Kapitel 21

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Ich schlang meine Arme um meinen Körper und atmete heftig ein und aus. Mein Handy klingelte. Mitch fragte mich, ob ich zu einem Möbelhaus kommen würde. Sie wollte nach neuen Möbeln für die Wohnung schauen, in die sie bald ziehen würden. Ich stimmte zu. Ich wusste nicht, wo Miles sich jetzt aufhalten würde, alleine der Gedanke daran machte mich fast verrückt. Vielleicht war er auch nur einem Freund gefahren oder er betrinkt sich irgendwo in einer Bar. Ich schüttelte den Kopf und musste mich ablenken.
Ich zog mir etwas anderes an und schnappte mir mein Auto um los zu fahren.

"Hey, schön das du kommen konntest", sagte Mitch und nahm mich in den Arm. Die Wärme und Herzlichkeit, die ich in diesem Moment spürte, war genau dass, was ich brauchte. Wir gingen rein und schauten uns um. Mitch erzählte etwas von minzgrünen Vorhängen und einer schwarzen Ledercouch. Ich schaffte es nur mit meinem Ohr zu zuhören, weil ich mit dem Gedanken wo ganz anderes war.
"Was ist los?", Fragte sie plötzlich und ich blieb stehen.
"Nichts", sagte ich sofort und schaute auf diese glückliche Familie auf dem Werbeplakat. Sie sahen so zufrieden und unbeschwert aus. Ich wünschte mir nichts mehr, als genau so eine Familie aufzubauen.
"Du hast glassige Augen, deine Haare sind nicht gekämpt und deine Hose sagt mir, du hattest keine Lust dich fertig zu machen." Wie immer hatte sie mich durchschaut.
"Ich hatte einen kleinen Streit mit Miles und jetzt weiß ich nicht, wo er ist", sagte ich leise und schaute auf mein Handy. Keine Nachricht, wie erwartet.
"Meinst du er ist zu Josh gefahren?", fragte ich.
"Nein, unmöglich. Josh hat heute ein Termin außerhalb der Stadt", Mitch kam auf mich zu und legte eine Hand auf meine Schulter.
"Er wird schon hier irgendwo sein. Ich meine, sein Mercedes hat er doch vor der Reise verkauft und ohne Auto bist du hier aufgeschmießen, also kann er nicht weit sein", sie versuchte mich zu trösten. Ich nickte.
"Vielleicht sollte ich Josh trotzdem einmal Anrufen. Vielleicht weiß er ja mehr", sagte ich leise. In dem Moment klingelte Mitchs Handy. Sie hatte eine Nachricht.
"Oh scheiße", hörte ich sie sagen.
"Was ist?"
"Miles wurde verhaftet."
Ich stand unter Schock. Miles war verhaftet worden. Das konnte einfach nicht sein! Die Zeiten, wo Miles sich wie ein blödes arschloch verhielt, holten uns langsam aber sicher wieder ein. Unsere Beziehung war zu diesem Zeitpunkt nurnoch ein kleiner Scheiterhaufen. Die Situation von heute morgen nagte an mir und scheinbar auch an ihm. Ich rieb mir über die Arme und Tränen bildeten sich in meinen Augen. Was war geschehen? Was war mit Ihm los und warum wurde er wieder zu seinem altem "Ich"? Mitch schaute mich voller Mitleid an. Sie drückte mich sanft an sich.
"Wir müssen sofort zur Polizei Station okay? Evy, keine Sorge es wird sich alles aufklären, ja?" Ihre Worte konnten mich nur ein bisschen beruhigen. Vorsichtig nickte ich mit dem Kopf. Zum Glück waren wir noch nicht losgefahren, denn so konnten wir uns gleich auf den weg machen. Mitch nahm meine Autoschlüssel. So aufgewühlt wie ich war, wollte ich jetzt auch kein Auto fahren. Mitch und ich gingen zu meinem Auto. Wir stiegen ein und Mitch fuhr los. Meine Sicht verschwomm. Die Tränen hatten gerade den Kampf gewonnen. Ich dachte, meine Semesterferien würden schön werden, nur Miles und ich. Das war mein Plan. Nächtelang an unserem Platz sein. Keine einsamen Momente mehr. Mein großer starker Miles, der mich nachts in die Arme schloss. Stattdessen war alles kaputt. Meine Beziehung. Meine Liebe. Meine Freundschaft zu ihm. Die Tränen rollten mir nur sie die Wange herunter. Ein kleiner Schluchzer entwich mir und Mitch legte ihre Hand auf mein Bein und streichelte es sanft.
"Liebes, hör auf zu weinen, wenn es jemand schafft dann ihr. Ich hab noch nie so eine starke Liebe gesehen." Ich nickte nur. Bloß konnte ich den Worten vertrauen?
Ich schiefte leise und schaute stumm aus dem Fenster, während der Autofahrt. Mitch macht leise das Radio an um die unangenehme Stille zu überdecken und meine Gedanken rasten. Ich schaffte es tatsächlich mich noch wieder zu fangen, kurz bevor wir auf dem Revier ankamen. Mit festen Schritten und entschlossen Miles zu retten, gingen wir hinein.
"Wir sind hier um Miles Davis abzuholen", sagte Mitch am Empfang und eine ältere Frau mit kurzen Haaren nickte uns zu.
"Ihr könnt ihn nur auf Kaution raus holen", sagte sie stumpf. "500 euro."
Ich riss die Augen auf. "Was genau ist passiert, dass wir 500 euro zahlen sollten." Mein Herz raste und meine Hände zitterten.
"Er wurde verhaftet wegen Körperverletzung. Ein anderer Mann hat Anzeige erstattet", bekam ich die Antwort. Hilflos schaute ich ihn Mitchs Gesicht. Eine Schlägerei?
"Geht's ihm denn gut?", Fragte Mitch sofort.
"Nach seinen Promillen Zustand, wird er noch einige Stunden zum ausnüchtern brauchen. Außerdem hat er ein blaues Auge. Aber sein Gegenüber liegt im Krankenhaus mit dem Verdacht auf Kieferbruch und einem Schädel Hirn Trauma."
Ich hielt mir die Hand vor den Mund und hörte Mitch laut einatmen. Was zur Hölle ist da passiert? Die Frage brannte sich in meinen Kopf. Und warum war Miles wieder betrunken.
Die Polizistin legte uns einen Zettel vor die Nase, den wir unterschreiben sollten. Mitch wusste, ich hatte das Geld zurück gelegt für schlechte Zeiten. Also unterschrieb ich und starrte weiterhin ins Nichts. Anschließend wurden wir gebeten in einem Wartebereich Platz zu nehmen. Die Türen öffneten sich und als mein Miles hindurch schlich, auf uns zu, da setzte mein Herz ein Schlag aus. Er sah verloren und hilflos aus. Irgendwie auch unschuldig. Aber er würdigte mir keinen Blick.
Auf einmal keimte etwas in mir auf und das war sicherlich keine Trauer. Die war zwar noch da, aber sie saß still und leise in der hinteren Ecke. Was jetzt in mir loderte war die pure Wut. Miles schaute mich voller leid an. Ich stand auf und ging entschlossenen Schrittes auf ihn zu. Da landete meine Hand schneller auf seiner Wange, als er drei zählen konnte. Er schreckte ein Schritt zurück. Damit hatte er wahrscheinlich nicht gerechnet. Aber er wusste, er hatte es verdient.
"Hast du dazu nichts zu sagen, Miles?" sprach ich leise, doch mit bestimmter Stimme. Sein Blick heftete sich auf den Boden und auf seinem Gesicht zeichnete sich meine Handfläche ab. Wenigstens funktionierte seine Durchblutung im Gesicht noch.
"Ich habe deine Kaution bezahlt. Von dem Geld, welches gespart hatte!", Ich hatte das es angesammelt um mir bald etwas schönes kaufen zu können oder um einen Puffer zu haben, wenn etwas kaputt geht. Wer hätte seine Kaution wohl bezahlt, wenn ich nicht wäre. Genau. Niemand.
"Wir fahren jetzt und dann nüchterst du dich aus!"
Mitch war ebenfalls aufgestanden und schaute nur fassungslos. Sie war die erste, die Anstand machte endlich dieses Revier zu verlassen. Den Miles hatte nicht vor sich zu verteiligen.  Meine Lunge brannte, so wie sie es heute morgen auf dem Rasen getan hatte. Bloß diesmal war ich keine 7 km gelaufen. Miles kam mir hinterher, während wir Mitch folgten. Es tat ihm leid. In seinem Gesicht erkannte ich Reue, aber das reichte mir nicht.
" Evy.." flüsterte er leise und mit rauer Stimme. Ich roch den Alkohol. Meine Wut verschwand und die Trauer machte sich wieder breit.
"Ich...", Er versuchte nochmal etwas zusagen. Aber ich schüttelte den Kopf.
"Nicht... es... Ich hab mir ganze zwei Wochen sorgen um dich gemacht. Du hast dich nicht bei mir gemeldet, doch Josh konntest du anrufen! Ich hab es satt! Du behandelst mich seitdem du wieder hier bist wie ein Stück Dreck!Ein ganzes Jahr lang musste ich auf dich verzichten und jetzt bin ich mir nicht mal mehr sicher, ob ich dich in meinem Leben will!" Meine Stimme war laut und brüchig. Der letzte Teil stimmte nicht so ganz. Nie würde ich Ihn ganz vergessen können. Dazu liebte ich ihn zu sehr. Viel zu sehr.
Mitch ging ein paar Schritte voraus um uns alleine zu lassen und Miles versuchte mich an der Schulter zu packen. Ruckartig drehte ich mich zu ihm um und guckte in sein schönes Gesicht. Nur das sein eines Auge angeschwollen war. Ich blieb stehen und schaute erwartungsvoll zu ihm.
"Ich konnte nichts dafür. Er hat mich provoziert", nuschelte er und kratzte sich am Kopf. Er roch nach Zigaretten und Bier. Seine Haut war aufschwollen, wie ein Schwamm.
"So sehr, dass du ihn Krankenhaus reif schlagen musstest?", Fragte ich mit lauter Stimme. Er schüttelte den Kopf.
"Er hat zu erst geschlagen, ich habe mich nur gewehrt", bekam ich die Antwort.
"Und warum in Gottes Namen bist du mitten am Tag in einer Bar und betrinkst dich. Anstatt mit mir Zeit zu verbringen?", Haute ich die nächste Frage einfach so raus und er rollte mit den Augen. Miles nahm mich nicht Ernst.
"Ich war verabredet", sagte er stumpf.
"Achja? Mit wem?", Noch mehr Wut kam in mir hoch.
"Mit einem Freund", sagte er trocken.
"Ich glaube dir kein Wort", entgegnete ich ihm und drehte mich wieder weg von ihm. So enttäuscht war ich davon, dass er mir nicht einfach die Wahrheit sagen konnte. Die Wahrheit, dass er ein Problem hat. Welches auch immer.

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