Es war ein Wunder, dass sie ihn nicht einfach abknallten.
Der Tag war für die Männer und Frauen, die für die Sicherheit des exklusiveren Teils des Hafens verantwortlich waren schon schlimm genug gewesen. Nach der Blamage mit dem stählernen Titanen, der sie so einfach in die Flucht geschlagen hatte, juckte es mehr als einem der Söldner auf dem Wehrwall in den Fingern. Sie hatten nicht wenig Lust, den dreckigen Verrückten abzuknallen, der torkelnd und taumelnd und um sich schreiend auf sie zugeeilt kam. Hätten es vermutlich, wenn er nicht lauthals nach einer bestimmten Person geschrien hätte: Hel – und keiner wollte sich mit der verrückten Elfe anlegen. Nicht nach dem, was heute hier passiert war.
„Hel! Ich – SCHEISSE! – muss mit Hel sprechen!", schrie Theodor, als er wie ein Amok laufendes Huhn ungebremst auf das zerfetzte Tor und die beiden riesigen Wachen dort zueilte. Er schien weder die beiden offensichtlich an Drüsenproblemen leidenden Männer, noch die Maschinengewehre in ihren steroid-geschwollenen Pranken zur Kenntnis zu nehmen. Was an und führ sich schon ausreichen würde, um ihn als verrückt und gemeingefährlich abzustempeln.
Als Theodor nur noch fünf Schritte entfernt war hob einer der zwei wandelnden Fleischberge seine Hand und atmete tief ein um „Halt!" zu rufen – doch nur ein Würgen kam über seine Lippen. Die kleine Gestalt mit den irren Augen stank schlimmer als die Eingeweide eines Rott-Wahls: eine widerliche Mischung aus Fäkalien, Blut und Fisch, die einem den Atem verschlug. Die beiden Riesen wichen vor Theodor zurück wie das Rote Meer vor Moses und der kleine Mann stürmte auf den Platz und nach einer kurzen, frettchenhaften Orientierung, auf die Wägen von Hel zu. Es war ein Wink des Schicksals, dass die Elfe gerade diesen Moment wählte, um die Queen Cassiopeia zu verlassen.
„Heeeeeel! Hel! Hel! Hel!" schrie Theodor und eilte mit rudernden Armen auf sie zu. Seine Augen waren weit aufgerissen. Die Pupillen unabhängig voneinander mal groß, mal klein, als die generösen Dosen Morphin und Adrenalin in seiner Blutbahn um Vorherrschaft kämpften.
Hel, die in ihrem langen und ereignisreichen Leben schon viel gesehen hatte – insbesondere eine beeindruckende Auswahl blutiger Irrer – blieb trotz allem mit offenem Mund stehen, als sie Theodor erkannte.
„Waffen runter!", herrschte sie ihre Männer an, als einige auf die bizarre Gestalt anlegten.
Sie eilte Theodor entgegen und ihre langen Beine fraßen die Meter förmlich. Auch sie wich jedoch vor ihm zurück, kaum da der Wind ihr seinen bestialischen Gestank entgegen trug. Theodor kam strauchelnd zum stehen und keuchte wie ein Schmiedeblasebalg mit einem großen Loch darin.
„Was bei Kahlis Titten—"
„Keine – Scheiße! – Schimpfworte bitte!", kreischte Theodor, blinzelte und flüsterte dann, „Entschuldigung. Entschuldigung! Entschuldigung? Bin wohl noch immer auf meine Draußenstimme gestellt. Draußenstimme! Haha. Lustiges Wort."
Hel nickte und sprach beruhigend auf ihn ein. „Schon gut, kleiner Mann. Keine Schimpfworte. Was ist passiert?"
Theodor starrte sie einen Moment mit blankem Gesichtsausdruck an. „Was...? Was ist passiert?"
Hel nickte nachdrücklich. „Ja. Wo sind Skar und Nora? Du erinnerst dich doch noch an deine Kameraden? Oder eure zwei Führer, diese einarmigen Banditen?"
Theodors Augen weiteten sich. „Tot! Beide tot! Nicht Nora oder Anskar. Die anderen. Glaube ich. Denny haben sie erschossen. Benny auch. Der schwarze Mann hat ihn viergeteilt. Der Schwarze Mann! Obwohl er nur zwei Beine und einen Arm hatte, verstehst du? Viergeteilt!"
Mittlerweile hatten Hels Männern zu ihr aufgeschlossen. Sattlers Roughnecks fächerten unterdes aus, um sich gegen einen möglichen Hinterhalt abzusichern. Sie schnippte herrisch mit den Fingern. „Otter, gib mit deinen Mantel."
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ARCHETYPE 2.0
Science Fiction★Fortsetzung der WATTYS 2018 "Die Wortschmiede" Gewinner Story★ ★Die blutige Liebesgeschichte im post-apokalyptischem Deutschland geht weiter... mit noch mehr Monstern. 😉★ Wir schreiben das Jahr 2158. Einhundert Jahre nachdem die Alte Welt im Zuge...