Kapitel 5 ~ When the sun goes down

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„Du weißt schon, dass das nur ein lahmes Foto für einen Fotowettbewerb ist und keine Show, in der ich mich in Schale werfe", mache ich meiner Freundin klar.

„Schon, aber findest du ihn kein bisschen attraktiv? Du könntest doch ein bisschen hübscher aussehen, um ein bisschen zu punkten. Bestimmt sieht er toll aus!", schwärmt Mandy.

„Ich will nichts von ihm!", protestiere ich.

„Oh, aber er wird dir zu Füßen liegen!", kichert sie albern.

„Das glaubst aber auch nur du!", ärgere ich mich, muss aber doch lachen.

Es ist Mittwochnachmittag und in einer Stunde treffe ich mich mit Fynn.

Als ich heute Morgen in der Schule von Fynn und der Begegnung gestern erzählt habe, hat sich Mandy an meine Fersen geheftet, um alles über ihn zu erfahren, obwohl ich ihn doch selbst kaum kenne.

Und irgendwann landete sie nach der Schule in meinem Zimmer und ließ sich nicht mehr vertreiben. Mandy legt die Zeitschrift weg.

„Mal im Ernst, so schlimm wird der Typ doch wohl nicht sein!"

„Ist er ja auch nicht. Naja, er hat ganz nette Haare."

Nett?"

„Ja, nett. Und jetzt entschuldige mich, ich hole uns eine Cola. In der Zwischenzeit kannst du ihm ja nachspionieren und durch mein Fenster gucken, ob du ihn nackt siehst.", beende ich das Gespräch.

Das ist sein Zimmer?!", kreischt Mandy aufgeregt und stürzt an mein Fenster. So ein Typ von nebenan kann mir doch völlig egal sein, wohingegen meine Gedanken immer wieder zu Henri schweifen und sich fragen, was ich tun soll, um endlich mit ihm zu reden. Vielleicht könnte mir Mandy stattdessen damit helfen, anstatt ihre Gedanken auf meinen nervigen Nachbarn zu verschwenden.

Ich stehe auf marmornen Stufen und zerreibe nervös ein Blatt des Holunderstrauches zwischen den Fingern.

Dann zähle ich stumm bis drei und klingele. Ich höre Schritte, die auf die Tür zukommen. Nervös trete ich von einem Bein auf das andere. Dann öffnet mir eine blonde große Frau. Sie trägt ein Shirt einer Marke namens Naketano, eine Jeans und Clogs.

„Hallo...?"

„Ich bin Nicole, hallo. Ich wohne nebenan. Ist Fynn da?", frage ich freundlich.

„Ja, er ist oben. Komm doch rein.", lächelt die fremde Frau, die wohl seine Mutter ist, was ich unverkennbar an den grünen Augen sehe. Das Haus ist bunt und lebensfroh eingerichtet, ganz anders als bei uns, welches kühl und stilvoll gehalten wird, dass man das Gefühl hat, in einem Wohnmagazin und nicht zuhause zu sein. Hier stapeln sich bunt Bücher und Brettspiele, auf dem grünen Sofa finden sich mehrere bunte Kissen, die Granitplatte in der Küche ist belegt mit Teedosen, einer bunten Dose Kekse, Kresse in selbstgetöpferten Schüsseln und Kochbücher von Betty Bossi, alle in einem geflochtenen Korb aus Afrika. Die orangefarbenen Wände zieren die Fotos vier verschiedener Kinder, darunter Fynn, selbstgemalte Bilder der Kinder, exotische Kunstwerke und ein Kunstdruck von Monets Seerosen. Die Terrassentür ist geöffnet und gibt den Blick auf einen Garten voller Blumenbeete, Büsche und einem bunten Gartenhaus frei. Ich bin beindruckt, wie wohl ich mich in diesem fremden, gerade erst neu bezogenen Haus fühle, welches früher einmal weiße Wände und graue Sofas hatte. Auf der Treppe stolpere ich beinahe über einen Stapel Bilderbücher und im Flur kommen mir zwei kleine Jungs entgegengerannt.

„Ich habe dich!", kreischt einer, der andere bleibt schlitternd vor mir stehen.

„Wer bist du?"

„Bestimmt Fynns Freundin!", lacht der Andere.

Daraufhin rennen die beiden kichernd um mich herum und singen: „Fynn hat eine Freundin!"

Liebe sieht aus wie eine Wolke (Band 1) ✔️ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt