39 ~ I am here for you

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°•.Es war als müsse er diese einsaugen um in sich einen Punkt zu finden. Einen Punkt an dem er beginnen konnte, einen Punkt der ihm die letzte Kraft raubte. Kraft, die er nicht mehr hatte.•°

* Peter *

Ich war auf dem Weg zu meiner Familie. Meine Freundin traf sich heute mit ihrer Schwester, sodass ich mit beruhigtem Gewissen in meinem Elternhaus übernachten konnte. Ich wusste, dass meine Familie mich brauchte, doch ich musste ebenfalls an mich und meine eigene kleine Familie denken, schließlich würde ich bald Vater werden.

Papa hatte mich gebeten zu kommen und als ich meine Mutter an ihrer Wäschespinne erkannte, wurde mir sofort klar, warum. Sie sah unglaublich müde aus und ähnelte einem Geist.
"Peter. Schön dich zu sehen.", sagte sie beinahe ausdruckslos und umarmte mich als müsse sie sich an mir festhalten. Und vielleicht tat sie das auch, denn Cene hatte sich ebenfalls abgeschottet.
"Alles bricht zusammen, Peter.", seufzte sie und ich strich meiner Mutter über den Rücken. Sie sah schrecklich aus und ich hatte Angst, dass sie in meinen Armen zerbrechen würde. Und vielleicht tat sie das auch irgendwie. Meine Mutter hoffte noch immer, dass Domen zurück kommen würde. Einen Glauben, den der Rest von uns schon nach und nach verloren hatte.

Früher war die Küche unserer Familienraum gewesen, doch nun wirkte diese kühl und erdrückend. Jeder lief daran vorbei. Mein Vater arbeitete wie im Trance und kam immer spät nach Hause. Cene war komplett in sich gekehrt und ich wusste, dass alle sich darüber sorgten, dass Cene ebenfalls entgleisen würde. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal ein ordentliches Gespräch mit ihm geführt hatte. Und auch meine beiden jüngsten Geschwister erfüllten den Raum nicht mehr mit der gewohnten Stimmung. Sie vermissten ihren Bruder unglaublich. Jeder machte nur noch sein Ding und versuchte irgendwie durch den Tag zu kommen, doch irgendwann würden sie durchdrehen. Und vor diesem Tag hatte ich Angst. Die festen Wände unserer Familie hatten sich in ein Kartenhaus verwandelt, welches zusammenzubrechen drohte. Wie sollte meine Familie einen solchen Bruch erneut reparieren? Noch einmal würden sie das nicht überstehen, zu tief saß der Schmerz und nagte an ihnen.

"Wann kommt Domi wieder?", fragte Ema immer wieder und meine Eltern waren ratlos, denn die neunjährige vermisste ihren Bruder sehr. Die Wände des Hauses schienen alle zu erdrücken und uns schien die Luft zum Atmen zu fehlen.

Umso erstaunter war ich als mitten in der Nacht mein Handy klingelte und der Name meines Bruders darauf erschien. Sofort war ich hellwach.
"Domen?", fragte ich sicherheitshalber und eine Weile war es still.
"Peter...kannst du...ich...", er suchte nach Worten. "Ich brauche deine Hilfe."
Noch während ich nach seinem Aufenthaltsort fragte zog ich mir einen Pullover und eine Hose über die Boxershorts, in der ich in meinem alten Zimmer schlief. Domen brauchte einige Zeit um zu antworten und ich wusste, wie viel Überwindung es ihn gekostet haben musste um mich zu kontaktieren. Ich kannte meinen kleinen Bruder und ich wusste, dass er immer alles genau bedachte und hinter seinem Handeln oft ein riesiges Konstrukt verborgen war, doch das alles sprach nicht für ihn. Etwas musste nicht nach Plan gelaufen sein.
"In Planica...Opas Haus.", brachte er heraus während ich mich leise die Treppe hinunterschlich, nach meinen Schlüsseln griff und mit Hausschuhen durch die kühle Nacht zu meinem Wagen lief.
"Ich komme.", gab ich bekannt, legte auf und setzte mich an das Steuer. Am liebsten wäre ich schneller gefahren, doch ich musste an meine kleine Familie denken und hielt mich deshalb an jegliche Geschwindigkeitsbegrenzungen. Der Weg von Dolenja Vas Zelezniki nach Planica zog sich über Baustellen ewig hin. Ich hatte keine Ahnung, wie ich Domen einschätzen sollte, denn in letzer Zeit hatte er sich so unfassbar verändert. Was sollte ich erwarten?

Er schien so verloren zu sein und ich konnte ihm nicht helfen. Ich sah ihn zerbrechen und konnte ihm einfach nicht helfen. Nicht einmal Lana konnte das und in diese hatten wir all unsere Hoffnungen gesteckt. Der Streit mit ihr hatte meinen Bruder ziemlich aus der Bahn geworfen, denn Domen hatte Lana offensichtlich sehr ins Herz geschlossen. Unsere Mutter hatte auf den Tag gewartet an dem er bekannt geben würde, dass sie ein Paar waren, doch das passierte niemals. Stattdessen gab er bekannt, dass sie Streit hatten und seitdem ging es mit ihm bergab. Domen hatte mir sonst alles erzählt. Unsere Familienverhältnisse waren immer warm gewesen, denn Geheimnisse gab es kaum.

Als ich endlich das kleine Holzhaus meines Großvaters erreichte, sprang ich sofort aus dem Auto und öffnete die knarrende Tür. Domen saß mit hochrotem verweinten Gesicht vor dem Fenster und starrte nach draußen. Als er mich bemerkte, stand er auf und ich zog ihn in eine Umarmung. Ich wusste nicht, wann ich meinen kleinen Bruder zuletzt in den Armen gehalten hatte. Beinahe entwich mir ebenfalls eine Träne, denn es tat mir wirklich leid meinen kleinen Bruder so zu sehen. Er schien noch magerer als sonst und seinen Augenringen nach zu urteilen hatte er lange keinen Schlaf abbekommen. Auch wenn er nichts sagte, sah ich ihm an, dass sein Kopf vor lauter Durcheinander zu platzen drohte.
"Es tut mir so leid, Peter.", schluchzte er und ich klopfte ihm beruhigend auf den Rücken.
"Wir kriegen das hin, Domen. Egal, was es ist. Wir kriegen das hin.", sprach ich und versuchte mich zu erinnern, wann Domen und ich zuletzt gesprochen hatten, doch es fiel mir keine einzige Unterhaltung ein.
"Ich habe dich geweckt oder?", fragte er und ich musste Schmunzeln. Es war typisch für Domen, denn er dachte immer zuerst an jeden anderen, aber niemals an sich. Deshalb wusste ich, dass sein Verhalten einen Grund haben musste, denn Egoismus war noch nie eine seiner Charaktereigenschaften gewesen.
"Ich konnte sowieso nicht schlafen.", lächelte ich schwach während wir uns auf zwei Schaukelstühlen fallen ließen.
"Ich kann nicht mehr, Peter.", schluchzte er und ich erkannte einige Schürfwunden an seinem Arm.
"Du bist der einzige, der mich verstehen kann. Ich hätte mit dir reden sollen...aber...", er sprach nicht weiter und ich wusste, was er dachte. Mein Bruder war ein Sturkopf, welcher immer alles mit sich selbst ausmachen wollte, wenn man ihm nicht so lange auf die Nerven ging, bis er es verriet.
"Domen, du kannst mir alles anvertrauen. Ich bin dein Bruder.", gab ich von mir.
"Schwörst du, dass du mich nicht auslachst und niemandem etwas erzählst?", fragte er ernst und ich nickte.
"Ich schwöre.", sprach ich es aus und wartete gespannt auf das, was mein Bruder mir erzählen würde.
Und ich war froh, dass er es mir erzählen würde. Er schwieg eine Weile, es war als müsse er diese einsaugen um in sich einen Punkt zu finden. Einen Punkt an dem er beginnen konnte, einen Punkt der ihn die letzte Kraft raubte. Kraft, die er nicht mehr hatte.

Don't Let Me Down • {Domen Prevc}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt