26 ~ Nothing heals the past

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~ Wenn du den Menschen kein Bild von dir gibst, dann machen sie sich selber eins. ~

* Domen *

Ich hatte wirklich vor mich von Lana fernzuhalten, denn es wäre das Beste für sie gewesen. Ich wusste, dass ich es mit jedem Blick zu ihr verschlimmerte, denn eigentlich sollte sie mich hassen. Aber das hätte es mir wohl zu leicht gemacht. Lana war ein herzensguter Mensch und daran könnte ich mit jeglichem Verhalten wohl nichts ändern. Ich hatte sie lange genug dabei beobachtet, wie sie mit ihrem Koffer kämpfte und nach einiger Zeit konnte ich es mir einfach nicht mehr mit ansehen. Ja, es war ein Fehler ihr erneut zu helfen, doch ich wollte nicht, dass sie sich länger damit quälen musste. Und das passte nun wirklich nicht zu meinem momentanen Erscheinungsbild.

"Weißt du, wenn die Leute nur sehen könnten, wie du wirklich bist - dann würden sie dich lieben, Domen. ", hatte sie einmal gesagt als sie sich erneut über die Presse ärgerte "Wenn ich dich nicht kennen würde, dann würde ich ihnen glauben. Deine Blicke nach der Landung sehen meistens wirklich abgehoben aus, aber ich kenne das Warum und ich kenne dich. Und das macht den Unterschied.", hatte sie ihr Statement fortgeführt.
"Du bist sicher nicht so symphatisch wie Forfang oder Wellinger, wenn du vor der Kamera stehst, aber außer Jernej ist das aus eurem Team höchstens Ziga.", hatte sie gesagt. Vielleicht hatte sie Recht dabei.
"Aber ich weiß ja, dass ihr es nicht anders dürft. Man soll nur die Sportler in euch sehen und nicht die Menschen dahinter, das verstehe ich. Euer Trainer möchte euch schützen und ich weiß auch, dass deine Eltern das genauso sehen. Und ich weiß ebenfalls, dass du so schaust, weil du deine Sprünge oft nicht einschätzen kannst oder dich konzentrierst und nicht, weil du abgehoben bist und glaubst alles zu können. Aber genau das macht die Presse daraus. Wenn du den Menschen kein Bild von dir gibst, dann machen sie sich selber eins, verstehst du?", fragte sie und ich konnte nur nicken, denn sie hatte mit allem Recht, was sie sagte. Natürlich belasteten mich die Schlagzeilen über unser Team und vorallem die über Peter und mich, doch diese Sache musste ich akzeptieren, denn es lag nicht in meiner Hand. Gewiss war es schwer, wenn man stets und ständig mit seinem Bruder versuchte mitzuhalten. Aber ich war nun einmal Domen Prevc und nicht Peter Prevc.

"Domen ", sagte sie als wir wieder zu unserer Gruppe aufgeschlossen hatten und den Bus sehen konnten. Allein durch ihre Stimmenlage bekam sie meine vollste Aufmerksamkeit.
"Bitte werde nicht zu dem Menschen, den die Presse schon immer in dir sieht. Das bist du nicht, das wissen wir beide.", sagte sie bevor sie sich ihren Koffer schnappte und zu ihren Freunden lief. Ich war mir so sicher gewesen, dass das der richtige Weg war, doch er schien mich zu zerstören. Ich war genau zu einer solchen Person geworden, welche ich sonst zu hassen pflegte. Statt alle in Sicherheit zu bringen verletzte ich mein gesamtes Umfeld. Auf keinen Fall dürfte Peter wegen mir auf den Weltcup verzichten! Er hatte so lange mit seiner Verletzung kämpfen müssen und er hatte es verdient mitzuspringen. Das war das Einzige, was ich momentan tun musste, denn ich wollte nicht, dass er darauf verzichten musste. Und ich sollte ebenfalls bessere Sprünge abliefern, damit ich wieder etwas Abstand zu Lana bekam. Seufzend stieg ich also in den Bus und griff nach meinem Handy. Ich tippte auf den Namen meines Bruders und schrieb ihm eine Nachricht.
" Der Bus hatte eine Panne. Komme so zwischen 23/24 Uhr. ", hielt ich mich kurz und sendete die SMS ab.

Natürlich saß ich wieder in der hintersten Reihe des Busses, doch um ehrlich zu sein wäre mir der Platz neben Lana lieber gewesen. Aber die Dinge hatten sich verändert und ich hatte mich verändert. Und Veränderungen stellten einen nun eben auch vor veränderte Tatsachen. Von dem einen auf den anderen Tag schien alles anders zu sein. Als wäre ich ein neuer Mensch. Dennoch fühlte ich mich wie eine Marionette, denn das war weder mein Charakter noch mein Verhalten. Doch diese Fassade hatte ich zum Schutz aller Personen aufgebaut, die mir wichtig waren. Mittlerweile war die aufgesetzte Maske mein Gesicht geworden und die Schutzmauer schien alle nur mehr zu verletzen. Das hatte ich mir alles anders vorgestellt. Ich hatte geglaubt Lana könnte auf diesem Wege den Idioten in mir sehen und mich hassen, damit ich sie vergessen konnte. Stattdessen stand sie mir noch immer bei, wenn auch auf andere Weise. Wie ein Schutzengel, welcher mich vor weiteren Dummheiten bewahren wollte. Jedoch war ein Gespräch mit diesem Engel schon die erste Dummheit. Ich seufzte, denn die Situation schien auswegslos. Mein Smartphone vibrierte und ich las die Nachricht meines großen Bruders.
" Ist etwas Schlimmes passiert? Geht es dir gut?", hatte er geschrieben und ich konnte meine Mutter fast darin hören. Kurz musste ich Lächeln, denn nach allem, was ich ihnen angetan hatte, standen sie noch immer hinter mir. Und das würde sich niemals ändern, denn meine Familie war schon immer unfassbar stark gewesen. Dennoch durfte ich jetzt nicht weichkochen.
" Nur ein Achsenbruch, alles bestens. ", schrieb ich nur und schob mein Handy in meine Hosentasche.

Manchmal stürzte uns das Leben in ein Meer voller stürmischer Wellen. Manchmal erhielten wir durch Nebel ein falschen Bild auf die wahre Erscheinung. Manchmal warf es uns in ein Erdbeben und ließ uns im Chaos zurück. Doch es gab uns die Chance etwas daraus zu machen, jeder Tag war bereit für eine Veränderung. Man konnte immer etwas ändern und Dinge besser machen. Doch in meiner jetztigen Situation kam es mir so vor als hätte ich keine Wahl mehr. Es war einfach zu spät und nichts würde die Dinge wieder gut machen. Keiner würde die Zeit zurückdrehen können. Niemand konnte meiner Familie wieder Freude und Frohsinn bringen. Und keiner hätte den Streit zwischen Lana und mir vergessen können. Denn die Vergangenheit konnte man nicht ändern. Sie würde mich bis in meine Zukunft begleiten und egal wie weit ich rennen würde, sie würde mich immer und immer wieder einholen. Denn man konnte nicht vor sich selbst wegrennen.

Don't Let Me Down • {Domen Prevc}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt