~ Menschen waren nicht perfekt, aber sie versuchten es zu sein. Dabei konnten sie so leicht reißen wie ein Blatt Papier. Und mit jedem Riss verloren sie sich mehr. ~
* Lana *
Domen tauchte nicht auf. So sehr ich auch hoffte, dass er eines Tages einfach wieder auf der Schulbank sitzen würde als wäre nichts geschehen, doch das passierte natürlich nicht. Er hatte sich so sehr verändert, dass ich seine Handlungen kaum noch abschätzen konnte.
Peter suchte ebenfalls nach ihm, doch genau wie ich wusste er nicht mehr weiter. Doch jemand musste Domen finden, wo er es doch selbst nicht konnte. Er hatte seinen Weg verloren und jemand musste ihm diesen zeigen und Licht in das Dunkle bringen, denn scheinbar war es erloschen. Doch ich hatte nicht die geringste Ahnung wie ich auch nur einen Funken Licht in seine Dunkelheit bringen sollte. Diese hatte sich ausgebreitet und sich in seinem Körper breit gemacht wie die Luft in einem Luftballon. Mit dem Unterschied, dass man diese in Domen nicht einfach platzen lassen konnte. Man musste sie vorsichtig hinaustreiben ohne ihn zu verletzen. Mit allem, was wir unternahmen konnten wir ihn noch mehr von uns entfernen, doch dieses Risiko mussten wir in Kauf nehmen.
Die ganze Familie Prevc litt. Selbst Peter schien auswegslos und ich fühlte mich schuldig, schließlich hatte ich es nicht geschafft Domen zurückzuholen. Doch eines hatte ich in dieser Zeit gelernt. Menschen waren zerbrechlich. Jedes Wort und jedes Verhalten sammelte sich an und irgendwann brach jeder Damm. Menschen waren nicht perfekt, aber sie versuchten es zu sein. Dabei konnten sie so leicht reißen wie ein Blatt Papier. Und mit jedem Riss verloren sie sich mehr. Sich selbst und die Freiheit, wie ein Papierflieger. Und irgendwann blieb nichts übrig außer ein großes leeres Nichts. Wenn Glas zerfiel, dann waren da Scherben, doch Domen schien sich ohne jegliche Spuren aufzulösen wie die Spuren einen Flugzeuges am Himmel. Langsam, aber vollkommen. Und wenn ihn keiner davor hindern würde, dann wäre er in kürzester Zeit gänzlich verschwunden. Ich wusste, dass ich diesen Vorgang nicht stoppen konnte, aber Domen konnte es. Das war kein Leben, wie er es sich gewünscht hatte und sein Verschwinden passte absolut nicht zu ihm, denn es lag sicher nicht in seiner Absicht seine Familie erneut zu verletzen. Denn er liebte sie, das wusste ich, doch seine Familie schien es vergessen zu haben. Peter wollte nicht aufgeben, doch auch in ihm schien die Hoffnung Funke für Funke auszuglühen. Denn, wenn man den Glauben an jemanden verlor, dann konnte dieser doch noch weniger an sich selbst glauben. Jeder brauchte ein paar kleine Lichter, die einem den Weg zeigten, wenn man davon abkam. Je mehr wir den Glauben verloren, desto mehr verloren wir die Person, die wir suchten. Wie sollte man jemanden finden, der sich selber nicht mehr finden konnte?
Ich glaubte nicht mehr daran, dass Domen sein Verschwinden geplant hatte, denn es schien nicht so durchdacht wie alles andere, was er tat. Es war einfach nicht seine Art, egal wie sehr er sich verändert hatte. Er war immernoch Domen. Ich wusste nicht, wie schnell Menschen sich verändern konnten, doch ich wusste, dass es für alles einen Grund gab. Eigentlich hätte es mir egal sein müssen, denn Domen und mich verband nichts mehr, doch er brauchte meine Hilfe und ich würde ihn nicht fallen lassen. Irgendjemand musste ihn auffangen, egal was es kostete. Er war mir nicht egal und ich wusste, dass er sich den Kopf zerbrechen würde, wenn er so allein war. Seine Gedanken würden ihn erdrücken und er würde daran untergehen. Langsam und quälend wie die Titanic. Ich wollte nicht, dass Domens Leben sich in eine Tragödie verwandelte.
Flora, Alex, Mark und ich hatten jegliche Möglichkeiten durchdacht und alle möglichen Orte abgesucht, doch Domen war wie vom Erdboden verschluckt. Mittlerweile machte ich mir wirklich Sorgen, denn nichts passte mehr in sein Bild. Langsam bekam ich Angst und konnte nicht mehr länger stillsitzen. Es war nun fast drei Wochen her, dass Domen verschwunden war und ich hatte Peter geschworen, dass ich nicht aufgeben würde. Denn man gab Personen nicht einfach so auf. Eher überlegte man, warum man so lange gekämpft hatte.
Trotzdem fuhr ich am heutigen Tag zum Haus der Familie Prevc. Schon als Dare mir die Tür öffnete, spürte ich die Kälte, die sich in dem Haus breitgemacht hatte. Man sah es allen Familienmitgliedern an, dass sie litten. Sie sahen müde und erschöpft aus. "Julijana hat gehofft, dass du vorbei kommst.", sprach Dare und deutete auf die Küche. Unsicher und zögernd betrat ich die Räume des Hauses, durch welches ich für gewöhnlich wie von selbst ein und aus ging. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Julijana saß am Küchentisch und als sie mich anblickte hätte ich beinahe begonnen zu weinen. Sie glich einem Geist, welcher sich gemeinsam mit Domen auflöste. Ihre Augen waren gerötet und sie unglaublich blass. Sie wirkte unglaublich leer und lächelte schwach als sie mich sah, während sie zu weinen begann.
"Schön, dass du da bist.", lächelte sie und stand auf um mich zu umarmen.
"Ich wünsche mir jeden Tag, dass die Tür aufgeht und Domen eintritt. Aber es passiert nicht.", seufzte sie.
"Ema kam heute zu mir und hat gesagt, sie weiß, dass Domen weggelaufen ist. Ema hat gelacht und gesagt : er kann sowieso nicht kochen, Domi liebt dein Essen.", sprach sie wehmütig und ich wusste, dass sie ahnte, dass ihr jüngster Sohn nicht mehr nach Hause kommen würde.
"Alles zerbricht.", seufzte sie und in diesem Moment wurde mir klar, dass Domen sich genau davor versteckte. Er wollte nicht zusehen, wie seine ganze Welt zusammenfiel. Peter und ich hatten jegliche Schanzen im Umkreis abgeklappert. Ständig musste Peter Domen bei dem neuen Trainer Gorazd Bertoncelj herausreden. Domen hatte Glück, denn das Team war auf ihn angewiesen.Trotzdem beschloss ich noch einmal nach Planica zu fahren.
"Lana, es dämmert schon. Ehe du in Planica bist ist es dunkel. Das bringt doch nichts.", sprach meine Mutter zu mir, doch ich musste einfach etwas tun. Domen konnte nicht einfach in sich zusammenfallen. Ich musste ihn einfach finden. Und wenn ich ganz Slowenien absuchen musste. Meine Mutter ließ mich gehen, denn sie hatte natürlich von Domens Verschwinden gehört. Während der Fahrt ging ich nocheinmal jede Möglichkeit durch, doch Peter und ich waren bereits überall gewesen. Sogar in dem vollgestellten und etwas runtergekommenem Ferienhaus seines Großvaters.Domen hatte mich nur im Training mit zur Schanze genommen, doch ich kannte genug um zu wissen, wo ich am besten parken konnte und wo ich lang gehen musste. Während ich die Stufen hinaufging, war mir klar, dass Domen hier gewesen sein musste, denn es war Teil von ihm. Er musste hier gewesen sein und auf die Lichter gesehen haben, so wie ich es nun tat. Einen Moment lang schloss ich die Augen und der Wind wehte mir um die Ohren. Ich hoffte so sehr, dass es ihm gut ging. Irgendwo hier draußen musste er sein und gegen sich selbst kämpfen. Hinter mir raschelte es und automatisch zuckte ich zusammen. Es war unheimlich hier draußen, doch vielleicht half es, wenn wir beide allein waren und in den gleichen Himmel schauten.
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Don't Let Me Down • {Domen Prevc}
Fanfic"Domen du kannst nicht vorgeben etwas zu sein, was du nicht bist." lächelte Lana mit gläsernen Augen. Er nickte seufzend "Ich will das nicht." sagte Domen mit zitternder Stimme und sie nahm in in den Arm. "Manchmal kommt es anders als erwartet." spr...