Kapitel 11

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Den Rest der Woche passierte nichts allzu Spannendes. Bis auf den Moment, in dem ich Lia berichtete, dass ich ein Date mit dem superattraktiven Jonah Martin hatte.

Ihre Spekulationen, dass ich und Kun einmal ein Paar werden würden, hatte sie ohne weiteres über den Haufen geworfen und plante nun schon meine Zukunft mit der großen Hoffnung der Neurochirurgie.

»Ich sag dir, du hast dir mit ihm den absolut Richtigen an Land gezogen. Mit Martin - pardon, Jonah - wirst du eine glückliche und erfüllte Zukunft haben. Er ist ein anständiger Kerl und wird dich sicherlich auf Händen tragen. Und eure Kinder werden sicherlich auch total...«

»Mach mal halblang«, stoppte sie und drehte mich zu ihr um. »Ich gehe nur auf ein Date und will ihn nicht gleich heiraten.« Ich warf ihr einen letzten, anmaßenden Blick zu, bevor ich mich wieder dem Kleiderschrank zuwandte.

Die Hälfte meiner Kleidung lag bereits in Haufen auf dem Boden verteilt und wurde entweder von mir oder von Lia als untauglich oder unpassend erachtet.

»Den Punkt wollte ich gerade ansprechen«, ließ sie sich diese Bemerkung nicht nehmen. Mit einem frustrierten Stöhnen gab ich meine Meinung zu dem Thema ab.

»Hab schon verstanden«, lachte Lia. Auch wenn sie das Thema vermeintlich auf sich beruhen ließ, so war ich mir ziemlich sicher, dass sie im Inneren bereits überlegte, ob Jonahs und meine Kinder seine grünen oder meine haselnussbraunen Augen erben würden. Meine Augenbrauen wanderten bei diesem Gedanken kurz nach oben, was meine beste Freundin jedoch nicht sehen konnte.

»Weißt du eigentlich jetzt mal, was du anziehen willst?«, fragte sie nach einiger Zeit, in der ich weiter die Tiefen meines Schranks durchforstet und Pullover zum Vorschein gebracht hatte, von deren Existenz ich nicht einmal mehr gewusst hatte. Ich hängte den Kleiderbügel mitsamt Bluse, den ich gerade in der Hand hatte, zurück in den Schrank und warf mich zu ihr aufs Bett.

»Nein. Wieso fällt es uns Mädchen eigentlich so schwer bei einem vollen Kleiderschrank etwas Passendes zum Anziehen zu finden?«, wollte ich frustriert von niemand bestimmten wissen.

»Wir können halt auch nicht perfekt sein«, entgegnete Lia neben mir. »Lass mich mal sehen, du hast ja keine Ahnung davon«, sprach sie leider die Wahrheit aus. Wenn ich keine Sportsachen trug, dann belief sich mein Fashionstyle auf Jeans, T-Shirt und an manchen guten Tagen bekam man mich auch mit einem Rock zu sehen.

Lia erhob sich von meinem Bett und lief zu meinem geöffneten Schrank. Von uns beiden war sie schon immer diejenige gewesen, die Ahnung von Mode und dem Ganzen drum herum gehabt hatte und dieses auch offen zur Schau stellte. Was gerade in war, was out und was man eigentlich im Feuer verbrennen sollte und wofür man eingesperrt werden sollte.

Daher genoss sie auch mein vollstes Vertrauen in dieser Hinsicht und ich war froh, dass sich endlich jemand Kompetentes dieser Aufgabe annahm.

»Wie wäre es hiermit?« Ich hob den Kopf und sah ein altes, marineblaues Kleid.

»Das Ding ist noch von meiner Mum. Keine Ahnung, warum das immer noch da drin hängt«, tat ich ihr Angebot ab.

»Also nein«, verstand sie und warf das Kleid in irgendeine Ecke meines Zimmers. Während Lia mir weitere Kleidungsstücke zeigte und sie gleichzeitig nach Tauglichkeit und Aussehen bewertete, nahm ich mir kurz mein Handy zur Hand. Zehn vor fünf. Es könnte eng werden, wenn Jonah wirklich punkt sechs Uhr vor meiner Haustür stand und ich immer noch nichts zum Anziehen gefunden hatte.

»Passt du überhaupt noch auf?«, erklang die Stimme meiner Modeberaterin in einem gespielt eingeschnappten Ton.

»Tut mir leid«, erwiderte ich, legte mein Handy zur Seite und schaute wieder zu ihr. »Ich hab nur langsam keine Nerven mehr. Vielleicht sollte ich einfach so gehen wie immer«, überlegte ich.

RachegöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt