Benny und Denny setzten sich vor die Gefährten und Anskar war mehr als glücklich ihnen den Vortritt zu lassen. Er musterte die Wachmänner in ihren schwarzen Pelz-Umhängen und den ungewöhnlichen Rüstungen misstrauisch. Alle waren bewaffnet, doch die Art der Waffen unterschied sich von Mann zu Mann und von Rang zu Rang wie es schien. Die Männer auf dem Wehrwall trugen alles von Armbrust bis hin zum Schnellfeuergewehr und jeder hatte entweder eine Nahkampfwaffe in der Hand oder an der Hüfte.
Ein Trio aus Wachmännern trat aus den Schatten des Tors. Die kräftigen Männer trugen aus diversem Schrott geschmiedete Brustharnische; bei einem war sogar ein Straßenschild mit in die Rüstung verarbeitet worden, auf dem man noch immer „Friedrichsstraße" lesen konnte. Anskar gab ihnen zehn von zehn Punkten für kreatives Basteln. Ein gelbes Symbol prangte auf jeder Brust: ein großes Wagenrad, dessen Speichen aus Speeren gemacht worden waren. Es war dasselbe Symbol, das um vieles größer an Ketten und aus Metall gefertigt über dem Tor hing.
Das Symbol der Festungsstadt Waagen.
„Benny und Denny", sagte der größte der drei, ein graubärtiger Veteran mit einer langen Narbe unter dem linken Auge. „Habt mal wieder den Last Call verpasst und musstet ins Hotel einchecken, was?"
„Aye", rief Benny. „Hätte es euch umgebracht, die Zugbrücke nochmal runter zu lassen? Uns nämlich beinahe schon!"
Die drei Wachmänner lachten.
„Haben wir gehört", sagte ein untersetzter Kerl mit einer Augenklappe der locker eine Kalaschnikow in der Armbeuge hielt. „Nuke-Shit, ganz Waagen hat es gehört. Habt bei eurer Plünderei wohl wieder ein Nest aufgescheucht, was? Das wird teuer, Jungs ..."
„Wir haben nichts dergleichen getan!", begehrte Benny auf.
„Mmm. Vielleicht waren es ja eure drei neuen Freunde?", sagte der dritte Wachmann, ein hohlwangiger Kerl und dürr wie ein Skelett. „Woher kommt ihr?"
Leonora räusperte sich und als sie lächelte schien die Sonne aufzugehen. „Aus dem Süden. Wir sind so etwas wie Entdecker und haben so viel Gutes von Waagen gehört, dass wir eure Stadt mit eigenen Augen sehen mussten. Bis jetzt sind wir sehr beeindruckt – insbesondere, da wir ohne die Hilfe solch tapferer Männer wie euch vermutlich nicht die Nacht überstanden hätten."
Bei ihren Worten warfen sich die drei Wachmänner sichtlich in die Brust und schienen sich unter dem geballten Charme des Sukkubus förmlich in dümmlich grinsende Teenager zu verwandeln. Der mit der Augenklappe errötete sogar. Anskar musste ein Grinsen unterdrücken ... und ein klein wenig Eifersucht.
Dann jedoch huschte ein nachdenklicher Ausdruck über das Gesicht des graubärtigen Veteranen. Er deutete auf ihren Schlitten. „Woher habt ihr den?"
Die drei Gefährten wechselten alarmierte Blicke.
„Nun... Das ist eine lange Geschichte", begann Anskar.
„Dann fang besser mal an zu erzählen, denn ich kenne diesen Schlitten", sagte der Veteran und legte seine Hand an die Hüfte und näher an den Revolver dort.
„Oh-Gott-oh-Gott", murmelte Theodor und versteckte sich hinter Leonora.
„Wir wissen nicht wem der Schlitten zuvor gehört hat", sagte Anskar wahrheitsgetreu. „Vor einigen Tagen wurden wir von einer Gruppe Sklavenhändler überfallen. Sie sind jetzt tot, doch in ihrem Lager fanden wir diesen Schlitten und ... jetzt gehört er uns."
„Sklavenhändler?", sagte Graubart. „Wo war das?"
„In einer alten Ortschaft Namens Schierke, vielleicht drei Tage von hier", begann Leonora. „Sie hatten ihr Lager in einer alten Kirche."
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ARCHETYPE 2.0
Science Fiction★Fortsetzung der WATTYS 2018 "Die Wortschmiede" Gewinner Story★ ★Die blutige Liebesgeschichte im post-apokalyptischem Deutschland geht weiter... mit noch mehr Monstern. 😉★ Wir schreiben das Jahr 2158. Einhundert Jahre nachdem die Alte Welt im Zuge...