23 ~ Falling Masks

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~ Denn egal, wie weit man vor sich selbst wegrannte, am Ende traf man immer auf sich selbst. Und dann noch viel stärker. ~

* Domen *

Als wir endlich oben angekommen waren, schien alles unter uns klein geworden zu sein. Man sah die Lichter der Stadt und die Umrisse des Meeres in der Dämmerung.
Für einen Moment war da nur Lana, ich und meine Gedanken. Es schien als würde der Wind wirklich alles in meinem Kopf umherwirbeln. Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte. In mir herrschte plötzlich ein Chaos. Alles, was sich angestaut hatte kam auf mich zu. Plötzlich und von einer Sekunde auf die andere. Als wäre ein Damm gebrochen und die Fluten stürmten geradewegs auf mich zu.  Ich ertrank an mir selbst. Alles kam auf einmal in meinen Kopf während ich mich am Geländer festhielt und auf die entfernten Lichter hinunter sah. Ich schloss die Augen nur um die Gesichter meiner Familie zu sehen, welche ich so verletzt hatte.

Peter, welcher nach seiner Verletzung endlich wieder im Weltcup antreten konnte, würde diese Gelegenheit wahrscheinlich nicht ergreifen. Denn er würde mich niemals alleine lassen, niemals würde er mich im Stich lassen. Er würde sich selbst für mich fallen lassen und das obwohl ich ihn von mir weggestoßen hatte. Er war mein Bruder und mein bester Freund, welcher immer für mich da sein würde egal was ich tat.
Mein Trainer erschien vor mir, welcher mir zu verstehen gegeben hatte, dass er mich erst mit zu den Springen nehmen würde, wenn ich mich zusammenreißen würde und konstante Sprünge bieten konnte. Momentan ließ er mich von großen Schanzen überhaupt nicht mehr hinunter, da er Angst hatte ich würde stürzen. Natürlich hatte die Presse schon in der letzten Saison bemerkt, dass irgendetwas nicht mit mir stimmte. Es gab unendlich viele Schlagzeilen auch über einen möglichen Familienzusammenbruch. Jeder Pressesprecher hatte versucht mich in ein Interview einzubinden, doch meine Brüder und ich hielten uns im Scheinwerferlicht sowieso so kurz wie es nur ging. Ich hatte den Weltcup eher abgebrochen, da die Presse überall auf mich lauerte. Und auch nun kurz vor dem Beginn der Saison spekulierten sie wieder über die "Probleme der Prevcfamilie". Es war einfach alles zu viel für mich geworden.

"Domen?", riss mich Lanas Stimme aus den Gedanken. Als ich auf meine Hände sah erkannte ich, dass sie gerötet waren und man die Knöchel durchsehen konnte.
"Hm?", antwortete ich und spürte, wie sie ihre Hand auf meine legte. In diesem Moment ließ ich jene Maske fallen, welche ich mir mühselig angelegt hatte. Die Tränen überströmten mein Gesicht und ich fand mich in den Armen wieder, von welchen ich mich doch eigentlich fernhalten wollte. Aber in diesem Moment fühlte sich diese falsche Handlung so richtig an. Ich ließ mich fallen. Und Lana hielt mich einfach.
Ich sog ihren Duft ein. Sie roch noch immer nach dem blumigen Parfüm, welches sie immer getragen hatte. Als ich mich in ihren Haaren vergrub wurde mir klar, wie sehr mir Lana fehlte. So sehr ich es auch verdängt hatte nun holte die Wahrheit mich ein. Denn egal, wie weit man vor sich selbst wegrannte, am Ende traf man immer auf sich selbst. Und dann noch viel stärker.

Die Presse riss sich um Interviews mit mir und Peter. Laut den Menschen waren wir arrogant und damit wurden wir jeden Tag konfrontiert. Und durch die Entscheidungen, die ich getroffen hatte wurde mir klar, dass ich in den letzten Tagen immer mehr ihrem Erwartungsbild entsprach. Ich entwickelte mich zu dem umschriebenen Monster.

Lana strich mir über den Rücken und ich bekam eine Gänsehaut. Und genau da war das Problem. Ich löste mich aus der Umarmung und versuchte mein erarbeitetes Image wieder aufrechtzuerhalten. Die Maske musste aufgesetzt werden, denn ansonsten war alles umsonst gewesen. "Wir sollten gehen.", sagte ich, doch Lana hielt mich am Arm fest. Damit hatte ich nicht gerechnet und diese Geste warf mich für einen Moment komplett aus der Bahn. Ich drehte mich nach ihr um und als sie mich mit ihren blauen Augen musterte, blieb ich wie versteinert stehen. "Domen. Du kannst nicht vorgeben etwas zu sein, was du nicht bist.", sagte sie und ich wandte meinen Blick ab. Ich wünschte ich könnte die letzten Minuten ungeschehen machen, denn meine Maske war gefallen.
"Ich will das alles nicht.", brachte ich schluchzend heraus und auch ihre Augen waren glasig geworden.
"Es ist dein Leben, Domen. Du kannst die Dinge jederzeit ändern.", sprach sie weiter und zog mich in eine erneute Umarmung. Egal, wie sehr ich mich dagegen sträubte : es war alles, was ich wollte. Sie war alles, was ich wollte. Und während ich auf die Lichter in der Dunkelheit sah, wurde mir klar, dass Lana immer mein Leuchtturm gewesen war. Das Licht, welches selbst in den dunkelsten Zeiten schien und mir den Weg wies. Es war immer Lana gewesen und es wird immer Lana sein. Und genau das war das Problem.
Alles prasselte auf mich ein. Diese Umarmung gab mir Halt. In Lanas Armen fühlte ich mich angekommen und sicher.

Ich schüttelte den Kopf, denn ich würde Lana kaputt machen. Ich würde sie ruinieren.
"Dafür ist es längst zu spät, Lana.", murrte ich wütender als gewollt.
"Domen es mag ja sein, dass du dich aufgegeben hast. Aber verdammt nochmal ich werde dich nicht aufgeben... ", flüsterte sie.
"Wieso? Wir sind längst keine Freunde mehr.", ächzte ich und begann die Treppen hinunter zu eilen. Lana war viel langsamer und ich wollte sie nicht alleine lassen, weshalb ich meinen Schritt verlangsamte.
"Das heißt nicht,  dass du mir egal bist!", rief sie.
"Wir alle wollen dir helfen, Domen. Wir stehen hinter dir und unterstützen dich, aber du schließt uns aus.", sprach sie und ich hörte ihre Sorge heraus. Ich hatte sie erneut verletzt, aber sie musste mich loslassen. Ich tat ihr nicht gut.

"Und wieder läufts du weg.", sprach sie und stolperte dabei über ihre eigenen Füße. Im rechten Moment streckte ich meine Arme nach ihr aus um sie vor einem Sturz zu bewahren. So viel zum Thema loslassen. Lieber spielte ich das arrogante Arschloch und verletzte sie auf diese Weise als der liebe gute Freund, welcher nur Probleme im Gepäck hatte.
"Alles okay?", fragte ich trotzdem.
"Jap.", antwortete sie distanziert und löste sich aus meinen Armen. Ich betrachtete sie prüfend, blickte auf die zerissene Hose und sah durch das Loch eine Schürfwunde, welche sie erneut verlangsamte. Lana war schon immer ein Tollpatsch gewesen und im Normalfall hätte ich sie jetzt auf die Schultern genommen und nach unten getragen. Aber ich riss mich zusammen.

Draußen angekommen waren natürlich alle Blicke auf uns gerichtet.
"Was hast du mit ihr gemacht?", fragte Flora sofort, doch ich ignoriere sie und lief zu meiner Clique. Ich musste weg von Lana, denn in ihrer Nähe saß meine Maske nicht so fest, wie ich sie erarbeitet hatte.

Don't Let Me Down • {Domen Prevc}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt