33.

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Meine Haare flattern mir ins Gesicht und tröpfchenweise kleckst etwas Kaltes auf meine Wangen und Stirn, weshalb ich sie immer wieder in Falten ziehe. Meine Nase zuckt Richtung Haaransatz, da die Tropfen mich kitzeln und eine sanfte Gänsehaut überzieht meine Arme. Ich will sie anheben, doch meine Gelenke gehorchen mir nicht und die Kälte befällt immer mehr meinen ganzen Körper, sodass sich meine Muskeln unangenehm zusammenziehen. Doch dann klingt ein Miauen an mein rechtes Ohr und so langsam regt sich mein Körper wieder. 

Ich öffne nämlich die Augen und starre direkt in zwei giftgrüne Linsen. "Evan", grummle ich verschlafen und noch vollkommen übermüdet, doch meine kleine Katze bemerkt davon natürlich recht wenig und schmiegt sich sofort an meinen Backen, ihr Schwanz schlägt mir dabei einige Male mit mehr Wucht ins Gesicht als erwartet. "Du kleiner Teufel", seufze ich halbherzig und schiebe sie ein Stück weg von mir, doch - was wäre auch anders zu erwarten - sie stolziert sofort zurück zu meinem Gesicht und miaut regelrecht tadelnd, dass ich mich am liebsten sofort wieder unter meiner Decke vergraben möchte.

Die ist übrigens auch der Grund dafür, weshalb ich eine mörderische Gänsehaut auf meinen beiden Armen deutlich erkennen kann. Meine Decke liegt nämlich schon halb auf dem Boden und noch dazu ist das große Fenster in meinem alten Kinderzimmer gekippt. Hach ja, mein altes Kinderzimmer. Wie viele Nächte mehr ich wohl noch hier drin verbringen werde? Im Moment habe ich ehrlich gesagt keinen blassen Schimmer.

Aus lauter Verzweiflung und Frustration, nicht aufstehen zu wollen aber trotzdem zu frieren, ziehe ich meinen kleinen Fellball wieder dicht an meine Brust und atme einige Male gegen ihr pechschwarzes Fell. Während meine Finger gedankenverloren durch ihr Fell streichen, schweifen meine Gedanken direkt wieder zu Louis ab und ich ertappe mich dabei, wie ich darüber nachdenke, was er wohl gerade macht und wie es ihm geht. Was mich einerseits todunglücklich macht, da er offensichtlich kein Teil meines Lebens mehr sein möchte und auf der anderen Seite aber auch fuchsteufelswild, weil ich meine Zeit mit Gedanken an ihn verschwende und er noch dazu nicht das verfluchte Recht hat, mich jetzt so stehen zu lassen, wo meine Gefühle so stark sind und ich ihn vor meiner gesamten Familie noch in Schutz genommen habe. Das habe ich einfach nicht verdient.

Draußen im Gang höre ich die Dielen knarzen, genau wie die Treppenstufen, schon seit Ewigkeiten haben meine Eltern diese Mängel beheben wollen, doch nichts hat sich geändert. Genau wie bei meiner Gefühlslage, wenn man es so sieht. Da allerdings die Laute von draußen lauter werden, rechne ich schon damit, dass jede Sekunde wieder meine Mutter ins Zimmer geschneit kommt und mich voller Elan begrüßt und zu einem gigantischen Frühstück überredet. Gerade jetzt, nachdem ich den Kaufvertrag für das Bistro unterschrieben habe, ist ihre Laune nicht mehr zu trüben und sie ist sogar schon so gut gelaunt, dass sie ihre eigenen wichtigen Termine vergisst. Anscheinend liegt ihr wirklich viel daran, dass ich von New York wegkomme. Dass ich nun endlich eine meiner größten Leidenschaften mit meinem Beruf vereinen kann, wird dabei aber wohl leider kaum der größte Beweggrund für ihre übermäßige Freude sein.

Also schnappe ich mir schnell meine Decke und haue mich wieder auf mein rechtes Ohr, um einen weiteren elangeladenen und wundervollen Morgen zu umgehen. Doch zu früh gefreut. Denn wie zu erwarten öffnet sich zwar kurze Zeit später die Tür zu meinem Zimmer, aber genau in diesem Moment durchfährt mein Handgelenk auch ein so großer Schmerz, dass ich mich vor Schmerzen stöhnend aufsetzen muss und mit Tränen in den Augen meinen Unterarm umklammere. Mein Blick trübt sich sofort durch das Wasser, das mir in die Augen schießt, dennoch erkenne ich glasklar die Silhouette, die sich da vor mir im Türrahmen abzeichnet. Die Tür fällt in ihr Schloss und meine Lippen formen seinen Namen, wollen ihn aussprechen, ansprechen, doch kein Ton entweicht meiner Kehle.

Lediglich meine Augen können den Konturen seines Körpers, seines Gesichts folgen. Aber das kann nicht sein. Das ist unmöglich, dass diese Person da vor meinen Augen Louis ist. Er ist zur Zeit in New York oder was weiß ich wo in der Welt, aber nicht bei mir Zuhause. Bei meinen Eltern. Erst als ein Schluchzen über meine Lippen kommt, scheinen wir beide wieder richtig zu Sinnen zu kommen, da er sofort einige Schritte in meine Richtung stolpert, und ich allerdings zurückweiche, da ich weder den Schmerz in meiner Hand, noch den in meinem Herzen gerade richtig kooridinieren, geschweige denn verarbeiten kann.

"Was zur Hölle willst du hier?", ist das erste, was mir so wirklich in den Sinn kommt. Das zweite folgt auch sofort: "Und wer hat dich überhaupt hier reingelassen?" Ich ziehe instinktiv die Decke höher, um mich irgendwie vor ihm zu schützen, doch innerlich weiß ich natürlich, dass dies vollkommen hirnrissig ist und Louis mir niemals wehtun würde. Obwohl, ist das wirklich so abwegig?

"Bitte lass es mich erklären, Harry. Lass mich dir alles erzählen. Jede Einzelheit. Von dem Moment an, indem ich in New York das Zimmer verlassen habe bis jetzt, wo ich dieses wieder betreten habe." Einen Augenblick hadere ich mit meiner Entscheidung und wohlwissend vermeide ich dabei jeglichen Augenkontakt zu Louis, doch als mein Blick hinab auf mein Handgelenk fällt und es wieder silbern glitzert, kann ich nicht anders, als ihm seufzend das Reden zu gestatten. Also tritt er einen Schritt näher an mich heran, aber nur einen, und geht schließlich auf die Knie, um mit mir auf Augenhöhe sein zu können.

"Harry, ich habe dich zu keinem Augenblick in dieser einen Woche jetzt verlassen. Nicht, als ich in New York gegangen bin und auch nicht als ich so lange weg geblieben bin. Alles, was ich getan habe, war, nach einer Lösung zu suchen, wie du und ich ein gemeinsames Leben haben können, eine gemeinsame Zukunft, Harry. Ich habe unzählige Menschen besucht. Professoren, alte Personen, die ähnliche Geschichten durchlebt haben wie du und ich, deren Schicksal beinahe dasselbe war. Und dabei war ich so blind nicht zu bemerken, dass ich eine Lösung die ganze Zeit direkt vor meiner Nase hatte. Also bin ich zu Brendan gegangen und habe ihn um einen Gefallen gebeten."

Mein Kopf dreht sich vor lauter Fragen, auf die ich noch immer keine Antwort erhalten habe, und es fällt mir wahnsinnig schwer, Louis aufgewühltem Gerede zu folgen. Vor allem als ich erkennen kann, dass ihm dicke Tränen über die Wangen rollen. Aber wieso ist er bei Brendan gewesen? Und von welchem Schicksal redet er? Ist meine problematische Familie etwa so ein schweres Schicksal? Es gibt doch unzählige Familien, in denen der Schwiegersohn nicht sofort komplett akzeptiert wird.

Louis scheint meinem Gedankengang jedoch besser folgen zu können als ich seinem, denn mit wenigen Schritten sitzt er neben mir auf meinem Bett und nimmt vorsichtig und eindeutig zitternd meine Hand. Und im Normalfall hätte das schon für einen Herzstillstand meinerseits gelangt. Doch als er dann seinen Ärmel nach hinten schiebt und sich zum allerersten Mal sein blanker Unterarm ohne Lederarmband offenbart, hört mein Herz wirklich für einen Moment auf zu schlagen.

Seinen Unterarm ziert keine silbern schimmernde Rose so wie bei mir. Sondern ein silbern leuchtender, wunderschöner Dolch.

Louis und ich sind keine Seelenverwandten. Wir sind es nie gewesen. Und werden es auch niemals sein.

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wow. phew.
ich lass das einfach mal so stehen.
spammt die kommis voll, aber bitte tötet mich nicht.
ich hab noch einige asse im ärmel, so viel kann ich sagen.
i hope you still liked this chapter.
love you all as always.

lilly x

Whole Souls (larry stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt