Kapitel 22

10.5K 514 63
                                    

Mein Leben ließ sich im Moment einzig und allein mit einem Wort beschreiben: und zwar langweilig. Seit Wochen konzentrierte ich mich viel mehr auf die Schule und durch das fünfmalige Training die Woche blieb mir kaum Zeit für irgendetwas anderes.

Jong-In hatte ich mitgeteilt, nach meinen geschriebenen Abschlusstests, den SAT und ACT und weiß was sonst noch auf mich zukommen würde, wieder in den Wettkampfsport einzusteigen, von dem ich mir bisher eine Auszeit genommen hatte, um mich besser auf die Schule konzentrieren zu können.

Seit dieser Verkündung sah Kun sich mehr denn je als mein Mentor und blühte zeitgleich in seiner Rolle als mein persönlicher Folterknecht auf. Während es ihm sichtlich Freude bereitete, mich leiden zu sehen und er daher an unseren Trainingseinheiten immer mehr Spaß fand, fühlte ich mich jedes einzelne Mal, wenn ich das Boxstudio verließ, als wäre ich von einem Laster überrollt worden. Dennoch musste ich zugeben, dass sich meine Schmerzen jetzt schon auszahlten:

Mein Körper befand sich in Höchstform und ich könnte sicherlich zehn Meilen am Stück rennen, ohne dass ich auch nur ansatzweise erschöpft war. Ich fühlte mich gesund und bärenstark und hätte es mit jedem aufnehmen können.

Die Tatsache, dass ich durch meinen neuen Trainingsplan praktisch jeden freien Nachmittag mit Kun verbrachte, störte - entgegen meiner Befürchtungen - Jonah nicht. Die beiden hatten sich kennengelernt, als mich mein Freund eines Tages vom Boxstudio abgeholt hatte und sich auf Anhieb blendend verstanden. Ihrer Konversation damals hatte ich nicht allzu viel Gehör geschenkt und mich stattdessen zum wiederholten Mal nach Banks' Schwester und ihrer zwielichtigen Begleitung umgesehen.

Bisher hatte ich die beiden nicht wieder zu Gesicht bekommen und inzwischen war ich recht überzeugt davon, ein anderes Mädchen mit Banks' Schwester verwechselt zu haben.

Der originale Banks hatte in der letzten Zeit zu sich selbst zurückgefunden: Er war wieder zu dem kaltherzigen, arroganten und selbstsicheren Idioten geworden, der er vorher gewesen war und zerstörte somit jegliche Sympathien, die ich einst kurzzeitig für ihn gehegt hatte.

Mein letzter Racheplan gegen ihn war auch schon eine Weile her, was vermutlich meinem Mitleid und seiner katastrophalen Verfassung geschuldet war. Zusätzlich musste ich ehrlich zugeben, dass ich weder Lust noch Zeit hatte, Streiche zu spielen. Genauso wenig wie Lia, die jetzt verstärkt bei ihren Eltern im Restaurant aushelfen musste, da eine Angestellte schwer erkrankt war und sich so schnell kein Ersatz finden ließ.

Ich hatte den Parks natürlich meine Hilfe angeboten, doch sie lehnten bis heute dankend ab. Ich hätte doch selbst genug zu tun, hatten sie zu mir gesagt und damit vermutlich sogar Recht gehabt.

Jedenfalls war mittlerweile der März eingezogen und auch schon weit fortgeschritten, dass neben dem Geburtstag von Noah – der übrigens eine neue Playstation geschenkt bekommen hatte, zusammen mit dem Spiel Fortnite – auch das erste Footballspiel des neuen Jahres stattgefunden hatte: Unser Team gegen das der South Pacific High School. Zwei erbitterte Rivalen, von denen sich die Spieler untereinander nicht riechen konnten. Besonders die beiden Kapitäne – unser Kapitän Grey und irgendein Jackson bei denen – gingen sich regelmäßig auf Partys an die Gurgel.

Der springende Punkt aber war, dass ich mir das Spiel tatsächlich angesehen hatte, selbst wenn es mich eigentlich nicht interessiert hatte. Für mich war dieses Match daher eine Premiere und ich musste zugeben, dass mich das Spiel unserer Mannschaft teilweise wirklich beeindruckte.

Sobald sie auf das Spielfeld traten, waren sie nicht mehr die aufmerksamkeitsbedürftigen Teenager, die in der Mitte der Cafeteria thronten, sondern ein eingespieltes Team, dass mit Ehrgeiz und Ernsthaftigkeit überzeugte,

Das Spiel verlief einige Zeit echt vielversprechend, bis es auf einmal zu einer Auseinandersetzung aufgrund eines Zusammenstoßes kam. Schnell eskalierte die Situation und die beiden Kontrahenten gingen aufeinander los. Erst verstand ich den ganzen Trubel nicht und konnte auch nicht sagen, wer sich da genau mit wem Stritt. Als jedoch der Helm unseres Spielers zu Boden fiel und einen dunklen Haarschopf entblößte, wusste ich, wer dort im Inbegriff war, eine Schlägerei zu beginnen: Cole Banks höchstpersönlich.

RachegöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt