Kapitel 10

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Simón hörte ihr gebannt zu. Dieser Text passte perfekt zu Ámbar und ihm. Hatte sie ihn tatsächlich über ihn geschrieben? Oder war das einfach nur Zufall? Aber wenn es Zufall wäre, dann wäre sie doch nicht so nervös, oder? Diese Ungewissheit quälte den Jungen, doch er konnte es nicht einfach ansprechen. Er beschloss, sich weniger auf den Text und mehr auf die Melodie zu konzentrieren. Schließlich schien diese der Grund zu sein, aus dem Ámbar das Lied als unfertig betitelte.

Als die Argentinierin das Lied einmal komplett gesungen hatte, sagte Simón also einfach nichts, sondern begann sofort, seine Komposition dem anzupassen, was das Mädchen gesungen hatte.

Ámbar wusste nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte, weil der Junge nichts sagte. Ein wenig hatte sie trotz ihrer Nervosität die Hoffnung gehabt, dass Simón durch den Text verstehen würde, was sie für ihn empfand. Doch anscheinend war das nicht der Fall gewesen. Sie versuchte, ihre Enttäuschung beiseite zu schieben und sich auf das zu konzentrieren, was Simón tat. Der Mexikaner schien ihr tatsächlich helfen zu wollen, ihren Song zu perfektionieren. Es würde also doch irgendwo ihr gemeinsames Lied sein.

Kurze Zeit später schien Simón seine Arbeit beendet zu haben. Er sah Ámbar auffordernd an. „Singst du mit?"

Der Junge wartete, bis die Argentinierin ihre Zustimmung gegeben hatte; dann begann er, die neue Version von Anfang an zu spielen. Ámbars Stimme war nun wieder deutlich kräftiger als beim letzten Mal und verschmolz förmlich mit der von Simón erzeugten Melodie.

So ging das noch mehrere Male. Simón verbesserte hier und da eine Kleinigkeit und sie probierten es anschließend erneut. Ámbar hatte nach einigen Variationen die für sich perfekte Melodie gefunden und schließlich waren beide zufrieden mit dem Lied.

„Danke, Simón."

Überrascht sah der Mexikaner sie an. „Danke wofür?"

„Für deine Hilfe bei dem Lied. Das hätte ich alleine niemals geschafft."

Dieses Mädchen schaffte es echt immer wieder, ihn zu überraschen. Was war in den letzten vierundzwanzig Stunden mit ihr passiert? Warum war sie plötzlich so nett und unkompliziert? Egal was der Grund dafür war, Simón liebte es. Er liebte es, endlich wieder Zeit mit ihr verbringen zu können, ohne dass sie sich stritten. Das war das Mädchen, in das er sich verliebt hatte. Sie war zurück. Zumindest vorerst.

„Natürlich hättest du das. Du bist unglaublich talentiert, Ámbar."

„Danke, Simón. Ich hätte es trotzdem nicht so gut hinbekommen. Falls du es vergessen hast, ich spiele kein Instrument."

Damit hatte der Junge nicht gerechnet. Aber jetzt, wo sie es sagte, fiel ihm auf, dass er die Argentinierin tatsächlich noch nie an einem Instrument gesehen hatte. Ein schelmisches Lächeln bildete sich auf seinen Lippen.

„Das kann man ja ändern."

***

Mit einem breiten Lächeln im Gesicht betrat Simón eine Stunde später das Loft. Er hatte mit Nico und Pedro abgemacht, dass die beiden schon einmal kochen würden, während er noch einen Rundgang durch das Jam and Roller gemacht hatte, um zu überprüfen, ob sich alles an seinem Platz befand und alle Geräte ausgestöpselt sowie das Licht überall aus war.

Als er am Schluss seine Gitarre geholt hatte, hatten den Mexikaner sämtliche Erinnerungen des Tages überrollt wie eine große Flutwelle.

Die erste Erinnerung war das Komponieren zusammen mit Ámbar gewesen. Simón hatte sich dabei auf eine ganz neue Art und Weise mit dem Mädchen verbunden gefühlt. Musik allein war schon etwas sehr Starkes, vor allem was Gefühle anging, doch seiner größten Leidenschaft zusammen mit der Person nachzugehen, die er liebte, machte das alles noch um einiges stärker.

Simbar-The other sideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt