Kapitel 20

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Kota betrachtete seinen weißen Atem, der sich in dem schwachen Lichtschimmer abzeichnete, welcher durch die wenigen Ritzen der steinigen Decke in den Kerker drang. Es war ein weiter Weg für die Sonne bis nach unten, doch dieser Hauch von einem Lichtstrahl hatte es geschafft. Sehnsüchtig hielt er seine Hand hinein und betrachtete das Glitzern seiner Hautstrukturen darauf. Wie er die Sonne vermisste, das warme Gefühl auf der Haut ... Freiheit.

Er trat einen Schritt vor und fuhr nun mit dem Finger über das rostige Stahl der Gittertüren. Aufgrund seiner eingefrorenen Hände spürte er es kaum. Es war stockfinster. Die wenigen Schimmer des Tageslichts waren die einzigen Lichtspender weit und breit. Nacht für Nacht hörte er das Stampfen und Zischen der Feuerkrieger die in der Miene herumwerkelten. Aber manchmal drangen auch andere Geräusche aus den Tiefen des Berges herauf, unheimliche Geräusche, und er hoffte stets, dass es nur die Ratten waren. Wäre Kyteii nicht bei ihm, hätte er mit Sicherheit schon längst den Verstand verloren. Mit ihm konnte er darüber rätseln, was man wohl mit ihnen vorhatte, sich um Yami und Kaya sorgen, und darüber streiten, was wohl als nächstes geschehen könnte.

Seufzend drehte er sich zu Kyteii um, der auf einer kleinen Holzbank in der Ecke saß. Sein schwarzes Haar war völlig zersaust von den vielen unruhigen Nächten, die sie hier verbracht hatten. Dunkle Ringe unterstrichen seine Augen und noch immer waren kleine Schrammen auf dem Gesicht, die er von der Schlacht davongetragen hatte.

"Erinnerst du dich noch an das Lied, dass Mom immer mit uns sang, während die Feuerkrieger unser Dorf angriffen?", wollte sein kleiner Bruder plötzlich wissen.

Kota nickte, obwohl ihm unklar war worauf Kyteii hinauswollte.

"Das Lied vom kalten Nordwind, der die Wellen erzeugt und in bitteren Nächten den Mond heraufbeschwört. Er sollte den Wasserbändigern Kraft schenken und das Feuer aus der Welt vertreiben ..."

Kyteii lehnte seinen Kopf an die Wand und begann leise, es zu summen.

Für gewöhnlich musste Kota immer lächeln, wenn Kyteii dieses Lied anstimmte ... doch dieses Mal verschlug es ihm die Sprache. Es lag etwas trauriges in seiner Stimme ... etwas hoffnungsloses, bitteres. Als würde schon alles verloren. Es erinnerte an ihre Heimat, an ihre Eltern ... und an Kaya. Irgendwann verfiel auch Kyteii in ein nachdenkliches Schweigen, bis er sagte: "Nach der Sache mit Mutter hast du es mir immer wieder vorgesungen, um mich zu trösten."

Daran erinnerte sich Kota noch genau. An jedes einzelne Mal, das er es gesungen hatte.

"Dabei warst du so ein schlechter Sänger.", fügte er noch hinzu und lächelte traurig.

Kota setzte sich neben seinen Bruder. "Du hast es sehr schwer gehabt ... doch Kaya hat damals kein einziges Mal geweint.", erinnerte er sich. "Ich habe mich schon gefragt, ob mit ihr irgendetwas nicht stimmt ... aber sie war einfach nur so stark."

Kyteii warf ihm einen Blick zu, ehe er ihm die Hand auf die Schulter legte. "Und das ist sie jetzt auch, da bin ich mir ganz sicher."

Kota nickte eifrig und lehnte sich ebenfalls gegen die kalte Mauer, deren unsauber verarbeiteten Steine sich in seinen Rücken drückten. Gemeinsam starrten sie in den schwachen Lichtschimmer, als Kyteii wieder begann, das Lied zu singen. Es dauerte nicht lange, da stimmte Kota mitein.

"Ruhe ihr zwei!!!", brüllte irgendwan einer der Feuerkrieger zu ihnen hinein und trat demonstrativ gegen das Gitter. "Die gehn mir echt gewaltig auf die Nerven ... !"

"Beruhig dich ... ", antwortete ein weiterer. "Gleich nach der Hinrichtung der Königsfamilie sind die dran ... !"

Kota und Kyteii fuhren hoch. Akio, Shya und Marek würden schon bald hingerichtet werden!? Und danach würde man sie töten ...

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