Kapitel 4

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Der Rest der Woche verlief ereignislos und verschonte mich vor einer weiteren Begegnung mit Cole Banks und seinen Freunden. Lediglich in der Cafeteria und in einigen Kursen konnte ich einigen von ihnen nicht aus dem Weg gehen, aber da sie so mit sich selbst und ihrem Leben beschäftigt waren, bemerkten sie ohnehin nicht, was um sie herum geschah.

Als ich diesen Samstagmorgen aufwachte, mühselig aus dem Bett krabbelte und noch immer jeden einzelnen Muskel spürte, den mein Körper gestern für Kuns Intensivtraining gebraucht hatte, schoss mir dann ein ganz anderer Gedanke durch den Kopf: Heute fand die Party bei Simon statt.

Eigentlich mochte ich es, Feiern zu gehen, jedoch waren Partys, auf denen die Hälfte der Gäste aus den Schülern meiner High School bestand, nicht so mein Ding. Man kannte so gut wie jeden, genauso wie anders herum und potenzielle Fehltritte konnten zu Geschwätz und Gerüchten führen, die sich auf den Schulfluren ausbreiteten wie eine Grippewelle in den Wintermonaten.

Dennoch musste ich zugeben, dass ich neugierig war, was heute Abend alles passieren würde. Bei meiner letzten Hausparty waren mir direkt, als ich zur Eingangstür hereingekommen war, einige Jungs auf einer Matratze die Treppe runterrutschend entgegengekommen, die mich beinahe von den Füßen gerissen hatten. Ich hatte die Vase auf dem Schuhschrank - und mich - noch gerade so vor einer Kollision retten können.

Die Überlegung, was wir heute Abend genau anstellen wollte, um Banks eins auszuwischen, konnte ich aber noch am Nachmittag zusammen mit Lia machen.

Gähnend stieg ich in meine Sportsachen und band mir das schulterlange Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. So verließ ich unser Haus – mein Bruder und meine Eltern schliefen vermutlich noch - und joggte durch die Straßen.

Meine beste Freundin hielt mich für verrückt, acht Uhr morgens an einem Samstag Sport zu treiben, aber ich liebte ich die Ruhe, die mich überkam, wenn ich einfach laufen konnte. Man dachte über nichts Belastendes nach, sondern lief einfach dorthin, wo einen der Wind hintrieb, und bekam so den Kopf frei.

Da wir in einem typisch amerikanischen Stadtrandtraum wohnten, fehlte die Hektik der Großstadt und wurde durch das Zwitschern der Vögel und Bellen der Hunde ersetzt. Dadurch lief ich auch keine Gefahr, einfach von einem irren Taxifahrer überfahren zu werden, was hier in Los Angeles doch eine berechtigte Angst darstellte.

Eine gute Stunde später stieg ich daheim unter die Dusche und summte einige Lieder, die gerade im Radio spielten. Mit einem Handtuchturban um den Kopf lief ich die Treppen nach unten und fand in der Küche eine Notiz von meinen Eltern, dass sie zu unserer Großtante Emy gefahren und zum Glück Noah gleich mitgenommen hatten. Sonst würde wieder ein epischer Kampf um die Macht der Fernbedienung im Wohnzimmer losgehen und mein Bruder hätte einige, niedermachende Bemerkungen zu meiner Kopfbedeckung gemacht.

Man musste wissen, dass mein Bruder zwar erst dreizehn, aber jetzt schon einen halben Kopf größer war als ich – Tendenz steigend. Dadurch überkam ihn in letzter Zeit öfter das Gefühl, seiner großen Schwester überlegen zu sein, was natürlich nicht stimmte und ließ ihn schnell übermütig werden. Zum Glück konnte ich ihm mit meinen Kampfkünsten drohen, die seine um Längen überstiegen, sonst würde ich vermutlich gänzlich alle Kontrolle über ihn verlieren.

Durch das Küchenfenster fiel helles Sonnenlicht, als ich nach einer meiner Müslischalen griff und diese mit köstlichen Cornflakes füllte. Dass dabei zuerst das Korn und dann die Milch kam, musste ich hoffentlich nicht erwähnen, da jegliche andere Reihenfolge einem Staatsdelikt glich.

Ich balancierte mein Frühstück in Richtung Wohnzimmer und setzte mich auf die Couch, während ich nach der Fernbedienung griff und den Fernseher anschaltete. Etwas wirklich Interessantes lief nicht, daher stoppte ich bei irgendeiner Dokumentation über die Geschichte Lateinamerikas und nahm mein Handy zur Hand.

RachegöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt