Into the Dark

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Als Theodor seine Geschichte beendet hatte, lehnte Hel sich in ihrem Stuhl zurück und ließ noch einmal alles vor ihrem geistigen Auge Revue passieren. Bei Kahlis Titten, aber es klang beinahe zu fantastisch um wahr zu sein.

Projekt Archetype.

Sie hatte gewusst, dass an diesem Trio etwas Besonderes war. Nur nicht wie Besonders. Anskar eine Bio-Waffe? Leonora ein Sukkubus? Alle drei Flüchtlinge aus einem der alten Superbunker, welcher die Götterdämmerung überdauert hatte? Es hörte sich mehr nach einer Fabel, als nach der Wahrheit an. Und doch glaubte sie Theodor – insbesondere nach dem was sie heute Nacht gesehen hatte. Die Archen-Bunker waren ihr ebenfalls bekannt – unterirdische Arkologien, die während des Großen Krieges erbaut worden waren, um den Privilegierten Sicherheit zu bieten. Viele hatten vor dem Ende der Alten Welt als Think-Tanks und Forschungsanlagen fungiert, in denen an Mitteln und Wegen gearbeitet wurde um das Chimära-Problem zu lösen. Sie waren die Samen, durch welche die Menschheit sich wie der Phönix aus der nuklearen Asche hätte erheben sollen und bedeuteten meist nur eines: Ärger. Relikte einer vergangenen Welt und einer Zivilisation, die in ihrem Größenwahn die Erde zerstört hatte. Voll mit Bewohnern, die glaubten, sie hätten noch immer einen Platz in der Welt, die sie geschaffen hatten. Ein paar dieser Bunker waren über die Jahre gefunden worden, wenig mehr als Nekropolen, deren Wunder besser vergessen geblieben wären. Andere hatten ihre Tore geöffnet, um der Welt einmal mehr Tod und Verderben zu bringen.

Walhalla 23 schien da keine Ausnahme zu sein.

Hel schlug ihre langen Beine übereinander, lächelte Theodor an und begann an ihren Fingern abzuzählen. „Um es zusammenzufassen: Ihr seid also Flüchtlinge aus Walhalla 23 und in dem Glauben aufgewachsen, die Oberfläche sei eine leblose und unbewohnbare Wüste. Die süße Leonora musste fliehen, weil sie das Missgeschick hatte, sich bei euch Unterweltlern in einen Sukkubus zu verwandeln und sie hat dabei auch gleich noch den Prototypen eines Bio-Waffen-Projekts als Leibwächter mitgehen lassen. Alles, nachdem sie besagtes Projekt sabotiert hat? Ein richtiger Unruhestifter, die Kleine. Kein Wunder, dass euer Odin seine Leute und diesen Cyberzombie hinter euch hergeschickt hat. Hab ich sonst noch was vergessen?"

Theodor nickte und seine Augenlider flatterten, als er versuchte sich auf die Elfe zu konzentrieren. Schweiß rann ihm aus der Beuge seiner Kehle über den Hals, als er schwer schluckte und sagte: „Sie haben mich – Scheiße! – auch noch ... entführt. Garstig ... nicht wahr?"

Hel lächelte, lehnte sich vor und fuhr ihm mit den Fingern durch das schweißnasse Haar. „Ups, mein Fehler. Gibt es vielleicht noch etwas, das du vergessen haben könntest? Etwas über Anskar vielleicht. Denk nach, Theo. Jede noch so kleine Information könnte Leben retten."

„Ich ... Ich habe alles ... gesagt ... was ich ... weiß", japste Theodor.

„Natürlich. Natürlich. Das hast du sehr gut gemacht. Schlaf jetzt und ruh dich aus. Ich werde mich um alles kümmern."

Der kleine Mann schloss die Augen und glitt umgehend in eine tiefe Ohnmacht. Die Elfe streichelte ihm noch einige Sekunden lang zärtlich über das Haar, ihr tätowiertes Gesicht bar jeglicher Emotionen.

Wenn Sattler oder Gretchen erfuhren, was sie gerade gehört hatte ...

Hel seufzte, beugte sich vor und küsste Theodor auf die spröden Lippen. Sie schüttelte traurig den Kopf und holte einen schwarzen Müllbeutel aus ihrer Jackentasche hervor. Er war aus sehr widerstandsfähigem Plastik, flexibel, doch reißfest und relativ klein – gerade mal groß genug für das, was getan werden musste. Sie betrachtete Theodor einige Momente fast wehmütig, dann stellte sie sicher, dass die Riemen, die ihn ans Bett fesselten auch wirklich gut saßen.

Sie würden ihren Zweck erfüllen ...

Hel kniete sich am Kopfende des Bettgestelles nieder, stülpte die Tüte über Theodors Kopf und straffte die Plastikschlaufen, so dass sie fest um seinen Hals lagen und keine Luft hineinließen. Der kleine Mann atmete ein, wodurch sein Gesicht sich durch den Unterdruck wie bei einem Leichentuch gegen das Plastik abzeichnete.

ARCHETYPE 2.0Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt