Trautes Heim

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Sooo, nachdem die letzte Woche bissl... sehr stressig war und ich zu nichts gekommen bin, hier nun endlich das neue Kapitel^^

An dieser Stelle auch mal ein Dankeschön für die ganzen bisherigen Views und Votes - und ein besonderes Dankeschön an InkofInspiration für die lieben, motivierenden Kommentare! (:

Und jetzt genug geschwafelt, ich wünsch euch viel Spaß mit dem neuen Kapi! :D

                                                                                         

Am Abend des 29. Februars ist es dann soweit –ich werde auf die restlichen Rekruten losgelassen. Die Akademie des KGB liegt passenderweise im Dserschinskij-Viertel. Klar, warum sollte man eine Akademie für Spione und zukünftige Mitglieder einer unterdrückerischen, politischen Polizei nicht in ein Viertel stellen, das nach dem Mann benannt ist, der den ersten Geheimdienst der Sowjetunion gegründet und seine Methoden bis heute so nachhaltig geprägt hat? Mit einem mehr als mulmigen Gefühl im Bauch hocke ich also auf dem Rücksitz eines weiteren schwarzen Wagens mit getönten Scheiben und starre aus dem Fenster.

Der Himmel über Nowosibirsk hat mittlerweile ein intensives Dunkelblau angenommen, die langen Schatten der Abenddämmerung haben sich schon längst über die wenigen Häuser in dieser seltsam ländlich anmutenden Gegend gelegt. Offen gestanden kann man diesen Ort eigentlich nur als heruntergekommen bezeichnen. Wir befinden uns bereits am äußersten Rand der Stadt, die Straße ist kaum mehr als ein Schotterweg und wo sie asphaltiert ist, verwandeln tiefe Schlaglöcher die Reise in eine ruckelige Kutschfahrt. Die Fenster der verwahrlosten Häuser sind nicht mehr als klaffende Löcher in den mal mehr, mal weniger massiven Wänden. Sie erinnern mich an die weit aufgerissenen Mäuler von Dämonen und die wenigen Glassplitter, die von den zumeist eingeschlagenen Fensterscheiben noch übriggeblieben sind, an Fangzähne. Hier und da fahren wir an deutlich herrschaftlicheren, fast schon altehrwürdigen Villen vorbei, doch die Büschel Unkraut, die selbst noch durch die Schneedecke hindurchspitzen, und die abgeblätterten Farben ihrer Fassaden zeugen auch hier von jahrelanger Vernachlässigung.

Doch nach einer Weile verschwinden selbst diese wenigen Zeugnisse, dass hier einst Menschen gewohnt haben könnten, und weichen stattdessen einem dichten Kiefernwald. Kaum zu glauben, dass wir uns tatsächlich noch in einer Großstadt befinden. Aber schon nach wenigen Fahrtminuten werde ich plötzlich von grellem Scheinwerferlicht geblendet, ehe wie aus dem Nichts hinter den Nadelbäumen eine meterhohe Steinmauer aufragt. Als mir der dichte Stacheldraht auf besagter Mauer, sowie die Wachtürme auffallen, läuft es mir eiskalt den Rücken herab. Schwer schluckend muss ich mich zusammenreißen, um nicht die Autotür aufzureißen und aus dem fahrenden Wagen zu springen. Beruhige dich, Lis, das ist die Akademie. Natürlich herrschen hier verstärkte Sicherheitsmaßnahmen, was dachtest du denn? Dennoch können meine Rationalisierungsversuche nicht verhindern, dass ich anfange zu zittern wie ein Blättchen im Wind.

Mein namenloser Fahrer, der noch kein einziges Wort mit mir gewechselt hat, hält bei einem Wachhaus und zeigt einem Wachposten ein paar Dokumente, woraufhin ein weiterer Soldat mit Hund hinaustritt und das Auto überprüft. Mein Gott, die tun hier so, als ob sie Chruschtschow selbst überwachen würden und nicht bloß ein paar Rekruten! Wenigstens dauert die Kontrolle nicht allzu lange und der Wachposten öffnet bald darauf das riesige Tor. Gespannt drücke ich mich gegen die Fensterscheibe, um erspähen zu können, was sich hinter dieser Mauer verbirgt. Allerdings werde ich im ersten Augenblick herb enttäuscht: Rein gar nichts. Nur der Wald. Wir brauchen noch gute zwei Kilometer, bis sich vor meinen Augen endlich die Umrisse eines großen Gebäudekomplexes in den düsteren Abendhimmel erheben.

Unwillkürlich schießt meine Augenbraue sogleich in die Höhe. Auf dem Akademiegelände stehen mehrere Gebäude, die jedoch allesamt vom mehrflügeligen Hauptgebäude überschattet werden. Auf dem Campus brennen einige Laternen, sodass ich den riesigen, grauen Zweckbau zumindest oberflächlich in Augenschein nehmen kann – besonders einladend wirkt er allerdings nicht. Auf einem rundlichen Platz vor ebendiesem Stahlbetonbau halten wir nun an. Seufzend zwinge ich mich auszusteigen, sofort schlägt mir frostige Winterluft entgegen, die an diesem Ort sogar noch kühler zu sein scheint als im Rest Sibiriens. Mein Blick wandert zu einer riesigen Statue, die mitten auf dem Platz steht und von zwei kleineren Scheinwerfern erleuchtet wird – Vladimir Iljitsch Lenin. Natürlich, wer sonst. Gerade im letzten Moment kann ich mich davon abhalten, das Gesicht zu verziehen. Meine Abneigung gegenüber autoritären Regimen könnte mir hier, inmitten überzeugter Kommunisten, wohl ansonsten zum Verhängnis werden.

Strelok - Die SchützinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt