Kapitel 24

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Von dem Moment an, in dem Larissa den Raum zusammen mit diesem Ben verlassen hatte, verlor ich jegliches Zeitgefühl. Ich konnte nicht sagen, ob ich hier erst zehn Minuten herumlag und an die Decke starrte oder bereits mehrere Stunden. Mein Versuch, mich mit irgendetwas abzulenken, schlug fehl, da es in diesem Zimmer nicht mehr gab als unsere beiden Matratzen und das kleine Fenster.

Daher beschloss ich, mich eine Zeit lang auszuruhen, da sich mein Körper nicht in der allerbesten Verfassung befand und ich nicht wusste, ob sich mir später noch einmal die Chance dazu bieten würde, etwas durchzuatmen. Schlafen konnte ich nicht - wie ich sehr schnell feststellte - und malte stattdessen mit meinem Zeigefinger Kreise in die Luft.

Ich stellte mir vor, wie draußen ein paar Wolken über den sonst blauen Himmel zogen und eine leichte Brise vom Meer über die Stadt wehte, die den vertrauten, salzigen Geruch des Pazifiks mit sich brachte.

Die Vorstellung, auf dem weichen Sand zu liegen und dem Rauschen der Wellen zuzuhören, gefiel mir deutlich besser als die Realität, in der ich entführt worden war und nun in einem Zimmer auf einer ranzigen Matratze lag.

Gerade, als ich die Augen schloss und mit diesen Bildern im Kopf versuchte, doch ein wenig schlafen zu können, wurde die Tür ruckartig aufgerissen und brachte mich damit dazu, mich kerzengerade aufzusetzen. Larissa trat durch die Tür und redete ununterbrochen auf Ben ein, der ihre Worte jedoch zu ignorieren schien und seinen Blick lieber auf mich richtete.

»Das könnt ihr nicht machen! Sie hat doch gar nichts mit alledem zu tun!«, schrie sie ihn an und ich sah, wie ihr gesamtes Gesicht vor Wut rot angelaufen war. Scheinbar hatte ihre Unterhaltung mit dem Kopf dieser ganzen Geschichte keine Früchte getragen und somit war meine Freiheit gleichermaßen weit weg wie zu dem Zeitpunkt, in dem sie diesen Raum verlassen hatte.

»Ich kann und ich werde. Es ist die Anordnung vom Chef und damit basta«, beendete er diese Diskussion und ließ meine Nackenhaare bei seinen Worten senkrecht abstehen. Welche Anordnung der Chef hier auch immer gegeben hatte, würde sicherlich keinen positiven Effekt auf mich und meine Situation haben, wenn Larissa so stark dagegen protestierte.

Ich versuchte, mich so klein wie möglich zu machen, jedoch war es schwer bei der überschaubaren Anzahl von drei Personen nicht aufzufallen.

»Du«, zeigte der Blondschopf auf mich, obwohl unmissverständlich klar war, wen er von uns drein meinte. »Komm mit.« Protest würde mich in diesem Fall nicht sonderlich weit bringen, weshalb ich mich so gelassen wie nur irgend möglich von der Matratze erhob und dabei meinen schmerzenden Körper ignorierte.

Allmählich gewöhnte ich mich an meine Verletzungen und die pochenden Kopfschmerzen, da ich in diesem Loch sowieso weit entfernt von einem Arzt und einer Packung Aspirin war.

»Tu das nicht«, sagte Larissa, kam auf mich zu und hielt mich am Arm fest, der ihr von Ben aber gewaltsam entrissen wurde.

»Setz dich hin und mache hier keinen Aufstand«, befahl er ihr, während er mich mit festem Griff hinter sich herzog. Als er die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fallen ließ, konnte man noch Larissas Rufe und ihr Hämmern gegen das Holz der Tür hören. Auch wenn ich ziemliches Mitleid für sie hatte, konnte ich ebenso davon ausgehen, dass das, was nun auf mich zukam, alles andere als angenehm werden würde.

Ohne seinen Griff zu lockern, zerrte er mich weiter durch die dunklen Gänge, in die nur durch schmale Fenster das Licht der untergehenden Sonne schien. Wenn ich ihren Stand richtig deutete, dürfte es kurz nach sechs Uhr abends sein. Aus unserem Zimmer war lediglich der Himmel, aber keine Sonne zu sehen gewesen und ich war glücklich, überhaupt irgendeinen Anhaltspunkt zu haben, wie spät es war.

Meine Rippen gefiel die viele Bewegung gar nicht und ich musste mich auf meine Atmung konzentrieren, um die Schmerzen ertragen zu können; so viel dazu, dass ich mich allmählich an mein Leiden gewöhnte.

RachegöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt