James

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Dann hatte ich ja noch knapp vier Stunden. Ich sperrte die Tür auf, legte mein Smartphone und die Hausschlüssel beiseite und zog mich auf dem Weg ins Bad aus. Ich wollte so schnell wie möglich duschen.

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Erst nachdem mein Handy das zweite Mal angefangen hatte, Annes Klingelton zu spielen, öffnete ich verschlafen die Augen und stützte mich kraftlos auf meinen Ellenbogen ab. Ich wischte mir murrend den Schlaf aus den Augen, setzte mich langsam gerade auf, damit mein Körper sich an die plötzliche Aktivität gewöhnen und die Sauerstoffzufuhr erhöhen konnte. Ich starrte schlaftrunken auf meinen Kleiderschrank.

Der Klingelton spielte weiter.

Ich stand auf und lief Schritt für Schritt zu meiner Tasche im Flur, die sich seit meiner Ankunft Zuhause keinen einzigen Millimeter bewegt hatte. Ich setzte mich auf den Boden daneben, kramte in ihr herum und lehnte mich schließlich an die Wand an, mit geschlossenen Augen.

„Hm?", fragte ich, kurz bevor ich nochmals einnicken würde.

„Guten Morgen, Maus!", trällerte Anne vergnügt in mein Ohr.

Der Boden war kalt. „Was gibts denn?"

„Wir sind bei James und wundern uns, warum du noch nicht da bist. Aber das hat sich ja jetzt geklärt", erzählte sie mir. Ich spürte ihr warmes Lächeln.

„Heute ist Freitag, oder? Der peinliche Tag, an dem der Höhepunkt der Blamage in meinem bisherigen Leben stattgefunden hat...", fiel es mir gezwungenermaßen wieder ein. Ich wollte das einfach nur verdrängen und vergessen.

„Umziehen, Zähne putzen und dann kommst du pünktlich für das Essen", versuchte sie mich aufzumuntern. Ein gemütlicher Filmabend mit den besten Freunden war sowieso immer ein tolles Erlebnis.

Ich rappelte mich vom kalten Boden auf lief ins Bad.

„Okay, ich brauche ca. 15 Minuten", informierte ich sie, blickte dabei in mein Spiegelbild. „Sagen wir lieber mal 20 Minuten", verbesserte ich mich, stand nach vorne gelehnt über dem Waschbecken und ärgerte mich innerlich über die neuen Pickel auf meiner Stirn. Irgendwann müssen die doch mal aufhören hervorzusprießen.

„Ciao!", hörte ich schließlich alle anderen aus James Wohnküche rufen. Ich beendete den Anruf, legte das Handy beiseite und wusch mir das Gesicht.

Der Schlaf hatte mir wirklich gut getan. Ich war ungefähr eine halbe Stunde unter dem warmen Wasser gestanden, ließ es auf mich herunterprasseln und freute mich daher auf die Rechnung.

Immerhin konnten dabei mein Körper und Kopf so schön runterfahren, dass ich anschließend auf meinem Bett gedankenlos eingeschlafen war. Der eigentliche Plan lautete, sich nur kurz komplett ausgestreckt auf den Rücken zu legen und damit die Wirbel zurück in ihre eigentliche Position knacksen zu hören.

~~~~~

Am Eingang angekommen, klingele ich ungeduldig gleich zweimal hintereinander, als ob das die verlorene Zeit wieder aufholen könnte.

Ich brauchte unbedingt eine Ablenkung von dem heutigen Morgen, dieser Horror-Blamage vom Feinsten.

Dave hatte mir inzwischen noch zwei Mal geschrieben, dass es ihm Leid tat. Einmal kurz bevor ich duschen gegangen war und das zweite Mal als ich gestresst ins Auto gehechtet bin.

Während der Fahrt zu James' Apartment konnte ich an nichts anderes denken, als den enttäuschten Gesichtsausdruck anstatt Nathan's wundervollem Lächeln. Wieso war er mir eigentlich so wichtig?

James fragte gar nicht mehr durch die Sprechanlage, ob ich es wirklich sei. Dafür kannte er mich und meine schlechten Angewohnheiten viel zu gut.

Oben angekommen, stand die hölzerne Eingangstür schon sperrangelweit offen, südländische Musik hallte durch den Flur bis nach draußen ins Treppenhaus und ich hörte das Öl in der Pfanne zischen.

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