Kapitel 9 - Wer so eine Familie hat, braucht keine Feinde

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„Sag mal, habe ich etwas verpasst, oder wieso war es dem werten Herrn auf einmal so wichtig, dass wir jetzt sofort verschwinden?“, fragte ich, als wir schon ein Stück die Gänge entlanggegangen waren. „Nein, hast du nicht, aber Luc wollte ein bisschen mit Marenia allein sein, wenn du verstehst“, sagte er erheitert. „Total“, entgegnete ich mit einem Nicken. Er stieß einen Ton aus, der so klang wie ein kleines Lachen. Na ja, nicht wirklich, aber fast. Ich wirbelte sofort herum und sah ihn schockiert an: „Geht es dir gut? Also, ich meine, das hat sich angehört, als ob das ein Lachen werden sollte! Oder erstickst du hier gerade einfach nur? Wenn ja, schreie ich das ganze Gebäude zusammen …“ Ich konnte den Satz nicht weiter ausführen, da ich von einer Vision unterbrochen wurde.

Es war dunkel. Der Saal, in dem ich mich befand, wurde schwach von Kerzen erleuchtet. Die verhüllte Gestalt, die ich in meiner letzten Vision gesehen hatte, kniete nun vor einem Thron, auf dem ein Mann mit rotem Ring saß – ein Vampir. Ich konnte zwar nur vermuten, dass es sich bei dem Verhüllten um denjenigen handelte, den ich in meiner letzten Vision gesehen hatte, aber ich spürte einfach, dass ich Recht hatte. Der Vampir auf dem Thron sprach mit dröhnender Stimme: „Wo ist die Visia? Wieso hast du sie nicht mitgebracht? Es wird Zeit, sie zu nutzen! Und du solltest sie mir beschaffen!“ Die Stimme klang dröhnend und ehrfurchtgebietend. „Sie ist fort, sie ist bei dem Sinnar, den ihr auslöschen wollt. Wir haben sein Blut in der Wohnung gefunden.“ Der Verhüllte erhob sich und streifte die Kapuze ab. Zum Vorschein kam ein Vampir, den ich nur allzu gut kannte.

Als die Vision vor meinen Augen verschwamm, sah ich Kyries besorgtes Gesicht. Mein Gehirn fühlte sich an, als ob es nur aus Kirschgrütze bestünde. Eine Träne lief mir die Wange hinunter. Kyrie strich sie mir weg und fragte besorgt: „Hey, was hast du gesehen? Alles ist gut, das war nur eine Vision. Dir passiert hier nichts.“ Meine Tränen liefen nun in Strömen über meine Wangen. Ich schluchzte und brachte hervor: „Nichts ist gut! Aus irgendeinem Grund will mich der Vampir haben, der hinter dir her ist. Hinzu kommt, dass derjenige, der mich diesem Vampir ausliefern will, niemand anderes als mein Vater ist!“

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