Kapitel 8 ~ Wie man endlich mutig wird

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Am Montagmorgen betrete ich nervös und in meinem schönsten Top das Schulgebäude. Heute werde ich Henri auffallen und er wird bestimmt mit mir reden. Zumindest habe ich mir das fest vorgenommen. Ich bin nervös, mir wurde letzte Nacht aber auch klar, dass man sein Leben persönlich in die Hand nehmen sollte. Wenn ich will, dass er mich endlich beachtet, dann muss ich das eben selbst in die Hand nehmen. Als ich ins Klassenzimmer komme, ist Mandy schon da und lächelt mich an. „Und, redest du heute mit ihm?", fragt sie neugierig. „Auch mehr als ein Wort?"

„Habe ich schon irgendwie vor, ja", lächele ich schief.

Quietschend drückt sie mich. In dem Moment tauchen Madita und Eva-Lotta neben uns auf.

„Was ist denn hier los?"

„Nichts", sage ich schnell. Ich habe ihnen nichts von Henri erzählt, auch wenn beide ziemlich gute Freundinnen sind. Ich will einfach nur sichergehen, dass das nicht die Runde macht. Ich will hiermit nicht sagen, dass ich den Beiden nicht vertraue, aber man sollte trotzdem ein wenig vorsichtig sein, oder nicht?

Madita hebt eine Augenbraue. „Ich habe nur erfahren, dass es in der Cafeteria Schokocroissants gibt, cool, oder?", quietscht Mandy schnell. Jetzt schauen die Beiden noch verwirrter als zuvor.

„Wow, Mandy, wow", murmele ich sarkastisch, als Herr Gries, unser Kunstlehrer den Raum betritt.

„Auf an eure Landschaftsbilder, hopp hopp!" Genervt wedelt Mandy mit dem Pinsel vor meiner Nase rum. „ich hasse Landschaftsbilder. Lass uns demnächst Kunst schwänzen."

„Du weißt, dass ich nicht schwänze", flüstere ich.

„Langweilerin." Ich vertiefe mich in der Arbeit meines Seerosenteiches und meine Gedanken wandern wie von selbst zu Henri.

Habe ich nicht erwähnt, dass ich mit Henri reden will? Naja, bis jetzt habe ich ihn noch nicht einmal gesehen. Dafür aber laufe ich ein paar Mal Fynn über den Weg, der dafür, dass er erst geradeeben hergezogen ist, erstaunlich viele Freunde gefunden hat. Er ist mit zwei Jungs aus der Kunst-AG befreundet, die ich ein paar Mal gesehen habe. Er grinst mir etwas schüchtern zu und ich winke leicht zurück. „Der ist aber auch hübsch", bemerkt Mandy, ehe sie mir zuzwinkert und auf Björn zugeht.

Madita und Eva-Lotta verabschieden sich, um zu ihren Schließfächern zu gehen, als ich Henri endlich erblicke. Er lehnt an der Wand und unterhält sich mit Jasmin. Ausgerechnet. Ich überlege, wieder umzudrehen, vielleicht hat er mich ja noch nicht gesehen. Dann aber schöpfe ich Kraft und gehe in ihre Richtung, da ich sowieso dorthin muss. Mein Herz klopft wie verrückt, so sehr wünsche ich mir, dass ich endlich nicht mehr Luft für ihn bin.

„Hi", sagt auf einmal Henri und sieht mich an.

Mein Herz beginnt laut zu klopfen. Hat mich eben etwas Henri gegrüßt? Mich? Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich blicke mich um, um zu schauen, ob er jemanden hinter mir meint, aber da ist keiner.

„Du hast mich doch am Wochenende angesprochen. Wie heißt du denn jetzt eigentlich?"

Es besteht kein Zweifel, Henri redet tatsächlich mit mir. Seine Stimme klingt so schön, während er mich ansieht.

„Nicole", bringe ich nervös hervor und könnte mich dafür ohrfeigen. Warum habe ich nicht „Nic" gesagt? Das wars jetzt mit meinen Fantasien.

„Henri", lächelt er. Als ob ich das nicht wüsste. Dann schaut er mich ein letztes Mal an und wendet sich dann wieder Jasmin zu, die etwas gereizt dreinblickt.

„Würdest du mir jetzt bitte zuhören?", sagt sie spitz.

Was für eine giftige Schlange! Was will sie überhaupt von Henri? Ich grübele immer noch vor mich hin, als Mandy mich wieder einholt, und eigenhändig ins Klo schleift, damit ich ihr Alles erzähle. Was auch immer so besonders daran ist, immerhin hat er mich ja nur nach meinem Namen gefragt. Aber es fühlt sich an, als würde ich diesmal nicht unter einer dicken, grauen Regenwolke begraben sein, sondern auf einer schneeweißen, weichen Wolke schweben. Diese Wolke bleibt den ganzen Tag und fällt erst in sich zusammen, als ich nach der Schule sehe, wie Henri Jasmin umarmt. Einfach so. Mitten auf dem Pausenhof, vor meinen Augen. Und mich würdigte er dabei keines Blickes. Nein, er hat nur Augen für Jasmin. Sie wirken so vertraut, wie ich einem Jungen noch nie war. Die Eifersucht sticht in meiner Magengrube.

„Bestimmt hat das nichts zu bedeuten", tröstet mich Mandy. Aber irgendwie lande ich dennoch unsanft auf dem Boden der Tatsachen und die Wolke, auf der ich eben noch geschwebt bin, ist längst davongeflogen.

Liebe sieht aus wie eine Wolke (Band 1) ✔️ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt