Kapitel 19

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Wir liebten uns unter der Dusche. Ich genoss die Nähe und meinen ersten Orgasmus, nach so langer Zeit. Es war wie Fahrrad fahren, etwas das man nie verlehren würde und auch in Miles Bewegungen und Stöhnen, hörte ich das Verlangen heraus, welches er endlich wieder ausleben konnte. Ich wusste nicht, ob es an der Zeit die vergangen war oder an mir lag, aber es war anders. Miles war anderes. Irgendwie grober in seinen Berührungen und nicht so zärtlich wie sonst. Natürlich gefiel es mir trotzdem, aber er schaute mir kaum in die Augen, stieß ziemlich hart zu und es kamen auch keine sanften Worte aus seinem Mund, wie sonst.
Kein "Ich liebe dich" nach dem wir fertig waren. Er ließ mich einfach los und duschte zu Ende. Während ich zitterternd hinter ihm stand und gerne noch eine Umarmung bekommen hätte. Ein komisches Magengefühl verbreitete sich in mir. Aber ich schob sein ganzes Verhalten und seine Distanz gegenüber mir, erst einmal auf die lange Zeit, in der wir uns nicht gesehen hatte. Es würde schon wieder alles normal werden, redete ich mir ein.
So verbrachten wir den morgen damit, schweigend zu frühstücken. Er schaute betrübt auf seinen Teller und aß ein Brot.
"Geht's dir nicht gut?", fragte ich nach einer gewissen Zeit, in der mich die Ungewissheit fast auf fraß.
Er schwieg.
"Miles?", ich berührte seine Hand und merkte, wie er ein bisschen zusammen zuckte und nach oben schaute.
"Du wirkst so abwesend. Was ist los?", fragte ich nochmal eindringend.
"Gar nichts, gar nichts. Alles gut." Er schenkte mit ein recht erzwungendes Lächeln und schaute dann schnell wieder weg, als wenn er mir nicht in die Augen gucken konnte.
Vielleicht müssten wir einfach wieder mehr Zeit miteinander verbringen. Sanft lächelte ich Miles an.
"Was hälst du davon, heute Abend mit mir einen Filmabend zu machen? Oder wir gehen ins Kino oder in ein Restaurant?"
Das letzte Wort sprach ich ganz vorsichtig aus, dass wäre meine letzte Idee gewesen. Er kaute abwesend auf seinem Brot rum.
"Ja, Kino hört sich doch gut an." Mehr sagte er dazu nicht. Meine Stimmung wurde immer bedrückter und ich traute mich kaum noch etwas zu äußern. Lag es vielleicht doch an mir? Den ganzen Tag, überlegte ich, was ich falsch gemacht haben könnte. Miles und Josh waren den Vormittag unterwegs und Mitch und ich waren zu Hause geblieben. Sie lag auf der Couch und ich im Sessel.
Immer wieder schaute ich zu Mitch rüber und wollte etwas sagen. Brachte es aber nicht über meine Lippen. Dann schaltete sie den Fernseher aus und seufzte leise. "Okay, du Schmollgesicht, ich kenne dich schon mein ganzes Leben lang. Was ist los? Liegt dir etwas auf dem Herzen?" fragte sie.
"Findest du auch, dass Miles sich komisch verhält?", fragte ich vorsichtig und spielte nervös mit einer Haarsträhne.
"Mir ist nichts aufgefallen", sagte sie direkt und zog eine Augenbraue hoch.
"Dann kommt er nur mir so vor?"
"Was genau meinst du denn?"
Mein Kopf rattert. "Ach vergiss es", sagte ich schnell und wollte meine Gedanken, dann doch lieber für mich behalten.
"Du machst dir zu viele Sorgen! Lass Ihn doch erstmal richtig ankommen. Er war ein Jahr nicht hier, wahrscheinlich braucht das alles Zeit."
Ich nickte. Vielleicht würde es im Kino heute Abend besser sein.
"Hast du Hunger? Wollen wir uns eine Pizza bestellen?" Mitch legte eine Hand auf ihren Bauch. Ich musste leicht lächeln und meine Sorgen waren für eine kurze Zeit ausgeblendet.
"Ja, können wir machen." Das war mir tausend mal lieber, als in irgendein Imbiss zu gehen und mir dort was zu holen. Sie stand auf, ging in die Küche und holte die Bestellkarte. Sie orderte eine Salamipizza mit extra Käse und ich eine Margaritapizza. Eine halbe Stunde später, stand der Pizzabote vor der Tür. Sie lud mich ein und wir ließen uns die Pizza schmecken. Wir waren gerade bei der Hälfte angekommen, als wir zwei Autotüren hörten. Mein Herz schlug schneller. Miles und Josh waren wieder da. Sie wollten beide zu Miles Mutter. Der Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt und dann kamen beide rein. Ich lächelte, als ich meinen Freund sah. Er schaute kurz zu mir, schenkte mir ein kleines Lächeln und ging dann sofort in die Küche. Josh hingegen gab Mitch einen Kuss und klaute ihr ein Stück Pizza. Ich saß weiter hier und wusste nicht, was ich tun sollte.
"Schwesterherz, was habt ihr heute so vor?", fragte Josh mich und mampfte das Stück Pizza.
"Eigentlich wollen Miles und ich ins Kino", sagte ich.
Josh guckte suchend zu ihm, der aber in der Küche verschwunden war und sich nicht blicken ließ.
"Miles meinte, dass er heute nichts vor hat", hörte ich meinen Bruder schmatzen. Wieder ein Schlag in die Magengrube.
"Wir wollten eigentlich nur kurz was snacken und sind gleich wieder weg", sagte er grinsend. "Bis später, ihr beiden Hübschen."
"Aber..."
Ich hörte wie das Schloss der Tür wieder aufging und Miles schnell raus huschte ohne mich nochmal an zu gucken. Es fühlte sich an, als wenn mit die Pizza wieder hoch kommen würde, so schlecht war mir plötzlich. Hilflos guckte ich zu Mitch, die genau so verdutzt guckte.
"Okay, dass war definitiv komisch", stimmte sie mir zu. "Hast du denn schon mit ihm darüber geredet?"
"Nein", ich starrte auf den Boden. "Ich wollte, aber dann war Miles gestern so müde und heute morgen auch so abwesend. Irgendwie kam es nicht dazu."
Mitch stand auf und setzte sich zu mir, um mir über den Arm zu streichen.
"Süße, mach dir keinen Kopf. Er bekommt sich schon wieder ein. Ganz sicher", sagte sie aufmunternd. Und ich war plötzlich froh, sie endlich wieder als meine Freundin bezeichnen zu können. Den restlichen Tag verbrachten wir damit in Kinderläden nach Babyklamottten zu gucken und Möbeln. Als ich diese kleinen, niedlichen Söckchen sah, kamen sowas in mir hoch wie Muttergefühle. Ich wünschte mir auch irgendwann Kinder. Ich hoffte Miles auch.
Am Abend lagen wir auf der Couch und guckten eine komische Castingshow. Wir lachten viel. Aber das Miles sich nicht meldet war schon komisch. Immer wieder guckte ich auf mein Handy. Aber ich hatte keine Nachricht. Als es irgendwann spätabends wurde und wir gerade ins Bett gehen wollte, ging sie Tür auf und mein Bruder kam herein. Ich hörte ihn seufzen.
"Wo ist Miles?", fragte ich sofort. Wir hatten zwar nicht abgesprochen, dass er heute Abend wieder bei mir schläft, aber irgendwie dachte ich, es wäre selbstverständlich. Josh sah so aus, als wenn ich ihn auf frischer Tat ertappt hätte.
"Ähm... Ich weiß nicht", sagte er und kratzte sich am Kopf.
"Josh! Ich weiß, dass du lügst."
Er ging an mir vorbei, auf Mitch zu. "Er kommt später, ihm ist was dazwischen gekommen", redete er sich raus. Sichtlich enttäuscht stampfte ich in mein Zimmer und ließ mich auf mein Bett fallen. Unglaublich, dass ich mir jetzt auch noch Sorgen um ihn machen musste. Wo war er nur?
Als ich endlich einschlief, hörte ich wenig später wie meine Tür auf ging. Miles? Mein Herz schlug schneller und ich kam mit dem Oberkörper hoch. Tatsächlich war er es und kam auf mich zu gehumpelt. War er betrunken?
Ich stand schnell auf und guckte auf die Uhr. 2.43 Uhr zeigte mein Wecker an. Miles musste sich am Regal fest halten. Er brabbelte irgendeinen unverständlich Mist. Langsam ging ich auf Ihn zu.
"Miles, bist du betrunken?" Fragte ich leise und auch etwas besorgt. Leise lachte er. Es klang verbittert.
"Ich? Niemals, wie kommst du denn auf eine so glorreiche Idee?" Seine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus. Warum redete er so mit mir?
"Ich mache mir Sorgen, warum kommst du so stock betrunken zu mir? Die Zeiten sind doch vorbei." Ich stand direkt vor ihm und schaute in der Dunkelheit zu ihm hoch. Das Grün in seinen Augen, sah gebrochen aus. Was war passiert, dass er so zu mir war? Er legte ein Hand an meine Hüfte, wahrscheinlich um sich bei mir abzustützen.
"Dann fangen die Zeiten eben wieder an. Alkohol lässt einen vergessen und das will ich mehr als alles andere." Was hatte er da gerade gesagt? "Miles? Was willst du vergessen?" Mein Herz schmerzte. "Habe ich etwas falsch gemacht, dass du mich seit gestern morgen so ignorierst?"
Er schaute mich an und sein Gesicht war ausdruckslos. In meinem Augen sammelten sich die Tränen.
"Lass es einfach, okay? Ich will jetzt nicht mit dir darüber reden. Lass mich einfach schlafen." Seine Stimme war jetzt nicht mehr sarkastisch. Sie klang forsch. Meine Tränen kullerten runter und brannten heiß auf meinen Wangen.
"Ja okay. Komm i-ich... Ich bringe dich zum Bett." Gemeinsam gingen wir los. Vorsichtig versuchte ich ihn darauf zu legen, aber er krachte mehr aufs Bett, als alles andere. Seine Augen waren geschlossen. Es tat mir weh, Ihn so zu sehen und noch mehr weh taten die Worte, die er mir entgegen gebracht hatte.
"Ich hole dir noch einen Eimer. Schlaf erstmal deinen Rausch aus." Ich machte Wasser und etwas Lauge rein, damit es nicht so stank, falls er wirklich kotzen sollte. Zurück im Zimmer, zog ich ihm die Schuhe aus. Den Eimer stellte ich neben das Bett. "Egal was mit dir los ist, vergiss nicht das ich dich liebe" Seine Augen waren geschlossen und ich hörte nur ein leises Grummeln. Mein Herz pochte vor Schmerz, dann deckte ich ihn zu und verließ das Zimmer. Ich ging in das Schlafzimmer meiner Eltern. Sie waren mal wieder nicht da. Langsam legte ich mich ins Bett und fiel Stunden später, in einem ziemlich unruhigen Schlaf.

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