Kapitel 10

12.9K 641 63
                                    

»Aber pass auf dich auf. Wer weiß, was da unten mittlerweile alles so lauert«, umfasste Lia meine Schultern mit beiden Händen und sah mir tief in die Augen. Als würde ich in die Tiefen der Hölle hinabsteigen und nicht in den Keller unter der Turnhalle.

»Höchstwahrscheinlich Spinnen, vielleicht auch eine Ratte und im allerschlimmsten Fall der Hausmeister«, gab ich gelassen zurück.

Meine beste Freundin schüttelte es angewidert. Sie hasste alles, was mehr als vier Beine besaß und war genauso wenig angetan von Tieren, die sich für gewöhnlich in der Kanalisation herumtreiben und im vierzehnten Jahrhundert halb Europa mit ihren Parasiten ausradiert hatten.

»Trotzdem«, erwiderte Lia halbherzig und schien noch immer nicht überzeugt zu sein, dass es dort unten tatsächlich sicher war. Ich ignorierte ihren offensichtlichen Widerwillen, mich gehen zu lassen und stieg die Treppen in das Kellergewölbe hinab.

Mit meinem Handy als Taschenlampe bewaffnet, öffnete ich die erste Tür und die alten Neonröhren begannen sogleich zu flackern. Eigentlich hätte man in den Katakomben unter unserer Turnhalle auch einen Horrorfilm drehen können - zwar einen ziemlich Langweiligen, aber immerhin einen. Ich schüttelte mit dem Kopf, um diesen Gedanken aus meinem Kopf zu vertreiben.

Da ich nicht viel Zeit hatte, beeilte ich mich, in alle unverschlossenen Türen zu sehen, um meine Suche so gut es ging zu verkürzen. Als ich in keiner von ihnen fündig wurde, schnappte ich mir eine Haarnadel aus meinem Dutt und begann, ein Schloss nach dem anderen zu knacken. Vielleicht sollte ich tatsächlich zum Geheimdienst oder als Detektiv arbeiten; oder ich wurde Kriminelle. Potenzial schien ich für alle drei Jobs zu haben.

In der vorletzten der grauen Metalltüren fand ich dann mein Glück. Ohne groß nachzudenken, lief ich auf die Kästen zu und suchte nach der Aufschrift Turnhalle 1; Umkleide 3.

Die Zeiger der acht Duschen, die sich direkt über mir befanden, zeigten jeweils auf eine rote Fläche, wovon ich ausging, dass es für warmes Wasser stand. Ein fieses Lächeln stahl sich auf mein Gesicht und aus angenehmen Temperaturen wurden plötzlich arge zehn Grad.

Das Szenario in der Dusche über mir konnte ich mir nur zu gut vorstellen. Wie aufgeschreckte Hühner sprangen die Jungen aus dem kalten Duschstrahl und fragten sich vermutlich, warum ihnen plötzlich das warme Wasser ausgegangen war.

Mein Handy klingelte, weshalb ich meine Gedanken von den nackten, durchgefrorenen Körpern meiner Mitschüler abwenden und mich dieser Angelegenheit zuwenden musste. Dass ich hier unten Empfang hatte, erstaunte mich gerade zutiefst. »Ja«, hob ich bei Lias Namen ab.

»Kasey, Alarmstufe rot. Daier geht auf die Keller zu.« Mr. Daier war der Hausmeister unserer Schule und gut mit Mr. Filch aus Harry Potter zu vergleichen. Lange, ausgedünnte Haare, Falten und ein großer Hass auf alles und jeden, der unter zwanzig war und sich Schüler nannte. Es war sehr wahrscheinlich, dass er nichts dagegen hätte, wenn man Schüler als Bestrafung mit den Füßen an der Decke festmachte.

»Verdammt«, stieß ich hervor und hetzte aus dem Raum heraus. Ich hörte näherkommende Schritte und suchte nach einem Versteck. Schlussendlich entschied ich mich für einen Stapel Kartons, der nahe der Eingangstür platziert war und hinter dem ich nur schlecht zu sehen war.

Der schlürfende Gang verriet unseren Hausmeister, als er die Treppe nach unten humpelte. Ich konnte ihn Worte wie, ›Immer diese Rotznasen‹, und ›Wann wird diese Schule endlich härtere Maßnahmen durchsetzten?‹, murmeln hören, während er in das Zimmer mit den Reglern ging.

Schneller als der Schall stürzte ich die Stufen nach oben - wohlwissend, dass eine potenzielle, weitere Strafarbeit inklusive dem Hass meiner Mitschüler auf mich wartete, wenn man mich erwischen würde.

RachegöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt