Pat:
Das ist eine Genugtuung für mich, meinen Boss da so angekettet zu sehen. Gleich wird er mal am eigenen Leib erfahren, wie es ist, wenn man jemanden hilflos ausgeliefert ist und extreme Schmerzen den Körper zusammenkrümmen. Ich werde ihm einen Elektroschocker in seinen verdammten Arsch schieben und mit jedem Stromschlag die Intensität langsam erhöhen.
Pat stand hinter seinem Boss. Dieser hatte rostige Manschetten an Hand- und Fußgelenken, welche mit kurzen Eisenketten an ebenso rostigen Ringen in der Wand befestigt waren. Gerade brachte Pat den Elektroschocker in die richtige Position, als sein Wecker klingelte. Schweißgebadet schreckte er hoch. Schade, alles nur ein Traum. Aber dieser Traum brachte ihn dazu einen Plan zu schmieden. Er würde sie alle umbringen, er hasste sie alle. Alle, durch die er Schmerz und Leid ertragen musste. Zuerst würde er diesem Spasti von Ian den Hals umdrehen, dann würde er sich um diese blöde Blindschleiche Melek kümmern und das beste würde er sich zum Schluss aufheben. Er würde seinen sadistischen Boss ganz langsam in kleine Scheibchen schneiden.
Melek:
Etwa zur gleichen Zeit klingelte auch Meleks Wecker und riss sie aus dem Schlaf. Müde rieb sie sich die Augen, aber sie musste raus. Sie musste heute früh aufstehen, weil sie mit Simon vereinbart hatte, dass sie ihn verfolgen sollte. Er hatte eine Kollegin gebeten, ihn nach Reichsdorf zu begleiten, um sich diese Wellness-Farm einmal aus der Sicht einer Frau anzusehen. Melek sollte seine Schritte bis zum Bahnhof an Rebecca berichten und da es möglichst authentisch sein sollte, war dies heute wie eine richtige Beschattung.
Simon:
Simon hatte sich heute einen Tag Urlaub genommen, einen Tag Urlaub, von dem Rebecca nichts wusste. Er war trotzdem ins Büro gefahren, denn dort wartete bereits eine Kollegin auf ihn. Es handelte sich um Christine, auch sie hatte sich an diesem Tag frei genommen, um Simon nach Reichsdorf zu begleiten. Rebecca und sie hatten in etwa den gleichen Geschmack und so sollte sie sich die Farm einmal anschauen und abschätzen, ob es Rebecca dort gefallen würde. Gestern hatte Simon noch bei Melek angerufen und sie über sein Vorhaben informiert. Er hatte ihr vorgeschlagen, dass sie ihn doch beschatten könne, um wahrheitsgemäß bei Rebecca Bericht erstatten zu können. Simon und Christine machten sich auf den Weg. Von Melek war nichts zu sehen, sie war wirklich gut in ihrem Job.
Unbekannt:
Gestern nach dem Gespräch mit Melek hätte er sich am liebsten in Fötus-Stellung mit dem Daumen im Mund in sein Bett gelegt und sein Kissen vollgeheult. Manchmal war er wie ein kleines Kind und ekelte sich vor sich selbst. Wie kann man sich nur so gehen lassen? Aber er besann sich natürlich rechtzeitig eines besseren. Es wurde ihm klar, dass diese Melek doch eigentlich gar nicht so schlau war. Jeder hätte beim Anblick seines kleinen Geschenks sofort denken müssen, dass es eine Fernbedienung sein könnte. Er würde ihr noch einmal verzeihen, dass sie ihn so aus der Fassung gebracht hatte. Er überlegte schon, wie er ihr den nächsten Tipp unterjubeln konnte.
Melek:
Nach einer schnellen Tasse Kaffee und einer hastig heruntergeschlungenen Schüssel Schoko-Müsli machte sich Melek auf den Weg. Sie fuhr zu dem Büro, in dem Simon arbeitete und wartete vor der Eingangstür im Verborgenen auf die beiden. Als Simon und seine Kollegin auf die Straße traten, heftete sie sich an ihre Fersen. Sie bemerkte, wie Simon gelegentlich über seine Schulter sah und scheinbar Ausschau nach ihr hielt. Obwohl es ja eigentlich egal gewesen wäre, ob Simon sie bemerkte, oder nicht, blieb sie immer außer Sicht der beiden. Schließlich war das auch eine gute Übung für den Ernstfall. Ungesehen schlüpfte sie hinter ihren Zielpersonen in Busse und Bahnen, welche diese benutzten, um zum Bahnhof zu gelangen. Sie wartete am Bahnsteig noch, bis die beiden in ihren Zug eingestiegen und abgefahren waren, dann machte sie sich auf den Heimweg. Zu Hause würde sie einen kleinen Bericht für Rebecca verfassen und sie dann kontaktieren.
Rebecca:
Wie jeden Morgen nach dem Frühstück und nachdem Simon die Wohnung in Richtung Büro verlassen hatte, schaute Rebecca in ihr E-Mail Postfach. Heute war endlich einmal etwas neues von der Detektivin Melek dabei. Sie hatte einen Beschattungsbericht angehängt und um ein Gespräch gebeten. Ein Beschattungsbericht, irgendwie bekam Rebecca nun doch ein schlechtes Gewissen, als sie den Dateinamen der Anlage las. Ein Beschattungsbericht, sie dachte daran, dass man doch nur Verbrecher beschatten müsse. Ihr Mann war kein Verbrecher, ja, vielleicht war er noch nicht einmal ein Ehebrecher und sie hetzte ihm eine Verfolgerin auf den Hals. Nachdem Rebecca den Bericht gelesen hatte, dachte sie allerdings schon wieder ganz anders über ihren Mann. Sie griff zum Telefon, rief Melek an und machte mit ihr einen Termin aus. Melek hatte es sichtlich eilig, denn sie wollte bereits um 9 Uhr zu Rebecca in die Wohnung kommen.
Melek:
Wie gut, dass Rebecca gleich Zeit hatte. Melek hatte auch darum gebeten, zu ihr in die Wohnung kommen zu dürfen. So konnte sie sich dort auch einmal unauffällig umsehen. Vielleicht entdeckte sie ja irgendetwas, was durch diese Fernbedienung aktiviert werden sollte. Sie machte sich sofort auf den Weg und kurze Zeit später klingelte sie an Rebeccas Wohnungstür. Es dauerte nicht lange und Rebecca öffnete. Sie bat Melek herein und beide setzten sich in der Küche an den Esstisch.
„Wollen sie etwas trinken,", fragte Rebecca, „vielleicht einen Kaffee?"
„Ja, danke, gerne."
Rebecca kochte Kaffee, schenkte sich und Melek eine Tasse ein und setzte sich wieder.
„Entschuldigen sie, dass ich so sprachlos bin. Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber das, was in ihrem Bericht stand, hat mich doch sehr geschockt."
„Nun mal langsam, noch ist ja gar nichts erwiesen. Das alles kann sich als etwas ganz banales entpuppen. Die beiden haben ja weder Händchen gehalten, noch haben sie gar geknutscht.", beschwichtigte Melek sie.
„Ich würde das ja gerne glauben, dass da zwischen den beiden nichts läuft, aber...", sagte Rebecca verzweifelt und ließ den Satz unbeendet.
„Man kann jetzt noch keine voreiligen Schlüsse ziehen. Sie müssten mir noch ein wenig mehr Zeit geben, um das ganze genauer nachzuverfolgen."
„Ich gebe ihnen alle Zeit der Welt, wenn sich nur herausstellt, dass das alles ganz harmlos ist."
Melek freute sich innerlich. Die erste Hürde war also geschafft. Rebecca würde sie weiterhin beauftragen. Nun zum zweiten Punkt ihres Besuchs. In der Küche hatte sich Melek bereits unauffällig umgesehen, aber nichts ungewöhnliches entdecken können. Sicher, da waren die ganzen Elektrogeräte, die man in einer Küche normalerweise findet, und jedes einzelne konnte natürlich irgendwie manipuliert worden sein, sodass diese Fernbedienung irgendetwas bei ihnen hätte bewirken können, aber rein äußerlich war von Manipulation nichts zu erkennen. Melek wollte sich aber noch in anderen Bereichen der Wohnung umsehen und fragte daher,
„Kann ich bitte mal ihre Toilette benutzen?"
„Ja, sicher, sie ist am Ende des Flurs, direkt links neben der Wohnungstür."
Melek ging zur Toilette, schaute sich auch dort intensiv um, zog dann die Spülung und wusch sich die Hände, um so zu tun, als wäre sie auf dem Klo gewesen. Auf dem Rückweg machte sie zielsicher einen Schlenker ins Wohnzimmer. Auch hier sah sie sich um, bis Rebecca an ihre Seite trat.
„Oh, Entschuldigung, ich hab wohl den Weg zur Küche nicht mehr gefunden. Passiert schon mal, wenn man blind ist.", erklärte Melek entschuldigend.
Rebecca konnte ja nicht wissen, dass sie dank ihres zweiten Ichs überhaupt keine Probleme hatte, irgendwelche Wege zu finden. Rebecca geleitete Melek wieder in die Küche, wo die beiden vereinbarten, dass Melek Simon weiter beschatten solle. Als Melek ihren Kaffee geleert hatte, verabschiedete sie sich und verließ die Wohnung in Richtung ihres zu Hauses.
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Werde ich es schaffen (Secret Cases - Teil 2)
Misterio / SuspensoZweiter Teil der Secret Cases-Reihe von Özge Yildiz. 72 Stunden hat sie Zeit, um Schlimmeres zu verhindern. 72 Stunden hat sie Zeit, um die Gefahr zu bannen. Wird sie es schaffen? Wird sie den unbekannten Täter diesmal erwischen? Wird sie ihn überli...