Kapitel 1

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,,Und?" Ruckartig drehte Simón sich um, als er eine Stimme direkt an seinem Ohr vernahm. Die rechte Hand, in welcher er einen Putzlappen hielt, hatte der Mexikaner fest gegen seinen Brustkorb gedrückt. 

,,Ámbar", murmelte er mit leicht beschleunigtem Atem. 

,,Hast du dich entschieden?", wollte das Mädchen wissen. Seit sie ihm das Angebot gemacht hatte, waren einige Tage vergangen, in denen Simón tatsächlich ernsthaft darüber nachgedacht hatte. Es wäre eine gute Möglichkeit, Ámbar wieder näher zu kommen und sie vielleicht sogar dazu zu bringen, ihre gute Seite wieder zu zeigen. Sich ihm wieder zu öffnen. Allerdings würde sie wohl eher versuchen ihn zu verändern und sich selbst weiterhin verstellen. Vor allem mit Emilia und Benicio an ihrer Seite. Benicio - ein weiterer Grund sofort nein zu ihrem Vorschlag zu sagen. Simón und er verstanden sich einfach nicht. Er müsste Ámbar irgendwie von den beiden weg bekommen...

,,Unter einer Bedingung", sagte der Mexikaner ernst. 

,,Die wäre?", fragte das Mädchen. 

,,Ich komme für eine Woche zu den Red Sharks, wenn du dafür eine Woche zurück ins Rollerteam kommst."

,,Ist das dein Ernst?! Erst schmeißt ihr mich raus und jetzt wollt ihr mich zurück?" Ungläubig sah Ámbar ihren Gegenüber an.

 ,,Ámbar..."

 ,,Nein, Simón. Jetzt fang nicht wieder damit an, dass das nicht so war."

 ,,Aber -", unterbrach der Junge sie, doch Ámbar sprach unbeirrt weiter: ,,Ich verstehe nicht, warum ihr mich plötzlich doch zurück wollt."

 ,,Nicht wir sondern ich will dich zurück im Team, Ámbar. Weil ich weiß, dass du in Wahrheit nicht so bist, wie du dich gerade gibst." Überzeugt sah Simón der Argentinierin in die Augen. Für einen Moment sagte keiner der beiden ein Wort. Gerade als Ámbar anfangen wollte, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, fuhr der Junge fort: ,,Und alles was ich will, ist, dass die Welt die wahre Ámbar zu sehen bekommt. Die Ámbar, die du hinter dieser Maske versteckst."

Die kalte Fassade des Mädchens begann bei seinen Worten, gemischt mit diesem Blick, zu bröckeln. Trotzdem hielt sie weiterhin gegen die Worte des Mexikaners: „Und was, wenn du dich täuschst? Wenn das hier mein wahres Ich ist?"

,,Das ist es nicht", sagte Simón überzeugt. 

Ámbar hob eine Augenbraue. ,,Wenn du meinst. Aber Simón, wenn du dir so sicher bist, dass ich eine zweite, gute Seite habe, warum streitest du dann vehement ab, dass du vielleicht auch eine zweite, böse Seite haben könntest?"

So sehr er es auch wollte, der Mexikaner könnte nicht verhindern den Blick, den Ámbar ihm mit schräg gelegtem Kopf zuwarf, ziemlich attraktiv und anziehend zu finden. Für ein paar Sekunden verlor er sich in ihren Augen, ehe er sich selbst zur Ordnung rief und den Blick leicht abwandte.

„Finde es heraus", sagte Simón kurz darauf herausfordernd, da er wusste, dass er die Argentinierin so am besten überzeugen konnte. ,,Finde heraus, ob ich eine böse Seite habe und lass mich dir beweisen, dass du das gute Mädchen bist, das ich in dir sehe. Und dass du glücklicher bist, wenn du einfach du bist."

Ámbar biss sich leicht auf die Unterlippe, bis sie eine Entscheidung getroffen hatte. ,,Okay."

***

,,Gary!" Mit schnellen Schritten ging Ámbar auf den Mann zu.

 ,,Ámbar, was gibt's?" Überschwänglich lächelte er einen seiner Stars an. 

,,Ich hab mir ein paar Gedanken gemacht, wegen dem Team", fing die Blondine an. ,,Und zwar bin ich der Meinung, dass wir uns noch zwei Ersatzskater - einen männlichen und einen weiblichen - ins Team holen sollten. Falls sich mal jemand verletzt oder so." Abwartend sah Ámbar den Manager des Jam and Rollers an. 

,,Ich hoffe zwar, dass ihr aufpasst, dass das nicht passiert", er warf dem Mädchen einen strengen Blick zu, ,,aber ich denke die Idee ist trotzdem nicht schlecht."

 Die Argentinierin lächelte ihn selbstsicher an. Bis jetzt lief alles wie geplant. Naja, abgesehen von dem Detail, dass sie eine Woche bei Luna und ihren Freunden verbringen musste.

,,Hast du schon jemand Bestimmten im Kopf?" Gary hatte gerade sagen wollen, dass er sich darum kümmern würde, als er Ámbars Lächeln gesehen hatte. 

,,Ja, habe ich. Einer der Jungs vom ehemaligen Rollerteam skatet ziemlich gut und ich bin mir sicher, wenn ich ihm ein bisschen was vorspiele, krieg ich ihn überzeugt zu den Red Sharks zu kommen." Ámbar versuchte so überzeugend und selbstbewusst zu wirken wie möglich. Gary musste einfach ja sagen! Sonst wäre ihr ganzer schöner Plan hinüber. 

,,Wer?", erwiderte er emotionslos. 

„Simón" 

„Simón?" Der Mann dachte kurz nach, ehe er fortfuhr: „Der ist in der Tat recht gut. Und ihr beide skatet hervorragend zusammen. Noch dazu kennt er die aktuelle Choreographie schon, was uns Zeit spart... In Ordnung. Was meinst du wie schnell du ihn überzeugt bekommst?"

Ámbar bereitete sich innerlich auf den sicher folgenden Kampf vor. Gary würde ganz bestimmt nicht begeistert davon sein, dass sie sich für eine Woche dem Ex-Rollerteam anschließen wollte - musste - und die Red Sharks in dieser Zeit auf sie verzichten mussten. Vor allem, weil der Part von ihr und Benicio von Perfektion noch weit entfernt war. 

,,Ich würde für eine Woche zum ehemaligen Rollerteam zurückkehren und dann hab ich Simón überzeugt!" Sie zeigte es zwar nicht, aber Ámbar war ziemlich nervös. Warum sie unbedingt wollte, dass ihr Plan aufging, wusste sie selber nicht. Okay, das war gelogen. Sie wusste es, würde aber niemals zugeben, dass sie in Simóns Nähe sein wollte.

„Was?! Wie stellst du dir das denn vor?! Du kannst doch nicht einfach eine Woche lang aufhören zu trainieren! Wir können vielleicht Emilia schicken, um Simón zu überzeugen, sie und Ramiro beherrschen die Choreographie schließlich perfekt, aber dich brauche ich mit Benicio auf der Bahn."

Ámbar stöhnte innerlich auf. Sie war definitiv nicht Schuld daran, dass Benicio und sie nicht gut waren. „Ach ja? Wenn Benicio öfter zum Training erscheinen würde, wären wir auch deutlich besser! Außerdem funktionieren wir einfach nicht zusammen. Versuchen Sie es doch mal mit Benicio und Emilia. Dann kann ich Simón überzeugen und mit ihm skaten, denn wir beide funktionieren." 

Mit einer Mischung aus Skepsis und Verblüffung sah Gary die Blondine an. „Was meint du mit 'wenn Benicio öfter zum Training erscheinen würde'?" 

„Dass er ständig zu spät oder auch gar nicht kommt. Das ist doch der Grund, warum Simón mit mir die Schritte trainiert." Es war nicht so, dass es Ámbar störte mit Simón zu skaten statt mit Benicio, aber dass sie unter dem verantwortungslosen Verhalten des Italieners leiden musste, frustrierte sie und es tat gut ihrem Ärger Luft zu machen. 

Gary knurrte wütend und ballte die Hände zu Fäusten. „Gut, du kümmerst dich um Simón und ich rede ein ernstes Wörtchen mit Benicio." 

Zufrieden drehte Ámbar sich um und ging.

Simón hatte währenddessen Luna in das Ganze eingeweiht. Seine beste Freundin hatte wie erwartet skeptisch reagiert, was der Mexikaner gut verstand. Er wusste auch nicht, ob es richtig gewesen war zuzustimmen. Die Red Sharks würden in dieser einen Woche vermutlich alles versuchen, um ihn gegen seine Freunde aufzuhetzen. Aber er tat es für sie. Für Ámbar; das Mädchen, das er liebte. Und das würden seine Freunde bestimmt verstehen.

Simbar-The other sideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt