The Atomic

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Ahhh, sich wieder zu verlieben ...

Die junge Elfe ließ ihre strahlend blauen Augen über die Gäste des Atomic wandern. Sie waren alle hier, hereingetrieben vom großen Sturm, der über das Aschland auf sie zu rollte: die Schönen, die Hässlichen und die Wunderbaren von Waagen.

Es war schon viel zu lange her, dass sie den Veränderten-Vierteln einen Besuch abgestattet hatte. Viel zu lange. In Unter-Waagen sah man die Fey dieser Tage nur noch selten, doch hier ... Sie konnte sich gar nicht satt sehen an diesen einzigartigen Wesen, ein jedes ein Kunstwerk aus Fleisch, besonders die Elfen, für die sie schon immer eine besondere Vorliebe hatte. Nur wenige Veränderte waren mit soviel Schönheit, mit soviel Anmut gesegnet. Geistesabwesend streichelte sie sich über die Haut ihres Unterarms und genoss die Empfindung. Elfenfleisch war so weich und wunderbar. Aber dennoch – sie hatte sich erst vor kurzem in einen Elfen verliebt und etwas Abwechslung würde nicht Schaden.

Sie ließ ihren Blick über die Gäste des Atomic wandern und ein Lächeln zeigte sich auf ihrem Antlitz. King hatte offensichtlich neue Schank-Maiden eingestellt. Hübsche junge Dinger – ein Paar Menschen, eine Elfe, zwei Zwerginnen. Sie trommelte mit den Fingern auf der vernarbten Plastikoberfläche ihres Tisches.

Nein, viel zu auffällig.

Sie seufzte und lehnte sich gegen das knarzende rote Leder ihrer Sitzbank, zog sich tiefer in den Schatten ihres Alkovens zurück und ließ ihren Blick weiter wandern, diesmal über die Gäste. Reisende waren meist eine bessere Wahl – sie waren lockerer, weniger oft gebunden und offener gegenüber Spaß. Sie schloss die Augen und atmete tief ein. Die Luft war geschwängert vom süßen Geruch so vieler Körper, vom Aroma brennenden Holzes und brutzelnden Fleisches, von Bier und dem Lachen und Schwatzen der vielen Gäste des ungewöhnlichen Etablissements. Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch.

So viele potentielle Partner, so wenig Zeit.

Die Doppeltüren des Atomic wurden aufgestoßen und sie beugte sich interessiert vor, als eine breit grinsende, im Gesicht tätowierte Elfe in den Raum trat. Sie seufzte, als sie Hel erkannte. So wunderschön, doch auch außer Reichweite, so dass sie sie nur aus der Ferne bewundern und träumen konnte. Die Herrin der Disciples war niemand, in den sie es sich leisten konnte sich zu verlieben. Nein, ihre fanatischen Jünger würden sie bestimmt nicht teilen wollen und ihr nur Probleme machen.

Sie stieß ein schmollendes „ Ach Menno" aus und ließ sich in das weiche Leder der Sitzbank zurückfallen, nur um sich umgehend wieder interessiert vorzulehnen, als sie die Begleiter von Hel sah. Ihre Augen weiteten sich. Ein Trio in Mäntel gekleideter Gestallten trat ein und sah sich mit der Neugierde von Außenseitern um. Ein kleiner Mann mit Gläsern auf der Nase, ein vernarbter Hüne und ... eine Göttin.

Sie war wunderschön – geradezu atemberaubend – groß, schlank und sinnlich, verdorben und unschuldig zugleich. Ihr volles Lächeln war strahlend weiß, die Augen grün und feurig wie Smaragde, das schulterlange Haar rötlich in den Flammen der großen Feuer, die in der Mitte des Atomic vor sich hin loderten.

Die junge Elfe lächelte. „Touristen ... Perfekt."

Ahh, sich wieder zu verlieben ...

***

Anskar stieß einen leisen Pfiff aus.

Wenn eine Wikinger-Met-Halle und ein amerikanisches 60er Jahre Diner ein Kind miteinander gehabt hätten, dann wäre es das Atomic. In einer einzigartigen Mischung aus Rustikal und Rokoko, wechselten sich die ausgestopften Köpfe diverser Bestien mit Artefakten aus den Tagen vor der Götterdämmerung ab. Vergilbte sechziger Jahre Poster mit grinsenden Schönheiten verkündeten Slogans wie „The Original Coca-Cola Experience" oder „Best Burger in Town". Keltische Knotenmuster verzierten die Holzwände, die Stützpfeiler hatten die Form sich windender Drachen und über allem strahlten und pochten die verschiedensten Neonreklamen.

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