Kapitel 26 - Das Eindringen

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Ilianas Sicht

Auf der Fahrt zu Claudes Burg ging Luc noch einmal den Plan durch. Eliot fuhr den geräumigen, schwarzen Van, in dem wir alle genug Platz hatten. Ich hatte mich zurückgelehnt, sodass ich an Kyries Brust lag. Er umarmte mich von hinten und sein Kopf ruhte auf meiner Schulter. Es war ein komisches Gefühl. Kyrie hatte sich für den Kampf fertiggemacht, das hieß, ich saß auch zwischen allen möglichen Waffen, die Kyrie am Körper trug. Und doch, auch wenn überall seine Waffen um mich herum waren, fühlte ich mich sicher und kein bisschen davon bedroht. Ich wusste, dass er alles tun würde, damit ich nicht verletzt werden würde. Eliot hielt ein paar Straßen von der Burg entfernt an und bezog Position. Wir anderen würden den Rest zu Fuß gehen. Noah und Sarafina lösten sich von unserer Gruppe. Sie würden die Burg von vorne stürmen und die Vampire und Lakaien ablenken. Wir würden uns von hinten vorarbeiten.

Wir waren an einer Mauer angekommen, hier blieb Kilian stehen. „Sie meinte, dass wir hier rein müssen“, er deutete auf einen kaum sichtbaren Riss in der Mauer und zog ihn auf. Bevor ich dort hineinging, hielt ich Kyrie zurück und flüsterte ihm ins Ohr: „Du bleibst am Leben, verstanden?! Ich habe noch vor, mich mit dir zu verbinden, also nicht sterben!“ Danach küsste ich ihn und folgte den anderen durch die Mauer. Wir standen in einer kleinen Gasse, hier war es sehr dunkel und die Gasse wurde nur von einer Fackel in der Ferne spärlich beleuchtet, trotzdem konnte ich ausgezeichnet sehen. Ob das wohl etwas mit meiner durch Blut verstärkten Vampirseite zu tun hat? Wahrscheinlich. Kyrie schob die Mauer wieder an ihren richtigen Platz. Ich ergriff seine Hand, einen kleinen Weg würden wir noch zusammengehen, dann würden wir uns aufteilen. Wir gingen kaum ein paar Minuten, bis wir eine Wache entdeckten. Marenia schlich sich sofort an sie heran und beendete sein Dasein mit einem gekonnten Messerstich, direkt ins Herz. Wow, der Vampir hatte sie noch nicht einmal bemerkt, und schon war er tot. Kilian gab uns ein Zeichen, dass wir jetzt einen anderen Weg einschlagen würden.

Serafinas Sicht

Die Ablenkung lief insgesamt gut. Und Spaß machte sie auch noch! Das war hier wirkliches Töten am Fließband. Und es waren so viele Vampire, die hier ihr Leben ließen, wunderschön! Überraschenderweise gab es sehr wenige Lakaien. Na ja, mir soll's egal sein. Ich schielte zu Noah hinüber, er kämpfte so wie immer. Kalt. Schnell. Präzise. Das Schlimme war, er verhielt sich genauso bei allem anderen, was er tat.

Ich hoffe, wenn das hier vorbei ist, Sinata gerettet ist. Sie ist meine beste Freundin. Und diese Zeit, in der sie gefangen genommen wurde, macht mich fertig. Deswegen macht es mir nur großen Spaß, diese Schergen von Claude zu töten. Ich will endlich die Rache an dem Dreckskerl haben, der mir meine Freundin nahm!

Kilians Sicht

Ich spürte ganz deutlich, wo sich Ada befand. Sie war nicht mehr weit, nur noch ein paar Gänge weiter. Ich spürte, wie sie auf uns zukam. Ich blieb an einer Ecke stehen und machte den anderen ein Zeichen, es mir gleichzutun. Sie blieben sofort stehen. Es waren Schritte im Gang zu hören. „Was machst du hier?“, hörte ich Adas Stimme und wollte antworten. Doch eine andere männliche Stimme antwortete ihr: "Man sollte wohl eher fragen, wieso du dich überhaupt bewegen kannst. So, wie der Meister dich zugerichtet hat, hättest du eigentlich noch in einer Ecke deines Zimmers liegen und darauf warten sollen, dass irgendein niederer Vampir die Gunst nutzt, um das Spielzeug des Meisters zu vergewaltigen“ Iliana, die neben mir stand, kochte vor Wut, genauso wie ich.

Ilianas Sicht

Am liebsten würde ich diesem Arsch den Kopf abdrehen! Adas Worte stärkten diesen Wunsch noch um ein Weiteres: „Musst du gerade sagen, na ja, du kannst ja aus Erfahrung sprechen, wer hat es denn nicht geschafft, eine kleine hilflose Visia, die noch nicht einmal halb so stark war, wie sie es hätte sein können, für den Meister zu züchten? Ohhh, Pardon, gezüchtet hast du sie ja sogar vortrefflich, doch sie an den Meister auszuliefern, war wohl zu schwer? Na ja, guck dich an, du bist nur noch ein Stück Elend, seit du nicht mehr die Gunst des Meisters besitzt!“ „Du weißt ganz genau, dass ich diese Visia hätte ausliefern können, wenn da nicht dieser verdammte Sinnar dazwischengekommen wäre! Ich werde ihn noch töten und dann kann die Visia von mir aus versklavt werden“, sagte mein Vater mit solcher Verachtung, dass mir der Kragen platzte. „Nein, Papi, ganz falsch“, sagte ich ruhig und trat um die Ecke. Mein Vater machte ein erstauntes Gesicht, danach folgte ein grausames Lächeln. Wahrscheinlich dachte er, er könnte diese Visia dem „Meister“ bringen, um sie versklaven zu lassen. Genau dasselbe Lächeln bildete sich auch auf meinem Gesicht. Ich sah ihm direkt in die Augen und sagte: „Träum schön.“

Sofort fing er an zu schreien, fing an, um sich zu schlagen und seine Haut blutig zu kratzen. Und es machte mir rein gar nichts aus. Er durchlebte gerade seinen selbstgeschaffenen Höllentrip. Durch meine Verschleierung konnte ich auch andere das erleben lassen, wovor sie am meisten Angst hatten, ohne selbst zu wissen, was dies war. Mir wurde eine Hand auf die Schulter gelegt – Enrique. „Beende es, Kyrie wird sich Sorgen um dich machen“, meinte er sanft. Ich ging zu meinem Vater und zog sein Messer aus der Scheide. Ich warf es neben ihm auf den Boden. Dann sah ich mir an, was mein Vater sah.

Tausende von Käfern, die auf ihn zukrabbelten, sich in seine Haut bohrten und in ihm weiterkrabbelten.

Widerlich. Enrique hatte recht, ich sollte damit aufhören. Das war die Rache an meinem Vater, aber ich war keiner dieser Leute, die sich am Leid anderer ergötzten. Ich ließ die Käfer von seinem Messer, das nun auf dem Boden lag, wegkrabbeln. Sofort richtete sich sein Blick darauf und er stürzte darauf zu. Kaum eine Sekunde später steckte das Messer endgültig in seinem Herzen. Ich ließ die Vision verebben und er sah mich an. Er sah mich mit schreckgeweiteten Augen an. Dann erschlaffte sein Körper und er wurde regungslos.

Früher wäre ich zusammengebrochen, nach so einer Verschleierung und würde  jetzt erst einmal für Stunden bewusstlos sein. Aber ich fühlte noch nicht einmal eine Art von Schwindel. Ich sah in die geschockten Gesichter um mich herum. „Er hat es verdient, er hatte Schlimmeres als das mit mir vor! Solltest du uns nicht jetzt zu Sinata führen, Ada?“, meinte ich schlicht.

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