Kapitel 21

10.7K 551 62
                                    

So aufgewühlt wie in den letzten Tagen war ich seit langer Zeit nicht mehr. Banks verschwand komplett von der Bildfläche, während ich mir innerlich zahlreiche Vorwürfe machte, dass sein Verschwinden etwas mit meiner Aussage bezüglich seiner Schwester zu tun hatte. Vielleicht hatte ich mich auch geirrt und sie auf die Distanz mit jemand anderem verwechselt. Dann hätte ich viel Wind um nichts gemacht und Banks unnötig Sorgen bereitet.

Den Physiktest hatte ich bravourös mit einem C abgeschlossen - was besser war, als ich angenommen hatte - und Coach Morgan hatte aufgrund der hohen Anzahl an Unfällen entschieden, dass Fußball wohl doch nicht die richtige Sportart für uns zierliche Mädchen war.

Mich nahm dieser Wechsel zurück zur rhythmischen Sportgymnastik weniger mit als Lia, die bereits mit dem Gedanken gespielt hatte, sich mehrere Wochen lang vom Sportunterricht befreien zu lassen.

Verübeln konnte ich ihr diese Überlegungen nicht, da ich seit der Kollision des Fußballs mit meinem Bauchraum ebenfalls die Lust auf diesen Sport verloren hatte und nun glücklich war, dass meine neue, größte Gefahr darin bestand, mich mit meinem Band zu erwürgen.

Teilweise war ich so neben der Spur, dass es sich negativ auf meine Leistungen im Kickboxen auswirkte, was Kun mir auch mehrfach während des Trainings unmissverständlich mitteilte.

»Ist das ein Liegestütz, Kasey?« oder »Da schlägt ja meine Grandma härter zu als du! Und sie hat Arthrose und eine kaputte Hüfte!«, waren nur einige Phrasen aus seinem gestrigen Monolog, was mich weder motivierte, noch dazu beitrug, dass ich mich innerlich aufgeräumter fühlte.

Seit meinem Geburtstag schaute ich mich jedes Mal, wenn ich das Boxstudio verließ, nach Banks' Schwester um. Es bestand schließlich die Möglichkeit, dass sie und der komische Typ mir vielleicht nochmal über den Weg liefen und ich dann feststellen konnte, ob ich mich getäuscht hatte oder nicht. Nur bisher hatte ich sie nicht ein einziges Mal wieder entdecken können und tappte somit weiterhin im Dunklen herum.

Um jedoch meine Probleme für einen Moment außer Acht zu lassen und ein neues nicht gerade besseres Thema anzuschneiden: Typisch für eine amerikanische High School wurde aus einem Tag - wie jedes Jahr - eine ziemlich große Sache gemacht. Man konnte diesen Tag auch gut als Valentinstag oder erfolgreiche Verkaufsmasche des Kapitalismus bezeichnen.

Schon die ganze Woche über wurden in den Fluren Girlanden aufgehängt, an die Spinde Herzchen geklebt und alle waren in einer so komischen Stimmung, die durchaus als verrückt verknallt betitelt werden konnte. Ich hatte noch nie viel vom Valentinstag gehalten, da ich von vornherein kein wirklich romantisches Wesen hatte und mit diesem Trubel nichts anfangen konnte.

Vor allem verstand ich nicht, warum man seinem Partner oder seinem Schwarm oder wem auch immer nur an diesem einen Tag seine Gefühle zeigen oder gestehen konnte. Amor kam schließlich nicht höchstpersönlich zu uns Menschen auf die Erde und schoss explizit an diesem einen Tag mit Liebespfeilen um sich. Dennoch halfen alle Beschwerden nichts, da dieses Fest der Liebe bereits seit Jahrzehnten an unserer Schule intensiv zelebriert wurde und daher kein Weg am Valentinstag vorbeiführte.

So kam es dann, dass ich an jenem Tag im Februar 2017 in meine High School lief und beinahe auf dem Absatz wieder umgekehrt wäre, als ich sah, was mich da empfing: Auf dem Gang lagen Rosenblüten verstreut und es roch nach süßlichem Parfüm, dass mich verdächtig an Mrs. Church erinnerte.

Vermutlich hatte sie diesem Plan mit Freude zugestimmt, so einsam wie sie war. Vielleicht machte sie sich so Hoffnungen, Banks verführen zu können, wobei ich mir aber nicht vorstellen konnte, dass er ein großer Fan dieses romantischen Konzepts war und so auch nicht Mrs. Church endlich als Frau, sondern weiterhin als Waffe gegen mich wahrnahm.

RachegöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt