11 - Cat

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„In Ängsten findet manches statt, was sonst nicht stattgefunden hat."
(Wilhelm Busch)

„Guten Morgen, Sonnenschein.", grinste mir ein gutgelaunter Owen entgegen, der schon fertig angezogen in der Küche stand und eine Tasse in der Hand hielt.
„Morgen.", murmelte ich verschlafen und lehnte mich wie selbstverständlich an seine Seite. Fürsorglich legte er einen Arm um meine Schultern, während ich meine Augen schloss.
„Na, na, Cat, lass das bloß nicht Jay sehen. Sonst wird er noch eifersüchtig.", vernahm ich plötzlich die Stimme meiner kleinen Schwester. Kurz darauf spürte ich, wie Owens Oberkörper zu beben begann – er lachte.
„Ich glaube, er würde mich eigenhändig erwürgen, wenn er jetzt vorbei kommen würde."
„Haha, ihr beiden seid ja so unglaublich witzig.", blaffte ich leise. Ich hasste es, dass jeder anfing, mir zu unterstellen, ich hätte was mit Jay. Es entsprach einfach nicht der Wahrheit, auch wenn ich keine Ahnung hatte, was das gestern in der Stadt gewesen war. Ich hatte mich in seinen Augen verloren und war nicht fähig gewesen, irgendetwas zu tun. Aber ich wollte so nicht fühlen, es würde mich womöglich nur wieder verletzen, wenn ich erfuhr, dass ich ihm nicht genug bedeutete.
„Da ist aber jemand gut gelaunt heute.", lachte Owen und drückte mich leicht an sich.
„Ich bin einfach nur müde.", nuschelte ich in seinen Pullover hinein.
„Alter, was machst du denn hier?!" Phils überraschte Stimme tönte durch die Küche.
„Jep, Ich freu mich auch, dich zu sehen.", witzelte Owen und stieß sich von der Küchenzeile ab, um meinen Bruder zu begrüßen. Ich hingegen grummelte nur leise, da mein Kopf aufgrund der nun fehlenden Stütze zur Seite rutschte und ich unweigerlich die Augen öffnen musste.
„Cat, warum hast du mir nicht gesagt, dass Owen hier ist?" Phil verschränkte die Arme vor seiner Brust und schien nicht gerade erfreut zu sein.
„Was denkst du, warum ich dich am Freitag angerufen habe?", keifte ich ärgerlich und stellte mich in Abwehrhaltung vor ihn. „Du hast aufgelegt, nicht ich."
„Okay, ich würde sagen, ihr beide müsst dringend reden. Komm, Ronnie." Damit schob Owen unsere kleine Schwester aus der Küche und die beiden verschwanden nach oben, während ich mich immer noch müde ins Wohnzimmer ging und mich auf die Couch fallen ließ. Phil ließ sich auf dem Sessel nieder und eine Weile sagte keiner von uns ein Wort.
Irgendwann hob ich meinen Kopf und begegnete direkt Phils Blick, worauf wir uns für kurze Zeit einfach nur anstarrten, bis wir plötzlich gleichzeitig in Gelächter ausbrachen. Ich wusste gar nicht so genau, wieso wir lachten, aber es tat gut, uns nicht weiter anzuschweigen und uns mit Blicken gegenseitig zu töten.
„Es tut mir Leid, Catie. Ich weiß, ich habe mich die letzten Tage benommen wie ein Idiot. Und vorgestern war ich einfach gestresst. Ich musste fahren und wir haben einfach nicht den richtigen Weg gefunden. Da du morgens so sauer auf mich warst, dachte ich, dass du mir nur irgendwelche Vorwürfe machen willst und das konnte ich in diesem Moment wirklich nicht gebrauchen." Er fuhr sich grinsend durch seine hellbraunen Haare und schmiss sich schließlich neben mich auf das Sofa.
„Schon okay. Ich war ja auch nicht gerade nett zu dir."
„Aber es war gerechtfertigt, dass du wütend warst. Uns ist es gar nicht aufgefallen, dass wir dich fast schon ausgegrenzt haben. Das nächste Mal bist du auf jeden Fall dabei."
„Lass mal, Brüderchen.", murmelte ich und lächelte. „Vielleicht ist es einfach besser, wenn wir hier unseren getrennten Freundeskreis haben. Ich war nur enttäuscht, weil sich alles anders entwickelt hat als in Jacksonville, wo Owen, Ella, du und ich ein unschlagbares Team waren. Aber wahrscheinlich ist es so wirklich das Beste. So muss ich wenigstens nicht mit ansehen, wie Jules und du euch gegenseitig mit euren Blicken auszieht." Frech grinste ich ihn an, weswegen ich sofort einen harten Schlag gegen den Hinterkopf erntete.
„Nicht so frech, Fräulein." Streng baute mein Bruder sich vor mir auf, ehe er schallend anfing zu lachen. Er nahm wieder neben mir platz, legte einen Arm um mich, während ich mein Kopf an seinem Oberkörper ablegte.
„Seid ihr jetzt zusammen oder nicht?", wollte ich schließlich noch wissen, wobei mir schon wieder träge die Augen zufielen.
„Geht es Sie denn etwas an, Miss Summers?", meinte er lachend und piekste mir in die Seite, worauf ich sofort wieder wach wurde.
„Aber sicher, werter Herr. Immerhin werde ich Trauzeugin, schon vergessen?" Als Kind hatte ich immer davon geträumt, einmal Trauzeugin zu sein. Und deshalb hatte mein Bruder mir versprochen, dass ich später bei seiner Hochzeit diesen Job übernehmen dürfte.
„Du scheinst heute wirklich gut drauf zu sein.", bemerkte Phil und spielte womöglich nicht nur auf meine Antworten, sondern auf mein breites Grinsen an, das nicht mehr aus meinem Gesicht wich.
„Warum auch nicht? Es ist ein toller Tag: Wir haben unseren Streit begraben, Owen ist hier... Was will man mehr?"
„Jay vielleicht?"
„Du. Bist. Ein. Idiot.", knurrte ich halb lachend, halb ernst und begann ihn zu kitzeln.
„Cat... Stopp... Hör auf!" Er schnappte nach Luft, als ich ihn tatsächlich in Ruhe ließ.
„Bist du jetzt mit Jules zusammen?", kam ich erneut auf das Thema zurück in der Hoffnung, nun eine Antwort zu erhalten.
Leicht deprimiert schüttelte er den Kopf und seufzte. „Noch nicht. Es ist alles ein wenig kompliziert."
„Was ist daran bitteschön kompliziert?" Ich konnte den leichten Spott nicht verbergen. „Es ist nicht zu übersehen, dass ihr ein tolles Paar abgebt. Sie mag dich, du magst sie. Punkt. Also, wo liegt dabei das Problem?"
„Das Problem hat einen Namen. Alex."
„Was hat Alex denn jetzt mit der ganzen Sache zu tun?", fragte ich begriffsstutzig.
„Du stehst wirklich auf dem Schlauch, oder? Alex ist in Jules verliebt."
„Wie bitte?" Hätte ich jetzt etwas im Mund gehabt, hätte ich es wohl durch den gesamten Raum gespuckt, so überraschend kam dieser Satz für mich. „Das glaube ich nicht. Hat er dir das gesagt?"
„Nicht so direkt. Aber allein, wie er sich benimmt, was er für Andeutungen macht, spricht für sich."
„Aber das hat doch nichts zu bedeuten. Owen und ich werden auch oft für ein Paar gehalten, obwohl wir nur Freunde sind."
„Glaub mir einfach. Die Sache mit Alex ist nicht so einfach. Er ist krankhaft eifersüchtig. Am Wochenende wurde er manchmal extrem wütend, wenn Jules und ich auch nur für fünf Minuten irgendwo hingegangen sind und er nicht dabei war. Falls er nicht schon längst ein Problem ist, dann wird er das sicherlich noch werden."
Fassungslos schüttelte ich den Kopf. Mein Bruder stritt sich also mit einem anderen Kerl um ein Mädchen. Na prima.

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