Eigentlich war mein Tag echt zum Kotzen. Frustriert komme ich daheim an und tue etwas, was ich schon lange nicht mehr gemacht habe: ich klettere in meinen Baum. Eigentlich begründen zwei Faktoren meine miese Laune: Henri war nicht in der Schule und Jasmin auch nicht. Ich wäre auch besser zu Hause geblieben, denn ich bekam in Physik eine fünf zurück.
Die Arbeit liegt immer noch in meiner Schultasche und ich habe sie noch nicht herausgeholt.
Ich krame unzufrieden mein Handy hervor und gehe auf Instagram, wo ich Henris Account aufrufe. Tatsächlich. Der neuste Post ist eine Stunde alt und zeigt ihn auf einer Gartenparty- mit Jasmin, beide halten Bierflaschen in der Hand und lächeln zufrieden in die Kamera.
Wie gelähmt starre ich auf das Bild und klicke es weg. Tränen sammeln sich in meinen Augen. Das hat doch bestimmt nichts zu bedeuten, oder? Vielleicht sind die beiden ja nur Freunde. Aber was, wenn nicht?
Neben mir knirscht es. Erschrocken wende ich mich um und wische mir die Tränen mit einer Handbewegung weg. „Was ist los?", Fynn lässt sich neben mich fallen.
„Wie kommst du hier auf den Baum?", entgegne ich.
Er deutet auf sein Fenster und antwortet: „Der Baum befindet sich nah an meinem Fenster."
„Das ist mein Baum."
Er mustert mich stumm.
„Was ist los?"
Ich knete meine Hand und bleibe stumm. Vielleicht geht Fynn ja dann. Ich starre auf den Horizont, auf die fluffigen, weißen Wolken und den blauen Himmel.
„Du musst es mir nicht sagen", sagt Fynn auf ein Mal.
„Danke auch", murmele ich sarkastisch.
Auf einmal ergreift er meine Hand. Zaghaft und vorsichtig. Nur ganz kurz. Entgegen meinen Erwartungen fühlt es sich geborgen an. Ich starre auf unsere Hände und merke, wie er ebenfalls darauf schaut. Er wartet darauf, dass ich mich zurückziehe. Aber ich schaue in den Himmel und merke, wie sich ein wohlig warmer Schleier um meine Sorgen legt. Seine Hand fühlt sich weich an. Aber plötzlich fühlt sich das ganze doch nicht richtig an. Er weiß ja nicht, dass ich einen anderen mag. Und in Kombination mit meinen Tränen sieht das bestimmt so aus, als wäre ich eifersüchtig auf Jasmin. Als wäre ich in Fynn verliebt!
Ich ziehe meine Hand zurück.
„Kannst du mich allein lassen?"
Er zögert leicht.
„Das ist mein Baum", sage ich mit Nachdruck.
Erst nach ein paar Sekunden erhebt er sich und klettert in sein Zimmer zurück.
„Ich muss sowieso zum Training", sagt er, klappt das Fenster zu und lässt mich allein.
Ich schalte mein Handy wieder an und starre auf Henris Post. Auf ihn und Jasmin. Beide glücklich nebeneinander auf einer Party am helllichten Tag. Auf einmal durchzuckt mich ein Gedanke, nur ein ganz kleiner, für den ich mich kurz danach wieder schäme. Wenn Fynn Jasmin mag und ich Henri... Nein, das würde ich Fynn nicht antun und mir selbst auch nicht. Wir sind nur Freunde und nichts weiter. Ich glaube nicht, dass die richtige Lösung wäre, zum Schein eine Beziehung mit meinem Nachbarn anzufangen. Dennoch lässt mich der Gedanke nicht los. Dieser kitschige, blöde Gedanke, wie es ihn in Büchern gibt. In Romanen gehen diese Fakebeziehungen alle gut aus. Aber das sind Bücher, nicht das echte Leben... Nervös kaue ich mir auf der Unterlippe herum und beobachte, wie Fynn das Haus verlässt und, die Tasche um die Schultern, auf seinem Mofa wegdüst.
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Liebe sieht aus wie eine Wolke (Band 1) ✔️
Novela JuvenilDie fast 16-Jährige Schwedin Nicole lebt ihr Leben eher in Büchern als im Real life. Ansonsten hätte sie ihren Schwarm Henri längst angesprochen. Doch der hat mittlerweile eine Freundin... Als der 16 Jährige Fotografienerd Fynn das Haus neben Nicol...