09 - Cat

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„Das Leben ist geborgen bei einem treuen Freund."
(Jesus Sirach)

Über eine Woche war nun seit Drews Anruf und meiner ersten Nachhilfestunde vergangen. Jay hatte mir bis jetzt schon mehrmals die Zusammenhänge erklärt und langsam fing ich an, auch in Mathe wieder etwas zu begreifen.
Meine Erkältung war so weit wieder abgeklungen, auch wenn man mir durch den Schnupfen und den leichten Husten anhörte, dass ich noch nicht wieder ganz gesund war.
Mit Jay und Ben hatte ich mich mittlerweile wirklich ganz gut angefreundet, während ich meine anfängliche Freundschaft zu Jules nicht weiter vertiefen konnte. Wenn sie bei uns zu Hause war, hing sie immer bei Phil rum und die beiden waren es auch, die immer verschiedene Unternehmungen machten.
Im Moment hockte ich zu Hause auf der Couch und wartete auf Jay und Ben, die im Laufe des Nachmittags vorbei kommen wollten. Da ich mich mit meinem Dad gestritten hatte und er von meinem Verhalten alles andere als erfreut gewesen war, hatte er mir für gestern und heute Hausarrest aufgebrummt. Immerhin war er so freundlich gewesen, das Wochenende, das morgen begann, nicht mit einzubeziehen.
Als es klingelte, stürmte ich zur Tür und stand gleich zwei grinsenden Jungs gegenüber. Da weder mein Dad, noch Phil, noch Ronnie zu Hause waren, freute ich mich über die Abwechslung von meinem langweiligen Tag.
„Hi Cat!", kam es gleichzeitig von den beiden, während ich sie hereinließ. Zusammen setzten wir uns wieder auf das Sofa.
„Jetzt erzähl mal: Warum hast du denn eigentlich Hausarrest?", wollte Ben von mir wissen.
„Ich hab' mich mit meinem Dad gestritten." Ich zuckte mit den Schultern.
„Worüber?"
„Ach, mich nerven gerade so ein paar Dinge und die habe ich ihm an den Kopf geworfen. Ich hab' mich bei ihm beschwert, dass Phil immer das Auto nehmen darf und ich sehen muss, wie ich durch die Gegend komme. Und als er dazu nichts zu sagen hatte, habe ich ihn beschuldigt, dass er Phil bevorzugt und ich ihm total egal bin. Und weil er von der Arbeit schon gestresst war, ist er dann auch ausgerastet. Und seitdem herrscht zwischen uns irgendwie so eine Art Funkstille." Auch wenn ich mich nach außen hin cool gab, so als würde mir das Ganze nichts ausmachen, so war dem nicht so. Denn eigentlich machten mich diese Streitereien mit meinem Vater total fertig.
„Aber genug von mir.", unterbrach ich die trübe Stimmung. „Ich will jetzt endlich mal wissen, wer dieser Mason Parker ist."
„Du kennst ihn?" Überrascht lenkte Ben seinen Blick auf mich.
„Sagen wir mal so: Ich habe ihn im Matheunterricht vor gut einer Woche flüchtig kennengelernt." Angewidert verzog ich das Gesicht. Auch wenn ich jetzt noch an ihn dachte, überlief mich ein kalter Schauer – und das nicht im guten Sinne.
„Er hat sie angebaggert.", gab nun auch Jay seinen Senf dazu und ich konnte erkennen, wie sein Körper sich anspannte. „Ich hoffe, du hast meinen Rat befolgt und dich von ihm ferngehalten?"
„Wer freiwillig in die Nähe von so einem Typen geht, hat sie doch nicht mehr alle, oder? Aber trotzdem möchte ich wissen, was jetzt genau so schlimm an ihm ist. Klar, er wirkt unheimlich, aber vielleicht ist er ja doch ganz nett?" Ehrlich gesagt, glaubte ich selbst nicht daran.
„Parker und nett, das ist gut.", lachte Ben.
„Mason Parker ist der Schläger der Schule.", murmelte Jay, ohne mich anzusehen. „Er war schon im Gefängnis wegen Körperverletzung."
„Ich frag' mich, warum unsere Schule ihn trotzdem wieder aufgenommen hat..." Nachdenklich sah Ben aus dem Fenster und betrachtete, wie der Wind die Blätter von den Bäumen fegte.
„Mason ist vorbestraft?"
„Glaub' mir, dieser Junge schreckt vor nichts zurück.", versuchte Ben mir grinsend Angst zu machen, was ihm auch gelang. Fassungslos riss ich meine Augen auf und meine blühende Fantasie malte sich auch sogleich grässliche Bilder aus.
„Ben, es reicht. Mach ihr keine Angst.", setzte Jay sich für mich ein, während sein bester Freund die Sache anscheinend unglaublich lustig fand und leise zu lachen anfing.
„Du brauchst keine Angst haben.", flüsterte mir der Basketballkapitän zu, nachdem er sich neben mich gesetzt hatte. „Ich werde schon dafür sorgen, dass er dir nicht zu nahe kommt."
Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Irgendwie tat es gut zu wissen, dass ich jemanden in meiner Nähe hatte, der um mich besorgt war; gerade jetzt, wo die Stimmung zwischen meinem Dad und meinem Bruder und mir etwas angespannt war.
Während ich mir meine Gedanken über alles Mögliche machte, hatten Jay und Ben ein Gespräch angefangen, dem ich nun langsam wieder Beachtung schenkte.
„... Mädchen, die immer ihre Traumtyp Vorstellungen haben.", schnappte ich das Ende eines Satzes von Jay auf.
„Um was geht es?", mischte ich mich neugierig ein, da mir das Thema einfach seltsam vorkam.
„Es geht darum, dass ich meine Schwester und ihre Freundin belauscht habe, als die beiden sich gerade darüber unterhalten haben, wie der perfekte Junge sein sollte."
„Das ist aber nicht nett.", grinste ich.
„Was? Dass Mädchen unrealistische Vorstellungen vom Leben haben?", wollte Ben wissen.
„Nein, dass du gelauscht hast, du Idiot." Ich musste lachen.
„Wenn die auch so laut reden ... Hast du auch eine genaue Planung, wie dein Traumtyp sein soll?", machte er sich lustig.
„Cat hat doch überhaupt kein Problem, sie bleibt von allen männlichen Wesen fern. Und deswegen muss sie auch keine Ansprüche stellen.", warf Jay dazwischen.
„Und was bist du dann? Ein Neutrum?", spottete ich. „Und außerdem habe ich wohl zu hohe Ansprüche. Die kann – so wie es aussieht – niemand erfüllen."
„Und was wären das für Ansprüche?"
„Also zuerst mal der Charakter: Er muss nett, liebevoll, freundlich, höflich und humorvoll sein. Er muss gut mit kleinen Kindern umgehen können. Und außerdem muss er Gitarre und Fußball spielen können."
„Warum muss er Gitarre spielen können?" Ben musterte mich erstaunt.
„Weil ich es liebe, Leuten beim Gitarrespielen zu zuhören." Grinsend strich ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Und warum Fußball? Ausgerechnet Fußball?", brachte Jay fast schon abwertend hervor.
Ich zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Ich mag es, wenn Jungs Fußball spielen."
„Komm schon, Fußball ist doch absolut bescheuert."
„Fußball ist toll. Sag nie wieder etwas gegen Fußball!"
„Und wenn ich es tue?!" Provozierend grinste er mich an.
„Dann... dann..."
Jay begann zu lachen. „Drohen liegt dir wohl nicht so, Catwalk, was? Das solltest du vielleicht noch ein wenig üben."
Warum war mir auch ausgerechnet jetzt einfach absolut nichts eingefallen? Mist.

Bittersweet LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt