25 - Cat

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„Was erwartest du von mir? Dass ich die Lügen ignorier'?"
(Jasper – Immer noch hier)

Schluchzend saß ich in meinem Zimmer. Dass er eben vor meiner Tür gestanden hatte, hatte meinen Gemütszustand nicht unbedingt verbessert. Eher im Gegenteil. Er hatte so ahnungslos ausgesehen, so schockiert, als er bemerkt hatte, dass ich es wusste. Und dieser Schock in seinen Augen hatte mich nur noch mehr verletzt. Ihm war bewusst geworden, dass es vorbei war, dass er nicht würde gewinnen können. Keine Entschuldigung war über seine Lippen gekommen, keine Erklärung. Er interessierte sich nicht für mich als Person, sondern nur für mich als Wettobjekt. Und das tat verdammt weh.
Ich hatte mich grundsätzlich in ihm getäuscht. Die liebe, sanfte Seite, die ich an ihm entdeckt zu haben glaubte, war nur aufgesetzt gewesen. Er war der Draufgänger, den ich im Oktober kennengelernt hatte. Er hatte sich nicht verändert, sondern nur so getan.
„Catie ist alles klar bei dir?" Phil steckte den Kopf in mein Zimmer und erstarrte, als er mich wie ein Häufchen Elend auf dem Bett sitzen sah. Sanft schloss er mich in den Arm, worauf ich das Schluchzen nicht mehr unterdrücken konnte.
„Was ist passiert?"
„Er hat es nicht ernst gemeint. Ich war nur ein Spiel für ihn."
Er spannte sich an. „Jay?"
Ich nickte nur und vergrub meinen Kopf noch tiefer in sein Shirt. „Es ist genau wie mit Drew damals. Warum immer ich?"
„Catie das wird alles wieder. Mach dir keine Sorgen." Er stand auf. Anscheinend hatte er eine Idee.
„Wie soll denn alles wieder gut werden? Kannst du mir das mal verraten?" Ich flüsterte nur und er hörte meine Worte nicht mehr, da er schon die Tür hinter sich geschlossen hatte. Was hatte er nur vor?

Am nächsten Tag ging ich nicht in die Schule. Ich fühlte mich nicht in der Lage dazu, Jay jetzt schon wieder zu begegnen. Den ganzen Tag verkroch ich mich in meinem Zimmer und wollte niemanden sehen. Mein Dad, der jetzt für eine Woche Urlaub hatte, schaute ab und zu bei mir vorbei, doch er schien zu merken, dass ich meine Ruhe brauchte. Meine Geschwister kamen nach der Schule ebenfalls zu mir ins Zimmer und berichteten mir, dass sie bald schon wieder losfahren würden, weil sie sich das Basketballspiel ansehen wollten.
Ich wollte es nicht hören. Basketball erinnerte mich an Jay und ich wollte an alles andere denken, nur nicht an ihn, auch wenn das nicht möglich war. Das Einzige, was meinen Kopf ausfüllte, waren die Gedanken an ihn.
„Wir fahren dann jetzt, okay?" Ronnie lächelte mir aufmunternd zu, während ich nur nickte. Sie seufzte leise, als sie merkte, dass ich keine wirkliche Reaktion zeigte, und schloss meine Zimmertür wieder leise.
Mir war kalt, obwohl ich mich in meine Decke eingewickelt hatte. Es war keine äußerliche Kälte, eher die Kühle, die mich von innen her aufzufressen schien. Es war die Gewissheit, dass ich Jay nichts bedeutete.
Ich schmeckte das Salz der einen Träne, die sich ihren Weg zu meinen Lippen gesucht hatte. Energisch wischte ich sie weg. Er hatte es nicht verdient, dass ich wegen ihm weinte. Doch trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass ich genau dies schon den ganzen Tag tat.
Zur Ablenkung schaltete ich den Fernseher in meinem Zimmer ein und blieb an einem Kanal hängen, der gerade irgendeinen Horrorfilm zeigte. Normalerweise konnte ich mir diese Filme nicht anschauen, weil ich mich immer zu sehr fürchtete, aber heute nahm ich die Handlung gar nicht richtig wahr.
Leise klopfte es plötzlich an meine Tür. Erstaunt wendete ich meinen Blick vom Fernseher ab.
„Ja?", krächzte ich, worauf sich die Zimmertür öffnete.
„Hallo Sonnenschein."
Eine Weile starrte ich sprachlos auf den blonden Typen, der mich leicht lächelnd ansah.
„Owen.", flüsterte ich kaum hörbar und sprang auf, um auf ihn zuzugehen. Leider verfing ich mich dabei in meiner Decke und stolperte mehr auf ihn zu, als dass ich lief. Ich fiel regelrecht in seine ausgebreiteten Arme, die mich auffingen. Ich drückte meinen Kopf gegen seinen Oberkörper und ließ den Tränen, die sich schon wieder in meinen Augen bildeten, freien Lauf.
„Was tust du hier?", nuschelte ich in seinen Pullover hinein.
„Phil hat gestern angerufen und gesagt, du könntest einen Freund gebrauchen." Sanft fuhr er mir durch die Haare und drückte mir einen leichten Kuss auf den Kopf.
„Und da kommst du einfach vorbei? Einen Tag vor Heiligabend?"
„Warum nicht? Ich dachte, ich mache einen kleinen Abstecher und fliege von hier aus nach Hause. Ich habe meinen Dad angerufen und ihn gebeten, meinen Flug umzubuchen. Erstens hat er genug Geld und zweitens hat er immer noch ein schlechtes Gewissen, dass er sich für eine andere von Mom getrennt hat. Warum soll ich das nicht ausnutzen?" Ich hörte sein Grinsen und musste ebenfalls leicht lächeln.
„Du bist der Beste, Owen." Ich schniefte einmal und löste mich von ihm, um mich wieder aufs Bett sinken zu lassen. Er folgte meinem Beispiel und machte es sich neben mir bequem.
„So bin ich nun mal." Er lachte leise und sah auf den Fernsehbildschirm. „So was siehst du dir an? Das ist ... ungewöhnlich."
„Das ist es wohl.", seufzte ich. „Aber besser ich sehe mir an, wie diese Mädchen da reihenweise abgeschlachtet werden, als dass ich mir Gedanken mache."
„Ach komm schon, Sonnenschein. Du hast schon ganz andere Sachen durchgestanden. Willst du dich hier wirklich verkriechen? Willst du ihm nicht zeigen, was er verpasst?"
„Ich schätze, Phil hat dir alles erzählt."
„Hat er.", bestätigte Owen. „Und ich finde, du solltest ihm beweisen, wie toll, hübsch und wunderbar du bist. Er soll merken, was ihm alles entgeht."
Ich hob meinen Kopf und lächelte ihn an. „Danke für die Komplimente."
„Für dich doch immer." Grinsend wuschelte er mir durch die Haare und ich bewunderte einmal wieder seine Fähigkeiten, mir immer bessere Laune zu bescheren. Auch wenn es immer noch unglaublich schmerzte, waren die Tränen versiegt und ein kleines Lächeln konnte sich schon wieder auf meinem Gesicht bilden.
„Wie sieht's denn eigentlich bei dir aus? Hast du endlich eine Freundin?"
Er lächelte geheimnisvoll, schüttelte aber den Kopf.
„Warum nicht? Bei so einem einfühlsamen, charmanten, liebenswürdigen, gut aussehenden Kerl wie dir müssen die Mädchen an deinem College doch Schlange stehen."
„Also jetzt übertreibst du." Er lachte wieder sein unvergleichliches, ansteckendes Lachen. „Die meisten Mädchen sind nur aufgeblasene, oberflächliche Zicken."
„Aber?"
„Aber was?"
„Irgendein Mädchen muss es doch geben!", beharrte ich und grinste ihn an. Er schaffte es wirklich, mich abzulenken. „Wie heißt sie? Wie sieht sie aus?"
„Also gut, sie heißt Vanessa." Erneut lachte er. „Aber wir waren bis jetzt nur ein paar Mal aus. Mal sehen, was daraus wird."
„Wie sieht sie aus?", wollte ich gespannt wissen und beobachtete ihn, wie er sein Handy aus der Hosentasche zog, kurz darauf herumtippte und es mir dann vor die Nase hielt. Mir schien ein Bild entgegen, auf dem Owen und ein Mädchen mit hellbraunen Locken zu sehen waren. Er hatte seinen Arm um sie gelegt und beide lachten fröhlich.
Das Bild versetzte mir einen Stich. Nicht dass ich es ihm nicht gönnte, aber es erinnerte mich plötzlich an die gemeinsamen Augenblicke mit Jay, sodass mir schon wieder die Tränen in die Augen stiegen. Ein leises Schluchzen verließ meinen Mund.
„Entschuldige, ich habe nicht daran gedacht, dass dich das verletzen könnte.", murmelte er auch sofort reuig und drückte mich an seinen Oberkörper.
„Es hat mich nicht verletzt. Es hat mich nur an die gemeinsamen Momente mit Jay erinnert. Momente, die alle nur auf einer Lüge basiert haben.", schluchzte ich. „Ich gönne dir dein Glück wirklich."
„Das weiß ich doch, Cat." Vorsichtig wiegte er mich hin und her, soweit das in unserer sitzenden Position möglich war. „Es ist okay, ich bin da."

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