Tender and gentle People

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„So ... Ihr seit Chimis, oder?", fragte Benny unverblümt.

Die Gefährten hatten sich um den kleinen Feldkocher der Brüder gescharrt und blickten misstrauisch von ihrem Abendmahl auf. Benny und Denny waren nicht mit viel Proviant ausgezogen und hatten die Einladung von Leonora zu einem gemeinsamen Essen bestehend aus Trockenfleisch und Zwieback dankend angenommen. Umso überraschender kam Bennys plötzliche - und leicht feindselig klingende - Frage.

„Bro", murmelte Denny und verzog das Gesicht. „Musst du dich denn immer wie ein Arsch benehmen?"

„Was denn, ich werd doch wohl noch fragen dürfen, eh? Schließlich sind wir ja jetzt Zimmergenossen."

„Wäre es denn ein Problem, wenn wir welche wären?" fragte Anskar leichthin, doch die Härte in seinen Augen strafte den scheinbar unbekümmerten Tonfall lügen.

Benny hustete. „Kommt drauf an, ob ihr Kannis seid oder nicht."

Denny gab seinem Bruder einen Schlag auf die Schulter. „Sei nicht so ein Arsch! Er meint es nicht so. Wir haben viele Freunde, die Chimis sind, is also kein Problem. Ein paar sind sogar Fell - sind aber alles gute Jungs! Ernähren sich nur von Soylent."

Leonora runzelte die Stirn. „Soylent?"

„Aye. Komischer Name, ich weiß. Soylent und Juice. Hat irgendwas mit nem alten Film zu tun."

Anskar blinzelte. „Menschenfleisch, nicht wahr?"

Denny nickte. „Ja, von Mördern, Marodeuren, Mutanten, Monstern ... sprich allen, die Ärger machen. Juice is das Blut."

Theodor hörte dem ganzen mit offenem Mund zu. „Und - Scheiße! - man kann das einfach so in der Stadt kaufen?"

„Kaufen, pah!" murrte Benny. „Die meisten Chimis kriegen's umsonst! Diese Blutegel müssen nicht mal dafür arbeiten wie echte Menschen."

„Stimmt doch gar nicht!" sagte Denny. „Viele leisten ihren Dienst in der Stadtwache, patrouillieren das Umland oder übernehmen Arbeiten, die zu gefährlich für Norms sind."

Benny schnaubte. „Auch nur, weil es eine Möglichkeit ist, an Frischfleisch zu kommen. Wollen mal sehen was passiert , wenn uns die Mutanten und Räuberbanden ausgehen, wirst schon sehen."

Denny lachte. „Den Tag möchte ich gerne erleben."

„Pff!" Sein Bruder winkte ab und biss missmutig von seinem Trockenfleisch ab, hielt dann jedoch inne und betrachtete es eingehender. „Das ist doch nicht etwa ...?"

„Was? Menschenfleisch?" fragte Anskar unschuldig und wandte sich an Leonora. „Sag mal, ist das das Fleisch aus dem blauen Beutel oder aus dem schwarzen?"

Die Augen der beiden Brüder weiteten sich und Benny sah so aus, als wäre er kurz davor sich zu übergeben, als Anskar zu lachen begann. Leonora verpasste ihm einen Schlag auf die Schulter.

„Kein Menschenfleisch", sagte der Sukkubus nachdrücklich. „Skar hat nur eine seltsame Art von Humor."

Der hünenhafte Mann grinste schelmisch. „Ich weiß, ich weiß. Ich bin ein echt gemeines Monster."

Denny lachte lediglich nervös, doch sein Bruder sah so aus, als denke er ernsthaft darüber nach, Anskar heute Nacht im Schlaf zu erdrosseln. Er wollte seiner Empörung wohl gerade Luft machen, als etwas über das Metall des Containers kratzte und sie alle erstarren ließ. Stille breitete sich im Container aus, wurde jedoch schon bald von einem erneuten Hustenanfall Bennys unterbrochen. Zu ihrer aller Erleichterung folgte dem jedoch keine Reaktion.

„Muss der Wind gewesen sein", sagte der Junk-Hunter, nachdem sich sein Anfall gelegt hatte.

Leonora rieb sich die Arme, so als wäre ihr kalt. „Erzählt ihr uns ein bisschen mehr von Waagen?"

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