Kapitel 14

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Ich genieße die restliche Zeit in der Therme, auch wenn mich Colin ständig anglotzt, als wäre ich ein Ausstellungsstück in einem Museum. Aber was soll's. Soll er sich doch an dem schönen Anblick erfreuen, wenn er meint.

Doch so wie alles ein Ende hat, geht auch dieser Tag irgendwann vorüber und so sind wir irgendwann wieder bei unseren Liegestühlen und packen unsere Sachen zusammen.

„Hey Schnucki, lass mich den Anblick noch ein letztes Mal genießen, bevor du dich wieder in so etwas unnötiges wie Klamotten reinzwängst", sagt Colin, als wir kurz davor sind, in die Umkleidekabine zu verschwinden.

Ich zeige ihm bloß den Mittelfinger, spaziere aber provokant arschwackelnd weiter, was Colin ein Lachen entlockt. Wieso höre ich eigentlich schon auf diesen dummen Spitznamen? Als hätte ich mich schon daran gewöhnt, dass er mich so nennt. Ich muss mir eindeutig etwas überlegen, was das betrifft.

Eine halbe Stunde später, nachdem meine Haare endlich halbwegs trocken sind, gehen wir raus zu den Jungs, die schon ungeduldig auf uns warten.

„Warum braucht ihr Mädels bloß immer so lange?", fragt Finn eher amüsiert, als genervt.

„Sorry, wir haben eben nicht so kurze Haare, wo man einmal mit dem Handtuch drüber geht, damit sie trocken sind", antwortet Lilly.

„Na dann. Lasst uns aufbrechen", meint Ryan und so verlassen wir das Gebäude.

„Wir sehen uns am Montag", verabschiedet sich Colin zwinkernd von mir. Finn gebe ich noch eine kurze Umarmung und schon sind die beiden wieder weg. Vielleicht sollte ich öfter etwas mit Finn unternehmen. Er könnte ein wirklich guter Freund werden, auch wenn er ein paar Jährchen älter ist.

„Soll ich dich direkt nach Hause fahren, Lilly?", fragt Ryan, während wir in sein Auto einsteigen.

„Ja, das wäre nett", antwortet sie.

„Da läuft doch was zwischen euch", sagt mein Bruder, nachdem wir Lilly abgeliefert haben.

Ich werfe ihm einen skeptischen Blick zu. „Achja? Das wäre mir neu."

„Siehst du? Du weißt sogar sofort, wen ich meine", grinst Ryan.

„Wie sollte ich das auch nicht wissen? Du wirst wohl kaum Finn meinen und außer Colin war kein Junge bei uns."

„Finn hätte es doch auch sein können."

Ich will schon rausplatzen, dass Finn schwul ist, aber im letzten Moment halte ich mich zurück. Nicht ich sollte diejenige sein, die das ausplaudert. Das ist immer noch seine Entscheidung, ob er es jemandem erzählt, oder nicht.

„Ich kenne ihn doch erst seit gestern und außerdem hast du letztens auch schon etwas wegen Colin gesagt", rede ich mich raus und hoffe, dass er es mit abkauft. „Und selbst wenn was laufen würde, was nie passieren wird, würde es dich nichts angehen."

„Okay, ich bin ja schon still. Tut mir leid, dass ich neugierig bin", murmelt mein Bruder.

„Erzähl mir doch, was bei dir so läuft. Ich erfahre doch auch nie etwas von Mädchen in deinem Leben", beschwere ich mich und das stimmt. Ich habe schon lange nicht mehr mitbekommen, dass irgendein Mädchen bei Ryan war. Früher war das noch öfters der Fall.

„Da gibt es zurzeit nichts Spannendes zu erzählen", antwortet er, doch ich merke sofort, dass er mir nicht die ganze Wahrheit erzählt. Dafür kenne ich ihn zu gut.

„Und das heißt was?", frage ich nach und sehe ihn auffordernd an, auch wenn sein Blick auf die Straße gerichtet ist.

Es dauert einen Moment, bis er mir antwortet. „Das heißt ganz einfach, dass es gerade nichts zum Erzählen gibt."

Ich beobachte seine Reaktion ganz genau. Er kneift die Augen etwas zusammen und umklammert das Lenkrad fester. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er frustriert ist. Ja, vielleicht interpretier ich da jetzt zu viel hinein, aber ich behaupte mal, es ist einfach so.

„Es gibt ein Mädchen", stelle ich also fest. „Was ist mit ihr? Ist sie vergeben? Weiß sie nicht, dass du existierst? Oder ist sie lesbisch?", hake ich nach und muss mich zusammenreißen, bei meiner letzten Aussage nicht laut loszulachen. Das wäre auch zu lustig, wenn Ryan sich in ein lesbisches Mädchen verliebt hätte.

Ryan sieht mich kurz verwundert an, dann konzentriert er sich wieder auf die Straße. Seine Antwort bleibt aus. Ich gebe es vorerst auf, ihn auszufragen, doch ich werde schon noch dahinterkommen, da bin ich mir sicher. Vielleicht weiß Finn ja irgendwas darüber, obwohl die Wahrscheinlichkeit nicht besonders hoch ist. Schließlich reden Jungs nicht so gern über ihre Gefühle, oder? Zumindest Ryan ist nicht so der Typ, der sich mit anderen Jungs die Zehennägel lackiert und dabei über Mädchen quatscht, die er mag.

Zu Hause angekommen lasse ich mich sofort in mein Bett fallen. Auch wenn es noch nicht so spät ist, bin ich ziemlich erschöpft von dem Tag. Es dauert also nicht lange, bis ich eingeschlafen bin.

Den ganzen Sonntag versuche ich noch herauszufinden, was es mit dem mysteriösen Mädchen in Ryans Leben auf sich hat, doch er ist so schweigsam wie ein Stein. Ich mache in meinen Ermittlungen absolut keine Fortschritte, aber das wird mich nicht davon, es in Zukunft weiter zu probieren.

Am Montagmorgen bin ich so motiviert, wie man es an einem Montagmorgen nur sein kann. Also gar nicht.

Das Leben verfluchend stehe ich auf und mache mich bereit für die Schule. Genervt verlasse ich das Haus und werfe den kleinen Kindern im Bus einen vernichtenden Blick zu, da sie laut durch die Gegend schreien.

Lilly scheint von meiner schlechten Laune einfach nur amüsiert zu sein, wofür ich ihr am liebsten den Kopf abreißen würde. Aber es wäre wirklich unpraktisch, die einzige Freundin, die ich habe, unter die Erde zu befördern.

Bei der Schule merke ich sofort, dass heute irgendwas anders ist. Viele Schüler stehen eng beieinander und tuscheln über irgendwas, während sie immer wieder in eine Richtung schauen. Ich folge ihrem Blick und entdecke schließlich Colin, Chris und Aiden, doch sie sind nicht allein. An Colins Seite steht ein hübsches Mädchen, das sich gerade lachend mit ihm unterhält.

Skeptisch beobachte ich das Szenarium. Seit wann haben die drei ein Mädchen in ihrem Kreis aufgenommen? Auch wenn sie sich auf Partys immer wieder jemanden aufreißen, bleiben sie in der Schule meistens doch unter sich. Umso mehr verwirrt es mich, dass Colin ziemlich vertraut mit dem fremden Mädchen umgeht.

Naja, ist nicht mein Problem. Ich straffe meine Schultern und stolziere an ihnen vorbei, doch bevor ich das Hexenhaus betreten kann, hält Colins Stimme mich zurück.

„Hey Vivien! Warum so eilig?", ruft er mir zu. Wow, er nennt mich bei meinem Namen. Habe ich irgendwas verpasst, oder was ist hier los?

„Kann dir doch egal sein", rufe ich zurück, bleibe aber trotzdem stehen und drehe mich zu ihnen um.

Die fremde Blondine schaut immer wieder von mir zu Colin und wieder zurück. Was will die von mir? Kann sie nicht wo anders hinschauen?

„Ach, wie ich deine liebliche Stimme schon vermisst habe", sagt er und setzt einen verträumten Blick auf. Die Blondine zieht ihre Augenbraue nach oben und mustert mich skeptisch. Innerlich muss ich Grinsen. Anscheinend gefällt es ihr gar nicht, wie Colin mit mir redet.

„Weiß ich doch, Schätzchen", antworte ich zuckersüß und muss mich zusammenreißen, um bei dem Blick der Fremden nicht laut loszulachen.

„Und wer bist du?", mischt sie sich nun nicht besonders freundlich ein.

„Wüsste nicht, warum ich dir das verraten sollte", erwidere ich lässig. Dann zwinkere ich Colin auffällig zu, sodass die Blondine es ja mitbekommt und mache mich schließlich auf den Weg zu meinem Unterricht. 

Beziehung für eine NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt